Zitieren als: Boner, M. & Kleiner, J. (2021): Präkonzepte Erdbeben. PH FHNW; Windisch.
Abbildung 1: Risse durch Erdbeben.
Einleitung
Im pädagogischen Zusammenhang beschreibt der Begriff «Konzept», «dass gedanklich Erfasste in Form von Entwürfen bzw. vorläufigen Theorien» (Koch, 2018). Schüler:innen verwenden Konzepte um «Wahrnehmungen zu ordnen, zu interpretieren und diese in einen Zusammenhang zu stellen» (ebd.). Präkonzepte sind bei den Schüler:innen zu vielen Themen bereits vorhanden und sind somit vorunterrichtliche Vorstellungen der Schüler:innen. Präkonzepte sind für Lehrpersonen als Hilfsmittel zur Gestaltung des Unterrichts als wichtig zu erachten, da diese Lernschwierigkeiten verursachen und das Erlenen angemessener Konzepte erschweren können. Ziel ist es, dass Lehrpersonen die vorhandenen Präkonzepte als «Ankerpunkte für die Weiterentwicklung und das Weiterlernen» (ebd.) nutzen. Im Rahmen des Masterstudiengangs des Fachs Geographie an der PH FHNW in Windisch haben wir uns mit Präkonzepten zum Thema Erdbeben befasst. Bei dem Gedanken an ein Erdbeben denken die Schüler:innen immer zuerst an das Beben der Erde sowie die Zerstörung und nicht an die geophysischen Prozesse dahinter. (Koch, 2018)
Im Lehrplan 21 ist das Thema Erdbeben wie folgt aufgeführt:
«RZG 1.3a, die Schüler:innen können Naturphänomene und Naturlandschaften (z.B. Glazial-, Auen-, Vulkanlandschaft) beschreiben und deren Entstehung als Ergebnis endogener und exogener Prozesse erklären». ☰Plattentektonik, Erosion, Ablagerung» (BKS 2018)
Explizit erwähnt sind Erdbeben in der Kompetenz RZG 1.3b. «Die Schüler:innen können sich über aktuelle Naturereignisse informieren und deren Ursachen erklären. ☰Vulkanismus, Erdbeben, Murgang, Felssturz» (BKS 2018)
Im ersten Teil werden zwei ausgewählte Studien vorgestellt. Diese Studien werden anschliessend in Beziehung zueinander gesetzt und verglichen. Im Anschluss erfolgt eine Diskussion über die Auswirkungen der Studien auf den Unterricht sowie die didaktischen Konsequenzen, welche daraus gezogen werden können.
Studie 1: «Middle school students’ conceptual understanding of earthquakes» (Toprak-Derelei & Savasci-Acikalin, 2018)
Inhalt, Probanden und Methodik
Die untersuchte Studie von Toprak-Dereli und Savasci-Acikalin beschäftigt sich mit dem konzeptionellen Verständnis von Erdbeben von Schüler:innen zwischen der 5. und der 8. Klasse. Die 1024 Probanden stammen aus 10 verschiedenen Schulen in Istanbul. (Toprak-Derelei & Savasci-Acikalin, 2018, S. 2 (übersetzt)).
Die Daten wurden einerseits quantitativ im Rahmen eines Fragebogens («Understanding Earthquake Test») erhoben. Dieser bestand aus 60 Fragen, welche in vier Kategorien unterteilt wurden: «What earthquakes are (Part A), how earthquakes happen (Part B), how earthquakes affect other things (Part C), and how to protect ourselves from earthquakes (Part D).” (Topral-Dereli & Savasvi-Acikalin, 2018, S. 2). Pro Frage wurden drei Antwortmöglichkeiten angeboten (stimme zu/ neutral/ stimme nicht zu).
Des Weiteren wurde eine qualitative Datenanalyse im Rahmens eines semistrukturierten Interviews mit 36 Schüler:innen durchgeführt. Die Probanden wurden aufgrund ihrer Antworten im Fragebogen ausgewählt, «based on their test scores as three levels as high, middle, and low.» (Topral-Dereli & Savasvi-Acikalin, 2018, S. 2). Diese Interviews wurden durchgeführt um festzustellen, “if there is any significant difference among students’ conceptions in terms of grade level.” (Ebd., S. 3).
