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Vorstellungen zum Klimawandel verändern

Dieser Beitrag wurde für das Modul Fachdidaktik 2.1 Geografie im Herbststemester 2021 erstellt.

zitieren als Zellweger, Andreas; Osterholz, Sven (2021): Vorstellungen zum Klimawandel verändern: Windisch: https://www.fhnw.ch/plattformen/geoconcepts/2021/10/28/kli/

Einführung

Die beiden ausgewählten Studien untersuchen einerseits, ob die SuS an den Klimawandel glauben und ob sie der Meinung sind, etwas daran ändern zu können. Andererseits welche Präkonzepte zum Klimawandel vorherrschen und welche didaktischen Strukturen zur erfolgreichen Vermittlung der zentralen Aspekte des Klimawandels vorteilhaft sind. 

Studie 1: «Den Klimawandel verstehen» von Kai Niebert 

Die Dissertation von Kai Niebert aus dem Jahr 2010 untersucht den Kohlenstoffkreislauf und den Treibhauseffekt auf Grundlage des Modells der didaktischen Rekonstruktion. Die Alltagsvorstellungen der SuS als werden dabei als Ausgangslage gesehen. In seiner Arbeit geht er der Frage nach, wie sich zentrale Aspekte des Klimawandels erfolgreich vermitteln lassen.

Durchgeführt wurde die Untersuchung für die Naturwissenschaftliche Fakultät der Gottfried Willhelm Leibniz Universität in Hannover. Um die Lernervorstellungen zum Klimawandel zu analysieren wurden 24 empirische Studien reanalysiert. Zudem wurde eine Interviewstudie mit 11 Teilnehmenden 18-jährigen (6 m., 5 w.) sowie eine Interventionsstudie mit 24 ebenfalls 18-jährigen Teilnehmenden (13 m., 11 w.) durchgeführt, die fünf verschiedene Klassen der gymnasiale Oberstufen im Raum Hannover angehören.

Ergebnisse 

Die 24 reanalysierten Studien ergaben dabei folgende prominente Denkmuster im Zusammenhang mit dem Klimawandel:

1. Erwärmung durch den Treibhauseffekt

2. Erwärmung durch das Ozonloch

3. Erwärmung durch Verschmutzung

Dabei wurde festgestellt, dass bei der Vorstellung von «Erwärmung durch Treibhauseffekt» nur selten zwischen Sonnen- und Wärmestrahlung unterschieden wird. Der Grund wird darin gesehen, dass Absorption und Emission schwieriger zu verstehen sind als Reflexion. Das Denkmuster geht von einer verringerten Abgabe an Strahlung an den Weltraum aus. Bei der Vorstellung «Erwärmung durch Ozonloch» sieht die Denkmuster so aus, dass es durch das Loch zu einer vermehrten Einstrahlung kommt. Das zweite Muster nimmt aber mit zunehmendem Alter ab (vgl. Niebert, 2010, 33).

Die zusätzlich erfassten Untersuchungen in der gymnasialen Oberstufe Hannover ergaben folgendes Bild:

Die Vorstellung von «Erwärmung durch Ozonloch» und «Erwärmung Treibhauseffekt» konnten bestätigt werden. Die Vorstellung der «Erwärmung durch Verschmutzung» allerdings nicht. Die Vorstellungen basieren dabei auf verschiedenen Vorstellungen zum CO2. Ihm wurden «die Eigenschaften von aggressiv, über einseitig durchlässig zu selektiv durchlässig zugeschrieben» (Niebert, 2010, 176). Die Unterscheidung zwischen Licht- und Wärmestrahlung findet bei den Lernenden nur in seltenen Fällen statt. Die Vorstellung eines verschobenen Strahlungsgleichgewichts konnte bei Lernenden nicht gefunden werden (vgl. Niebert, 2010, 176).

Zum Schluss werden folgende evaluierte Leitlinien zur Vermittlung von zentralen Aspekten vorgestellt:

Leitlinien zum Kohlenstoffkreislaufs nach Niebert (2010, 176):

1. Kohlenstoff als natürlichen Bestandteil der Atmosphäre begreifen

2. Den Kohlenstoffkreislauf als Speicher-Fluss-Schema erkennen

3. Die Anwendung des Natürlich-Künstlich-Schema reflektieren

4. Die globale Erwärmung auf veränderte Kohlenstoffflüsse zurückführen

Leitlinien zum Treibhauseffekts nach Niebert (2010, 178):

1. Ozonloch und Treibhauseffekt unterscheiden

2. Treibhausgase speichern Wärme

3. Aus Sonnenstrahlung wird Wärmestrahlung

4. CO2 ist durchlässig für Licht- und undurchlässig für Wärmestrahlung

5. Die Atmosphäre als Kontinuum begreifen

6. Den Strahlungshaushalt als Gleichgewicht begreifen.

Zur gelingenden Vermittlung von zentralen Aspekten des Klimawandels bietet Niebert (2010) unter anderem auch folgende Conceptual-Change-Lernangebote an:

Bezüglich der (Un)Durchlässigkeit von CO2 präsentiert Niebert (2010) ein Kurzexperiment, bei dem zwei Beutel mit einer 200W Lampe bestrahlt werden. Ein Beutel ist dabei mit CO2 gefüllt, der andere mit Luft. Die Temperatur wird unterschiedlich stark steigen (vgl. Niebert, 2010, 166).

