Studierende berichten: Von der Ukraine nach Muttenz – Das Geomatikstudium hier und dort
In der Ukraine ist Geomatik ein wichtiger Bestandteil des Bau- und Ingenieurwesens sowie der Kartographie und erfreut sich als Fachgebiet großer Beliebtheit. Daher ist die Ausbildung in diesem Bereich ein wesentlicher Bestandteil des gesamten Bildungssystems. Aufgrund der zahlreichen Projekte zum Wiederaufbau von Wohngebäuden, Unternehmen und Fabriken aus der Sowjetzeit steigt die Nachfrage nach dieser Fachrichtung.
Wer sich für Geomatik interessiert, kann in allen Regionen der Ukraine studieren. Besonders hervorzuheben sind die Nationale Luftfahrtuniversität (NAU), die Nationale Verkehrsuniversität (NTU) und natürlich die Kiewer Nationale Taras-Schewtschenko-Universität (KNU) (Abbildung 1), an der ich selbst studiert habe. Allerdings: In der Ukraine kennt man den Begriff „Geomatik“ nicht. Das Fachgebiet wird als «Geodäsie und Landmanagement» bezeichnet, das sowohl Gemeinsamkeiten als auch deutliche Unterschiede zur Geomatik aufweist.
Wie in der Schweiz werden auch in der Ukraine Geodäsie, Photogrammetrie, Kataster und GIS gelehrt. Hingegen ist die Nutzung von 3D-Technologien in der Ukraine ist nicht so weit fortgeschritten, weshalb es keine spezielle Fachrichtung für die Auswertung von 3D-Daten gibt. Stattdessen wird ein Überblick über 3D-Technologien im Studium vermittelt. Dies ist auf die begrenzte Verfügbarkeit von 3D-Geräten, die hohen Kosten solcher Arbeiten und die geringe Nachfrage nach ihnen zurückzuführen.
Im Gegensatz zum schweizerischen System wird in der Ukraine zwar die Grundlagen von Python erlernt, jedoch in deutlich geringerem Umfang das Programmieren. Die Anwendung von Programmierung zur Lösung photogrammetrischer Probleme wird überhaupt nicht praktiziert, da solche Probleme ausschliesslich mit Hilfe von Software gelöst werden.
Besonders auffällig ist der Schwerpunkt auf das Katasterwesen. Aufgrund der grossen Menge an Land in der Ukraine, wird die Frage der Landvermessung und des Landbesitzes zu einem immer wichtigeren Thema. Dies insbesondere, nachdem im Jahr 2020 das Moratorium für Landverkäufe aufgehoben wurde. Dadurch können neu u.a. neben Privatpersonen auch juristische Personen Grundstücke erwerben. Zudem ist die Zahl der zum Verkauf stehenden Grundstücke von 100 auf 10.000 Hektar gestiegen. Dies hat die Nachfrage nach den Dienstleistungen von Katasteringenieuren erheblich gesteigert und ihre Arbeitsbelastung erhöht, was sich im Ausbildungsprogramm widerspiegelt.
Unterrichtet wird die Theorie in der Regel auf der Grundlage eines oder mehrerer Lehrbücher, die von den Lehrkräften leicht ergänzt werden. An der Universität, an der ich studiert habe, wurden fast alle Lehrbücher zu speziellen Themen von den Lehrkräften selbst verfasst. Ein wichtiger Bestandteil der Ausbildung sind Praktika, bei denen die Studierenden praktische Erfahrungen sammeln und die theoretischen Kenntnisse vertiefen, die sie im Studienjahr erworben haben.
Während meinen zwei Jahren an der Universität konnte ich nur an einem dieser Praktika teilnehmen. Die Studierenden im ersten Studienjahr hatten die Möglichkeit, sich mit älteren mechanischen geodätischen Instrumenten vertraut zu machen. Dies vermittelte uns ein Grundverständnis für den Aufbau und die Anwendungsprinzipien dieser Instrumente.
Als Beispiel sei hier der mechanische Theodolit 3T2KP genannt (Abbildung 2), dessen Hauptelemente auf dem folgenden Bild zu sehen sind.
Mit diesem Instrument können vertikale und horizontale Winkel sehr genau gemessen werden. Wie wir wissen, ist keine Arbeit ohne ein Logbuch vollständig. So war eine der Übungen im Praktikum, ein solches Logbuch zu führen. Hier ein Beispiel für das Ausfüllen des Theodolit-Datenprotokolles, das ich während des Ausbildungsprogramms durchgeführt habe (Abbildung 3).
Ein interessanter Unterschied zwischen dem Studium in der Schweiz und der Ukraine ist auch die Nutzung von Plattformen zur Kommunikation zwischen Studierenden und Dozierenden. Während an der FHNW Programme wie Moodle, Outlook und Microsoft Teams aktiv genutzt werden, wurden in meinem Studium in der Ukraine hauptsächlich Google Classroom, Skype und Zoom verwendet.
Da Geomatik ein technisches Fachgebiet ist, gibt es keine allzu grossen Unterschiede im Lehrstoff, der vermittelt wird. Allerdings variieren die Lehrmethoden für dieses Fachgebiet aufgrund von Unterschieden in der Präsentation des Materials, der Ausrüstung, der Verfahren für die Durchführung von Praktika, den Fächern mit moderner Technologie, der Software und den Kommunikationsmethoden erheblich voneinander.
Autor: Bachelorstudent Geomatik im 2. Semester
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