Ergebnisse
Die Studie konnte aufzeigen, “that middle school students have lack of scientific understanding of earthquakes” (Topral-Dereli & Savasvi-Acikalin, 2018, S. 3). Sowohl in den Fragebögen als auch in den Interviews konnte festgehalten werden, dass es den Schüler:innen schwerfällt, zu definieren, was ein Erdbeben genau ist (ebd., S. 3 (übersetzt)). Weiter wusste ein grosser Teil der Probanden nicht, wie ein Erdbeben entsteht: «they did not seem to know that earthquakes are caused by release of energy stored in rocks or by the movement along faults.” (Ebd., S. 3).
Dazu kommen falsche Vorstellungen von Erdbeben: «Students seemed to be undecided that that testing, Earth’s core moving to the surface, or tides can be reasons for earthquakes.” (Ebd., S. 4) Ebenfalls konnten viele Schüler:innen nicht zwischen Vulkanen und Erdbeben unterscheiden. Einige Probanden gaben an, dass menschlich Interkation mit der Umwelt Erdbeben auslöse (Atomtests, Abholzung, Klimaveränderung, Umweltverschmutzung (ebd., S. 7 (übersetzt)). Ebenfalls wurde von einigen Teilnehmer:innen angegeben, «that some animals can feel the earthquakes before it happens and scientist can predict earthquakes. Some of them stated that planting works, keeping environment clean, and less construction of buildings are necessary in order to prevent earthquakes. » (Ebd., S. 7).
Mit der durchgeführten Varianzanalyse (ANOVA) konnte festgestellt werden, dass auf allen Stufen das Wissen über die Entstehung von Erdbeben fehlt, auch wenn die älteren Schüler:innen mehr wissenschaftliches Verständnis über Erdbeben hatten als die tieferen Klassen (ebd., S. 7 (übersetzt)).
Schlussfolgerungen
Die Studie zeigt auf, dass den untersuchten Probanden das Wissen fehlt, was ein Erdbeben genau ist und wie es entsteht (Topral-Dereli & Savasvi-Acikalin, 2018). Die älteren Schüler:innen konnten zwar etwas mehr Wissen vorweisen als die jüngeren, aber auch ihnen fehlte grundsätzliches Wissen über Erdbeben.
Ebenfalls sind grundsätzlich falsche Vorstellungen zu der Entstehung von Erdbeben vorhanden, welche unter anderem menschliches Handeln als Entstehungsgrund für Erdbeben impliziert aber auch Naturphänomene wie die Gezeiten werden als Grund für die Entstehung von Erdbeben genannt (Topral-Dereli & Savasvi-Acikalin, 2018).
Studie 2: «Fifth grade elementary students› conceptions of earthquakes» (Savasci & Uludüz, 2013)
Inhalt, Probanden und Methodik
Die von Savasci & Uludüz publizierte Studie befasst sich mit der Untersuchung von vorhandenen Konzepten bei Schüler:innen bezüglich Erdbeben. Die Studie wurde mit Probanden einer 5. Jahrgangsstufe durchgeführt. Die Daten stammen von 22 freiwilligen Teilnehmenden, alle zwischen 10 und 12 Jahre alt, welche in Istanbul (Türkei) fünf verschiedene Primarschulen besuchten. (Savasci & Uludüz, 2015, S. 5 (übersetzt)) Die Auswahl der Teilnehmer erfolgte anhand folgender Kriterien: «Bereitschaft zur Studienteilnahme, sozioökonomischer Hintergrund, Leistung sowie Geschlecht». (ebd., S. 5 (übersetzt))
Bei der Durchführung der Studie wurde eine qualitative Forschungsmethode in Form von halbstrukturierten Interviews angewendet. Die Fragen wurden vom türkischen Grundschullehrplan sowie aus anderen Studien (Ross & Shuell, 1993; Laçin-Şimşek, 2007) abgeleitet. (ebd., S. 1 (übersetzt)) Der Fragebogen bestand aus sechs offenen Hauptfragen, welche während eines 20 bis 30-minütigen Interviews gestellt wurden. «Die Interviews wurden aufgezeichnet und anschliessend transkribiert».(ebd., S. 5 (übersetzt))