Schlussfolgerung für meinen Unterricht

Die Arbeit von Niebert (2018) zeigt auf, dass in den Köpfen der SuS viele nicht normative Konzepte zum Klimawandel vorherrschen können. Daher werde ich gerne an den Leitlinien der Vermittlung der zentralen Aspekte festhalten und auch einige Conceptual-Change-Lernangebote im Unterricht einsetzen. Denn die aufgezeigten Lernangebote scheinen mir sehr einleuchtend und geeignet für den Unterricht. Vor allem hilft es mir zu wissen, welche Vorstellungen zum Klimawandel häufig sind um meine Inhaltsvermittlung entsprechen darauf anzupassen.

Studie 2: Beliefs und Intentions von Mittelschüler_innen messen

Im Folgenden wird die Studie «The Climate Change Attitude Survey: Measuring Middle School Student Beliefs and Intentions to Enact Positive Environmental Change» von Rhonda Christensen und Gerald Knezek von 2015 aus dem Amerikanischen übersetzt und zusammengefasst, sowie die Ergebnisse des untersuchten Fragebogen interpretiert. Die Studie untersucht die Viabilität des «Climate Change Attitude Survey» (CCAS), in welchem 1576 amerikanische Mittelschulen teilgenommen haben. Die Befragungen wurden in den Jahren 2014 und 2015 durchgeführt. Ziel der Studie ist, die CCAS als mögliches Werkzeug für weitere Studien zu evaluieren. Die Schüler_innen besuchen die Mittelschule in den Stufen 5 bis 8 (entspricht etwa 11 bis 14 Jahren) und kommen aus 29 Bundesstaaten. Die Schüler_innen weisen eine hohe Durchmischung in Bezug auf die Klimazonen, ob sie eher städtisch oder ländlich geprägt sind, welche Art von Nachbarschaft und ihren sozioökonomischen Status auf. Die Schüler_innen führten einen Projektunterricht durch (Middle Schoolers Out to Save the World), in welchem der Klimawandel und seine Folgen thematisiert wurde, und beurteilten danach 15 Aussagen zum Klimawandel (siehe Anhang). Die Aussagen untersuchen einerseits, inwiefern die Schüler_innen den Klimawandel beurteilen (vor allem in Bezug auf Brisanz, Gefahr, Einfluss auf das eigene Leben), andererseits, ob eine Bereitschaft besteht, Veränderungen am eigenen Verhalten vorzunehmen, um dem Klimawandel entgegenzuwirken. Die Schüler_innen konnten jeder der Fragen einen Wert zwischen 1 und 5 zuordnen, wobei 1 bedeutet, dass die Schüler_innen der Aussage überhaupt nicht zustimmen und 5 bedeutet, dass sie völlig zustimmen.

Der Hauptteil der Studie besteht aus der Validierung der vorliegenden Daten, also herauszufinden, ob sie für die Exploration der Punkte «Glauben an den Klimawandel» und «Bereitschaft, etwas gegen den Klimawandel zu tun» geeignet sind. Dazu wird eine explorative Faktoranalyse durchgeführt. Die einzelnen Aussagen werden miteinander verglichen und damit den beiden Komponenten (1 für Glauben, 2 für Bereitschaft) zugeordnet (siehe Tabelle 4). Als nächstes wurde die interne Reliabilität ermittelt um festzustellen, ob die Beantwortung auch logisch ist. In anderen Worten: Glaubt eine Person an den Klimawandel, auch wenn diese Idee in eine andere Aussage verpackt ist. Dafür wird der Cronbachsche Alpha verwendet. Die Reliabilität wurde als sehr gut eingestuft (0.87 für Komponente 1, 0.78 für die Komponente 2).

Durch die Einteilung in die beiden Komponenten entstehen vier Gruppen möglicher Antwortschemas. Diese sind: 

  1. Glaubt nicht an den (menschgemachten) Klimawandel, also gibt es keinen Grund etwas zu unternehmen. 
  1. Glaubt an den (menschgemachten) Klimawandel, aber glaubt, dass nichts dagegen unternommen werden kann. 
  1. Glaubt an den (menschgemachten) Klimawandel und ist bereit in Zukunft Verantwortung zu übernehmen. 
  1. Glaubt, etwas gegen den (menschgemachten) Klimawandel unternehmen zu können. 

