Studierende berichten: Geomatik-Frühlingskolloquium vom 02. April 2024: Klarheit schaffen – Die Kunst der präzisen Kommunikation in den Ingenieurwissenschaften
Der Begriff «Siedlung» wird oft als selbstverständlich erachtet, wirft aber bei genauerer Betrachtung viele Fragen auf. Yves Maurer Weisbrod hat mit seinen Fragen ans Publikum zum Nachdenken angeregt. Was ist eine Siedlung? Wie würden wir den Begriff definieren? Das Geomatik-Kolloquium beschäftigte sich zum ersten Mal mit dem Thema Kommunikation im Ingenieurwesen, insbesondere der Relevanz von Daten und Anforderungen an deren Kommunikation auf politischer Ebene.
Grundsätzlich entstehen die Aufträge der Fachstelle Geoinformation beim Bundesamt für Raumentwicklung ARE, welches Yves Maurer in Co-Leitung führt, in der Politik. Die aktuellen Bedürfnisse werden somit aus Sicht der Geoinformation aufgegriffen und es werden die bereits bestehenden Daten analysiert. Welche Karten und Statistiken können von den bestehenden Geodaten abgeleitet werden? So ähnlich ist auch der Ablauf im Beispiel der Windpotentialanalyse für die Windenergie. Auf Bundes- und Kantonsebene wurde die Energiestrategie 2050 entwickelt, um auf die wirtschaftlichen und technologischen Entwicklungen zu reagieren. Ziel ist es 4.26 TWh/a mittels Windkraft innerhalb der Schweiz zu generieren. Ein erster Schritt des ARE ist es, eine Analyse zu erstellen, um das Potential der Windkraft zu berechnen. Dazu wurden diverse Geodaten miteinbezogen (Fluggebiete, Schiessplätze, Siedlungsgebiete), da nicht in allen Gebieten ein Windkraftwerk errichtet werden kann (im Bundesinteresse). Diese Analyse wird als Karte (Abbildung 1) bereitgestellt und wird an die Kantone weitergegeben. Der abschliessende Schritt wäre die Publikation der Erkenntnisse und Karten an die Öffentlichkeit. Es war sehr interessant zu hören, dass die meisten Aufträge der Fachstelle Geoinformation über die Politik eingehen. Uns ist bewusst geworden, was für eine Auswirkung solche Publikationen haben können und damit weitere politische Weiterentwicklungen angestossen werden können.
Bevor jedoch eine solche Auftragsabwicklung stattfinden kann, müssen zunächst Begriffe präzise definiert werden. Viele Menschen mögen mit Begriffen wie «Zweitwohnung» oder «Siedlung» vertraut sein, jedoch existieren unterschiedliche Definitionen für diese Wörter. Was genau kennzeichnet eine Siedlung? Gehören die Grünflächen zwischen den Siedlungen und die Strassen ebenfalls zur Siedlungsfläche? Oftmals sind wir uns der Definition solcher Begriffe nicht bewusst und nehmen unsere eigene Interpretation als die richtige an. Es ist sogar vorgekommen, dass Begriffe während Abstimmungen verwendet wurden, deren genaue Bedeutung erst nach Annahme der Initiative geklärt wurde. Dies ist uns bisher bei Abstimmungen nicht bewusst gewesen, aber wir werden in Zukunft wohl öfter daran denken.
Aber was haben wir zum Thema Kommunikation in der Ingenieurswissenschaft gelernt? Wir versuchen euch die drei für uns wichtigsten Punkte aufzuzeigen.
Am Beispiel der Feststellung der Fruchtfolgefläche pro Kopf in der Schweiz zeigte uns Yves Maurer, wie die Art der Präsentation der Ergebnisse die Interpretation davon beeinflussen kann. In seinem Auftrag ist er verpflichtet, nur Fakten und Zahlen aufzuzeigen, um so den Lesenden nicht vor einzunehmen. Die untenstehende Grafik (Abbildung 2) zeigt uns, wie die Menge der Fruchtfolgeflächen pro Kopf aufgezeigt wird. Dabei werden Wörter wie «Mindestumfang» oder «genügend gute Ackerböden» verwendet, die eigentlich nur beschreiben sind. Sie zeigen, wie wir finden, aber trotzdem eine Tendenz der Vorinterpretation auf, oder?
Der zweite Punkt dient der erfolgreichen Vermittlung des Inhalts einer Grafik. Dafür sollte das Zielpublikum dem Ersteller bekannt sein. Wiederum am Beispiel der Fruchtfolgeflächen wäre dies die breite Bevölkerung. Entsprechend sollen Grafiken einfach zu lesen sein oder zum Beispiel mit Hilfsgrafiken Grössenverhältnisse bildlich dargestellt und Begriffe erklärt werden (Abbildung 3). So kann besser sichergestellt werden, dass die Lesenden die Grafik besser verstehen.
Der dritte und für uns interessanteste Punkt, ist die Klärung der eindeutigen Bedeutung von verwendeten Begriffen. Man sollte stets bedacht sein, wie aussagekräftige verwendete Begriffe verstanden und interpretiert werden können. Je nach dem kann es sogar nötig sein, Experten aus einem Fachbereich beizuziehen, die mit der verwendeten Thematik vertraut sind. Nebst dem bereits erwähnten Problem der Siedlungsdefinition, kam auch die Frage nach der Definition von Zweitwohnungen auf. Im Zusammenhang der Zweitwohnungsinitiative aus dem Jahr 2012 musste schweizweit klar sein, ab wann eine Wohnung als Zweitwohnung zählt. Alle Gemeinden sind in der Pflicht, jährlich einen Wohungsinventar zu erstellen. Und so umfasst die Definition von Zweitwohnungen nun Wohnräume, die mit einer Küchenzeile ausgestattet sind.
Die zahlreichen Beispiele, die Yves Maurer Weisbrod während seines Vortrags erwähnte, gaben uns Einblick in die Arbeitsweise der Fachstelle für Geoinformation und verdeutlichten, worauf es bei der Präsentation von Fakten und Karten ankommt. Wenn auch du weitere Beispiele kennenlernen möchtest oder noch Fragen offen geblieben sind, schau auf der Webseite des Bundesamtes für Raumentwicklung (ARE) vorbei.
Autoren: Geomatik Studierende im 4. Semester
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