Ergebnisse
Assoziationen zu Erdbeben
Zuerst wurde das allgemeine Verständnis von Erdbeben befragt. Hier zeigte sich, dass bei den Schüler:innen «bereits eine Vielzahl an Konzepten vorhanden waren». (ebd., S. 5 (übersetzt)) 55% der Probanden gaben an, dass bei Erdbeben Bodenerschütterungen beteiligt sind. Andere häufige Assoziationen waren Einstürzende / Erschütterte Gebäude welche 41% der Teilnehmenden nannten, sowie «Verlust von Leben und Eigentum» (ebd., S. 6 (übersetzt)) welche 27% der Nennungen betrafen. Somit definierten mehr als zweidrittel der Probanden (68%) ein Erdbeben anhand seiner negativen Auswirkungen. (ebd., S. 6 (übersetzt))
Kausalität von Erdbeben
Als Ursache von Erdbeben wurde von 27% der Teilnehmenden menschliches Handeln angegeben. Dieses menschliche Handeln wurde genauer als «Bomben, Umweltverschmutzung sowie alte und schlecht erhaltene Gebäude» (ebd., S. 6 (übersetzt))definiert. Die Probanden tätigten Aussagen wie: «Menschen legen Bomben in den Boden» oder «weil die Leute sich nicht um die Umwelt kümmern und sie verschmutzen». Weitere angegebene Ursachen waren z.B. «religiöse Überzeugungen (18%) wie Gott verursacht Erdbeben o.ä., Physikalische Defekte der Erdoberfläche (18%) und Brüche an den Verwerfungen (14%)sowie Vulkane (9%)» (ebd., S. 7 (übersetzt)). Zusätzlich muss festgehalten werden, dass 27% der Probanden diese Frage nicht beantworten haben (Savasci & Uludüz, 2015).
Vorsichtsmassnahmen VOR Erdbeben
In der Schule: Als wichtigste Massnahme wurde von 59% der Probanden die Verfügbarkeit von Erste-Hilfe-Kästen genannt. Eine weitere wichtige Massnahme sei die Durchführung von Erdbebenübungen (50%). Weitere Nennungen waren z.B. «das Mitführen von Radios, um Neuigkeiten zu erfahren (23%), die Durchführung von Kursen und Seminaren (18%) sowie die Überprüfung der Erdbebensicherheit von Schulgebäuden (14%)» (ebd., S. 8 (übersetzt)).
Zu Hause: Die mit 77% von den Teilnehmern meistgenannte Massnahme bezüglich Vorsichtsmassnahmen vor Erdbeben welche zu Hause getroffen werden können, war die Versorgung mit Erdbebentaschen. Diese Taschen beinhalten Decken, Trinkwasser, Taschenlampen, Trillerpfeifen, Essen sowie ein Radio und sind für Opfer von Erdbeben gedacht (ebd., S. 9 (übersetzt)). «Diese Erdbebentaschen werden von Experten in den öffentlichen Medien oft als notwendig [angepriesen]» (ebd., S. 9 (übersetzt)). +Die Befestigung von Möbeln und Regalen an den Wänden» (ebd., S. 9 (übersetzt)) wird von den Probanden als weitere wichtige Massnahme genannt (41%). Eine weitere oft genannt Vorsichtsmassnahme ist z.B., dass Betten nicht bei den Fenstern stehen sollten (27%) (ebd., S. 9 (übersetzt)). Die Durchführung von Erdbebenübungen zu Hause wird nur von 5% der Schüler:innen genannt (ebd., S. 9 (übersetzt)).
Im Aussenbereich: 41% der Probanden gaben bezüglich Vorsichtsmassnahmen im Aussenbereich keine Antwort. 36% der Schüler:innen gaben an, dass die Überprüfung der Gebäudesicherheit sowie stärkere Gebäudekonstruktionen umgesetzt werden sollten. Nur 9% der Teilnehmenden gaben an, dass die Einwohner mehr über Erdbeben erfahren sollten (ebd., S. 9 (übersetzt)).