Es wäre vermutlich interessant zu sehen, inwiefern diese vier Gruppen auch in anderen Studien sich herauskristallisierten.  

Es wird ausserdem eine Korrelation zwischen dem Glauben an den Klimawandel und der Bereitschaft, etwas dagegen zu unternehmen, untersucht. Dabei wird jedoch nur eine schwache Korrelation festgestellt. Trotzdem vermuten die Forscher eine klare Verbindung zwischen dem Glauben und der Bereitschaft. 

Die Studie erwähnt ausserdem weitere ähnliche Untersuchungen, die in Frankreich stattgedungen haben (Le Hebel, et al., 2014).  

Anhang: Fragen der Studie

1. Ich glaube, dass das Klima sich verändert. 

2. Ich bin beunruhigt über den globalen Klimawandel. 

3. Ich glaube, es gibt beweise für den globalen Klimawandel.   

4. Klimawandel wird unsere Umgebung in den nächsten zehn Jahren beeinträchtigen. 

5. Die Auswirkungen des Klimawandels wird zukünftige Generation treffen. 

6. Einzelne können positiv dem Klimawandel entgegenwirken. 

7. Der globale Klimawandel ist vom Menschen verursacht. 

8. Der Klimawandel beeinflusst unser Leben negativ. 

9. Wir können den globalen Klimawandel nicht aufhalten. 

10. Ich kann meinen Beitrag leisten, damit die Welt ein besserer Ort für zukünftige Generationen wird. 

11. Es ist mir wichtig, über Umweltprobleme und -Ereignisse Bescheid zu wissen. 

12. Ich glaube, die meisten Befürchtungen über Umweltprobleme wurden übertrieben. 

13. Was ich mache hat keinen Einfluss auf die Qualität der Umwelt. 

14. Es ist Zeitverschwendung sich um Umweltprobleme zu kümmern. 

15. Es gibt nicht viel, was ich tun kann, um die Umweltprobleme zu lösen. 

Diskussion und Schlussfolgerungen für den Unterricht

Die beiden Studien weisen keine Gemeinsamkeiten auf, sondern verfolgen unterschiedliche Ziele. In der amerikanischen Studie von Christensen & Knezek (2015) geht es darum herauszufinden, ob die SuS überhaupt an den Klimawandel glauben (was der amerikanischen Politik geschuldet sein könnte) und ob sie der Meinung sind etwas daran ändern zu können. Die deutsche Studie von Niebert (2010) hingegen geht davon aus, dass der Klimawandel akzeptiert ist und untersucht das Verständnis zentraler Aspekte, die für das korrkte Verständnis vom Klimawandel grundlegend sind. 

Die Arbeit von Niebert (2010) zeigt auf, dass in den Köpfen der SuS viele nicht normative Konzepte zum Klimawandel vorherrschen können. Es wird aufgezeigt, welche Vorstellungen zum Klimawandel häufig sind. Darauf kann die Inhaltsvermittlung entsprechen angepasst werden. Daher lohnt es sich an den Leitlinien zur Vermittlung der zentralen Aspekte festzuhalten und auch einige Conceptual-Change-Lernangebote im Unterricht einzusetzen. Für den Einsatz im Unterricht sind beschriebenen Experimente besonders geeignet, da sie z.B. die (Un)Durchlässigkeit von CO2 oder das Strahlungsgleichgewicht sehr anschaulich vermitteln. 

Die Ergebnisse der Aussagen bei Christensen & Knezek (2015) zeigen generell eine Akzeptanz des Klimawandels auf, jedoch nur eine geringe Korrelation zur Bereitschaft, etwas dagegen zu tun. 

Gründe dafür werden nicht untersucht. Eine weiterführende Frage wäre deshalb, ob Fehlkonzepte hier eine Rolle spielen. Hier wäre es auch wichtig, den Inhalt der durchgeführten Projektwoche zu kennen.  

So wäre es im eigenen Unterricht spannend zu untersuchen, ob die Ergebnisse von Christensen % Knezek (2015) ähnlich ausfallen, wenn die von Niebert (2010) beschriebenen Experimente verwendet werden. Zusätzlich wàre hier natürlich auch eine Präbefragung sinnvoll. 

Quellen

​Christensen, R., & Knezek, G. (20. 8 2015). The Climate Change Attitude Survey: Measuring Middle School Student Beliefs and Intentions to Enact Positive Environmental Change. International Journal of Environmental and Science Education, S. 773-788. 

Niebert, K., 2010. Den Klimawandel verstehen – Eine didaktische Rekonstruktion der globalen Erwärmung, Beiträge zur didaktischen Rekonstruktion, Bd. 31. Didaktisches Zentrum, Oldenburg. 

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