Bachelor in Geomatik

Studierende berichten: Auf den Spuren der Geomatik – vom Mittelmeer zu den Schweizer Alpen

25. Juni 2024

Das Fachgebiet Geomatik variiert nicht nur von Land zu Land in Bezug auf Ausbildung, Organisation und Anwendungen, sondern auch in seiner Benennung. Ein Beispiel aus dem Libanon verdeutlicht dies näher in diesem Blogbeitrag.

Das Bildungssystem im Libanon unterscheidet sich vom System in der Schweiz. Ab der siebten Klasse haben SchülerInnen zwei Möglichkeiten: Die akademische Ausbildung oder eine Berufsschule (Abbildung 1). Die beiden Systeme, akademisch und beruflich, laufen parallel. Es ist jederzeit möglich, vom akademischen zum beruflichen System zu wechseln. Umgekehrt geht das erst ab dem Abschluss des «Baccalauréat Technique». Die Ausbildung in beiden Systemen kann entweder auf Englisch oder Französisch absolviert werden. Einige Module werden jedoch ausschliesslich auf Arabisch unterrichtet.

Abbildung 1 – Schema Bildungssystem im Libanon einfach erklärt (Quelle: eigene Skizze)

Nach dem «Baccalauréat Libanais» (Gymnasium) im akademischen System kann man an einer Universität studieren. Im Falle einer Berufsschule folgt eine dreijährige Ausbildung: zwei Jahre als Techniker und ein weiteres Jahr für den Abschluss «Licence Technique». Während dieser Phase ist es möglich, an einer Universität weiterzustudieren, wobei einige Module angerechnet werden. Nach der Berufsschule folgt ein zweijähriges Praktikum in einem Vermessungsbüro, sowie weitere Kurse bei der Gewerkschaft der Topographen.

Die Ausbildung an Berufsschulen ist praxisorientiert. Die Fachrichtung Geomatik wird im Libanon als «Topographie» bezeichnet, während sie an Universitäten als «Surveying Engineering» angeboten wird, z.B. an der University of Balamand, der Lebanese International University oder der Islamic University of Lebanon.

Ich selbst bin nach dem Gymnasium als Kadett in die libanesische Marine eingetreten. Während meiner zehnjährigen Dienstzeit hatte ich viel Kontakt mit Geomatik, einschliesslich GNSS, elektronischen SeeKarten (ECDIS – Electronic Chart Display and Information System), Taucheinsätzen für Landungsoperationen (Küstenkartierung), Seekarten, Navigation usw. Sogar die Positionsbestimmung eines Schiffes auf einer Seekarte funktioniert ähnlich wie die freie Stationierung bei einem Tachymeter: Man zielt auf bekannte Leuchttürme oder Landmarken und setzt die Position anhand der erhaltenen Peilungen auf der Karte fest (Abbildung 2).

Abbildung 2 – Positionierung durch Peilung (Quelle: picksea.com)

Deshalb habe ich mich entschieden, neben meiner beruflichen Tätigkeit als Marineoffizier eine Topografie-Ausbildung am Hassan Kassir Institute in Beirut zu absolvieren, um den Abschluss «Licence Technique» zu erlangen. Die Ausbildung dauerte drei Jahre. Im ersten Jahr wurden Grundkenntnisse in Vermessung, Mathematik, Physik, Baumaterialien, Statik und CAD-Software etc. vermittelt, während im zweiten und dritten Jahr der Fokus auf Vermessungstechniken lag. Themen wie Geodäsie, Fotogrammmetrie, terrestrische Geländeaufnahmen und amtliche Vermessung wurden behandelt. Ausserdem beschäftigten wir uns mit Kartografie, Visualisierung von Karten, Stadtplanung und GIS-Anwendungen. Die Ausbildung umfasste auch berufsrelevante Fächer wie Projektmanagement, Firmenorganisation und Finanzwesen.

Zum Abschlussprojekt gehörte die Erfassung und Teilung eines grossen Grundstücks in der Nähe der libanesischen Hauptstadt Beirut, sowie die Planung von Strassen unter Berücksichtigung der geltenden Normen und Gesetze. In einem zweiten Projekt wurde das erworbene Wissen in einem «Urban Planning»-Projekt umgesetzt. Basierend auf erhobenen Daten und in Zusammenarbeit mit der Gemeinde und den örtlichen Behörden wurde die Stadtplanung des Dorfes Qmatieh neu ausgearbeitet.

Aufgrund der Corona-Pandemie konnten während der Ausbildung im Libanon viele praktische Aufgaben und Projektarbeiten nicht durchgeführt werden. Ein Teil des praktischen Wissens konnte jedoch dank eines einjährigen Praktikums bei der Firma HMQ AG in der Schweiz ergänzt werden (Abbildung 3). Zudem werden durch ein studienbegleitendes Jobangebot bei der Firma Infradigital AG weitere Erfahrungen gesammelt.

Abbildung 3 – Erster Messauftrag in den Schweizer Alpen – Splügenpass (Quelle: eigene Aufnahme)

Während sich die Ausbildungswege und Benennungen in der Geomatik zwischen dem Libanon und der Schweiz unterscheiden mögen, bleibt das grundlegende Ziel dasselbe: Fachkräfte auszubilden, die sich mit der Frage «Wo?» beschäftigen.

Autor: Youssef Shamoun, Student Bachelor in Geomatik im 4. Semester

Weitere Blogeinträge über die Geomatikausbildung im Ausland: Syrien

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Kommentare

Ein Kommentar erfasst zu Studierende berichten: Auf den Spuren der Geomatik – vom Mittelmeer zu den Schweizer Alpen

    Christian Vetsch

    Lieber Youssef
    Herzlichen Dank für den spannenden Einblick in die Berufsbildung im Libanon. Dein Praktikum bei uns war nicht nur für dich eine Bereicherung, sondern auch für die HMQ und alle Mitarbeitenden. Wir können daher allen empfehlen, solche Anfragen für Praktikas wohlwollend zu prüfen und jungen, motivierten Personen eine Chance zu geben.
    Dir Youssef weiterhin alles Gute auf deinem beruflichen Lebensweg! Christian

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