Vorsichtsmassnahmen WÄHREND Erdbeben
In der Schule: Die Hälfte sowie mehr als die Hälfe (55%) gaben an, dass während eines Erdbebens «Zuflucht unter einem Tisch und der Kopf durch die Arme geschützt» (ebd., S. 10 (übersetzt)) werden sollte. Ebenfalls gaben 36% der Teilnehmenden an, dass die «Zuflucht neben einem Tisch» (ebd. S. 10 (übersetzt)) eine bessere Massnahme sei. Knapp ein Drittel der Schüler:innen waren sich bewusst, dass sie während eines Erdbebens nicht nach Draussen gehen sollten (ebd., S. 10 (übersetzt)). 18% der Probanden gaben an, dass die oft mittels Videos oder TV-Dokumentationen vermittelte Methode des «Sitzen-Halten und in Deckung gehen» (ebd., S. 10/11 (übersetzt)), eine wichtige Massnahme sei (Savasci & Uludüz, 2015).
Zu Hause: Die bezüglich «Vorsichtsmassnahmen in der Schule meistgenannte Antwort, dass der Kopf durch die Arme geschützt werden sollte» (ebd., S. 11 (übersetzt)), wurde mit (23%) bei den Massnahmen für zu Hause nur als Vierthäufigste genannt. Die drei meistgenannten Vorsichtsmassnahmen waren die Zuflucht unter einem Tisch (41%), das Verbleiben im Innern des Hauses (36%) sowie das Fernbleiben von Fenstern und Regalen (27%) (Savasci & Uludüz, 2015).
Im Aussenbereich: Die meisten der Probanden (55%) gaben an, dass «Menschen sich von Gebäuden fernhalten» (ebd., S. 12 (übersetzt)) sollten. «Menschen welche sich in einem Markt aufhalten, sollten nach draussen gehen» (ebd., S. 12 (übersetzt)) war eine der weiteren oft genannte Massnahme (27%). Eine gewisse Unsicherheit bezüglich dieser Vorsichtsmassnahme lässt sich erkennen, da 23% der Teilnehmenden angaben, dass ein «Abwarten in der Nähe von Tischen oder Regalen in den Geschäften» (Ebd., S. 12 (übersetzt)) eine gute Massnahme wäre. Ebenfalls 23% der Befragten hatten diese Frage nicht beantwortet. (Savasci & Uludüz, 2015).
Schlussfolgerungen
Die in der Studie aufgezeigte Erkenntnisse wurden bereits in früheren Studien von Ross & Shuell (1993) festgehalten. Als möglicher Grund dafür werden die Medien als Wissensquelle bezüglich Erdbeben aufgeführt. Insbesondere Nachrichtenbeiträge in welchen die negativen Konsequenzen von Erdbeben in Form von Bildern und Sprache dargestellt werden. (Savasci & Uludüz, 2015)
Menschlichen Handeln wird von vielen Schüler:innen als Hauptursache von Erdbeben bezeichnet. Diese Schuldzuweisung in Form von Bomben, Verschmutzung und alten Gebäudekonstruktionen wurde in vorangehenden Studien nicht festgestellt. (Savasci & Uludüz, 2015)
Der signifikante Anteil an Probanden welcher keine Ursachen von Erdbeben nennen konnten zeigt auf, dass hier eine grosse Wissenslücke besteht. Dies wurde bereits in früheren Studien von Buluş-Kırıkkaya, Çakın, İmalı, &Bozkurt’s (2011) und Demirkaya (2008) festgehalten. (Savasci & Uludüz, 2015)
Nur wenige Schüler:innen versuchten Erdbeben als wissenschaftliches Phänomene und dessen physikalische Aspekte zu erklären. Ebenfalls vermischten die Teilnehmenden Erdbeben mit Vulkanen, Gewittern und Erdrutschen. Dies wurde bereits in einer früheren Studie von Laçin-Şimşek (2007) hervorgehoben. Bei der Studie von Ross & Shuell (1993) ist der grösste Teil der Teilnehmenden davon ausgegangen, dass Vulkane der Grund für Erdbeben sind. (Savasci & Uludüz, 2015)
