Geomatik-Herbst-Kolloquium 12.11.24: Innosuisse Projekt «ThermoPlaner3D» – Grossflächige 3D-Thermografie und Auswertung
Die Schweiz hat sich Klimaneutralität mit Netto-Null Ziel bis 2050 gesetzt. Dabei verursacht der Gebäudesektor allein ein Viertel der Schweizer Treibhausgasemissionen. Die Energiewende im Gebäudesektor benötigt für gezielte Investitionsentscheide eine gute Datengrundlage, wo welcher Wärmebedarf und welches Sanierungspotential bestehen. Das von innosuisse geförderte Projekt ThermoPlaner3D hatte zum Ziel mit luftgestützten Thermografie-Aufnahmen Energieverbrauchskarten zu erstellen und die Wärmeverluste von Dächern und Fassaden abzuschätzen. An dem Projekt beteiligt waren Considerate AG, BSF Swissphoto AG, das Institute of Computational Physics der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) und das Institut Geomatik der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW).
Bei Thermografie-Aufnahmen wird die von Objekten abgestrahlte Infrarot-Strahlung genutzt, um die Objekt-Temperatur abzuschätzen. Diese Methode unterliegt vielen Störeinflüssen, unter anderem durch weitere Strahlungsquellen wie der Sonne, von meteorologischen Einflüssen wie Bewölkung oder Nebel, durch das Material des Objektes und zuletzt durch Mikroklimata. Diese Störeinflüsse können vermieden werden, indem in der Nacht geflogen wird, und sie können durch Modellierung der Atmosphäre, berechnen des Mikroklimas und durch Klassifizierung des Dach- und Fassadenmaterials korrigiert werden.
Für die Berechnung des Wärmedämmwertes (U-Wert) sollten die Aufnahmen in der Heizperiode durchgeführt werden, wenn der Temperaturunterschied zwischen Innen- und Aussentemperatur maximal ist. Das schränkt den Aufnahmezeitraum weiter ein, weswegen eine grossflächige Aufnahme nur mit einem Flugzeug-gestützten System effizient realisierbar ist.
Ein Mikroklima kann die Beurteilung des Energiebedarfs oder des Gebäudedämmwerts verfälschen, weil beispielsweise ein Gebäude innerhalb einer Kälteinsel kühler erscheint, als es eigentlich ist. Deswegen muss das Mikroklima berechnet und in die Beurteilung integriert werden. Für die Berechnung des Mikroklimas wurde der Thermal Urban Road Normalization (TURN) Algorithmus von Rahman et al. (2014) adaptiert. Dieser geht davon aus, dass alle Strassen in einem Gebiet dieselbe Temperatur aufweisen sollten und Abweichungen durch das Mikroklima verursacht werden. Bei der Methode werden aus dem thermalen Orthophoto Strassentemperaturen abgefragt und pro Flugbahn die Abweichung vom Mittelwert berechnet. Durch Interpolation und Normalisierung erhält man die TURN-Oberfläche was dem Mikroklima entspricht (Striewski et al. 2024).
Für die Beurteilung von Fassadendämmwerten wurde ein Prototyp-Schrägkamerasystem von IGI eingesetzt, das neben der gerade nach unten gerichteten Thermalkamera eine 45° nach vorne und eine 45° nach links gekippte Thermalkamera besass. Die photogrammetrische Auswertung und Rekonstruktion der Fassaden aus den thermalen Schrägbildern ist herausfordernd, weil Thermalbilder eine niedrige radiometrische und spektrale Auflösung besitzen. Deswegen wurden die orientierten Schrägbilder nicht auf das unpräzise rekonstruierte 3D Modell projiziert, sondern auf ein bestehendes LOD1-Stadtmodell. Dadurch können Temperaturwerte einer Fassade zugeordnet werden.
Zusammenfassend können flugzeuggestützte Thermografie Aufnahmen passende Bedingungen effizient ausnutzen, um grossflächige Energieverbrauchkarten und Gebäudedämmwerte zu berechnen. Zudem entsteht als Nebenprodukt eine Mikroklima-Karte.
Referenzen
Rahman M. M., Hay G. J., Couloigner I., Hemachandran B.: Transforming image-objects into multiscale fields: A geobia approach to mitigate urban microclimatic variability within h-res thermal infrared airborne flight-lines. Remote Sensing 6, 10 (2014), 9435–9457.
Striewski, F., Comi, E.L., Tiefenbacher, F., Lack, N., Battaglia, M., and Bleisch, S. (2024). Application, Adaption and Validation of the Thermal Urban Road Normalization Algorithm in a European City. In Workshop on Visualisation in Environmental Sciences (EnvirVis), Dutta, S., Feige, K., Rink, K., and Nsonga, B. (eds). The Eurographics Association, DOI: 10.2312/envirvis.20241135.
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