Schüler:innen betrachten Erdbeben entweder von einer psychologischen Perspektive (Angst und Leid) oder über religiöse Ansichten (Weltuntergang, Bestrafung durch Gott). Diese Erkenntnis deckt sich mit früheren Studien (Ross & Shuell, 1993; Laçin-Şimşek, 2007). (Savasci & Uludüz, 2015)
Die Probanden verfügen über ein grosses Wissen bezüglich der Vorsichtsmassnahmen vor und während Erdbeben. (Savasci & Uludüz, 2015)
Diskussion und Vergleich der Studien
Bestandteil beider Studien war die qualitative Forschung mittels semi-strukturierten Interviews. Bei Studie 1 wurden diese zusätzlich mit der quantitativen Forschungsmethode eines Fragebogens ergänzt. Die Probanden beider Studien besuchten Schulen zwischen der 5. und der 8. Jahrgangsstufe in Istanbul, Türkei. Sowohl Studie 1 als auch Studie 2 untersuchen Präkonzepte bezüglich der Assoziationen sowie der Kausalität von Erdbeben und Möglichkeiten sich vor Erdbeben zu schützen. Studie 2 befasst sich ausserdem mit den Präkonzepten zu möglichen Schutzmassnahmen während des Erdbebens. (Toprak-Derelei & Savasci-Acikalin, 2018) (Savasci & Uludüz, 2015)
In beiden Studien konnte aufgezeigt werden, dass es den Schüler:innen Probleme bereitet, ein Erdbeben aus wissenschaftlicher resp. geophysiologischer Sicht zu definieren. Studie 2 hat ebenfalls festgestellt, dass Erdbeben von vielen Schüler:innen anhand ihrer negativen Auswirkungen definiert werden. (Toprak-Derelei & Savasci-Acikalin, 2018) (Savasci & Uludüz, 2015)
Die Ursachen von Erdbeben werden von den Probanden aus beiden Studien nicht richtig wiedergegeben. Besonders hervorzuheben ist, dass eine Vielzahl der Teilnehmer:innen beider Studien davon ausging, dass Erdbeben ein Ergebnis menschlichen Handelns sind (Bomben, Umweltverschmutzung usw.). In Studie 2 konnten viele der Probanden keine Antwort zur Frage bezüglich der Ursachen von Erdbeben geben. (Toprak-Derelei & Savasci-Acikalin, 2018) (Savasci & Uludüz, 2015)
Beide Studien halten ebenfalls fest, dass Schüler:innen oftmals Erdbeben mit Vulkanen sowie weiteren Naturereignissen wie Gewittern und Erdrutschen vermischen und keine klaren Abgrenzungen vorhanden sind. (Toprak-Derelei & Savasci-Acikalin, 2018) (Savasci & Uludüz, 2015)
Die wichtigste übereinstimmende Erkenntnis aus beiden Studien ist, dass ein signifikanter Teil der Teilnehmer:innen grosse Lücken in ihrem wissenschaftsbezogenen Wissen aufweisen. Das geophysische Wissen bezüglich der Entstehung von Erdbeben sowie der physikalischen Vorgänge bei Erdbeben ist bei einem Grossteil der Schüler:innen nicht vorhanden. (Toprak-Derelei & Savasci-Acikalin, 2018) (Savasci & Uludüz, 2015)
Schlussfolgerungen für den Unterricht
In beiden Studien hat sich gezeigt, dass das Wissen über die Entstehung von Erdbeben und den damit zusammenhängenden Vorgängen der Plattentektonik nur unzureichend ausgeprägt ist, dies bei allen untersuchten Altersgruppen, auch wenn ältere Schüler:innen etwas mehr Wissen über Erdbeben vorweisen konnten . Ebenfalls vermischen die untersuchten Probanden unterschiedliche Naturereignisse und schreiben dem Menschen eine Beteiligung an der Entstehung von Erdbeben zu.
Somit lässt sich für den Unterricht (bezogen auf die Sek 1) die Schlussfolgerung ziehen, dass es sich bezogen auf Erdbeben (aber auch auf andere Naturereignisse) lohnt, die Präkonzepte der Schüler:innen beim Einstieg in das Thema Erdbeben mit einem Concepts-Cartoons zu erheben. Die Schüler:innen sollen allerdings nicht die richtige Antwort herausfinden, «vielmehr sollen die Schüler auf Grundlage ihrer Vorstellungen Argumente für und wider der Richtigkeit der jeweiligen Aussagen finden und formulieren.»
(https://lehrerfortbildung-bw.de/u_matnatech/chemie/gym/bp2004/fb3/modul2/3_diag/cartoons/, 27.10.2021).
Abbildung 2: Concept-Cartoon zum Thema Erdbeben.
Konkret sollen sich die Schüler:innen also in diesem Concept-Cartoon zu jeder Aussage Gedanken machen und in Gruppen oder im Klassenverband erklären, wie sie zu den Aussagen stehen und allenfalls versuchen, diese zu relativieren. Ebenfalls können sie versuchen, eine eigene Aussage zu formulieren. Nebst einer intensiven Auseinandersetzung mit Thema erhält die Lehrperson so einen Einblick in die Präkonzepte der Schüler:innen. Alternativ könnte ein Concept-Cartoon auch am Ende einer Unterrichtseinheit eingesetzt werden, dann aber um Fehlvorstellungen aufzuzeigen, welche während des Unterrichts entstanden sind.
Weiter lohnt sich eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Aufbau der Erde und der Plattentektonik, damit die Schüler:innen ein tieferes geophysisches Wissen über die Entstehung von Erdbeben erhalten. Somit sollte das Thema Erdbeben nicht isoliert im Unterricht behandelt werden, sondern kombiniert, allenfalls auch mit dem Thema Vulkanismus. Dennoch muss die Lehrperson aufpassen, dass keine Vermischung von Erdbeben und Vulkanen stattfindet und diese als einzelnes Naturereignis thematisiert und voneinander abgegrenzt werden.
Literatur und Abbildungen
BKS (2018): Aargauer Lehrplan Volksschule. Gesamtausgabe. Aarau: Departement Bildung, Kultur und Sport. https://ag.lehrplan.ch; 7.10.2021
KOCH, J. (2018): Präkonzepte und deren Veränderung durch die Konfliktstrategie der Conceptual-Change-Theorie. Vorstellungen zum „Schwimmen und Sinken von Vollkörpern im Wasser“ bei Grundschulkindern. Bachelorarbeit (https://www.grin.com/document/540323: 05.10.21)
LEHRERINNENFORTBILDUNG BADEN-WÜRTTEMBERG: Concept Cartoons erstellen. (https://lehrerfortbildung-bw.de/u_matnatech/chemie/gym/bp2004/fb3/modul2/3_diag/cartoons/: 27.10.21).
SAVASCI & ULUDÜZ (2013): Fifth grade elementary students› conceptions of earthquakes. In: Asia-Pacific Forum on Science Learning and Teaching, Volume 14, Issue 2, Article 11. (www.eduhk.hk/apfslt/download/v14_issue2_files/funda.pdf: 29.09.2021).
TOPRAK-DERELI, D., & SAVASCI-ACIKALIN, F. (2018): Middle school students’ conceptual understanding of earthquakes. In: SHS Web of Conferences, 48, 01024. (https://www.researchgate.net/publication/341098051_Middle_school_students%27_conceptual_understanding_of_earthquakes/fulltext/5b741be2299bf14c6da7861e/341098051_Middle_school_students%27_conceptual_understanding_of_earthquakes.pdf: 29.09.2021).
Abb. 1: Risse durch Erdbeben. Frei und online verfügbar unter: https://www.pexels.com/de-de/foto/meer-strasse-landschaft-strand-4558211/ (Aufgerufen am 25.10.21).
Abb. 2: Concept-Cartoon zum Thema Erdbeben. Erstellt von Jonas Kleiner und Manuel Boner nach Vorlage von: https://lehrerfortbildung-bw.de/u_matnatech/chemie/gym/bp2004/fb3/modul2/3_diag/cartoons/ (Abgerufen am 27.10.21).