Technologie & Kultur

«Hubot» oder echter Mensch – das ist hier die Frage

20. September 2013

Rolf Dornberger, Leiter des Instituts für Wirtschaftsinformatik der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW über die schwedische Science-Fiction-Serie «Real Humans / Echte Menschen».

Vor kurzem strahlte der Fernsehsender Arte die schwedische Fernsehserie «Echte Menschen» aus. Darin unterstützen so genannte «Hubots», humanoide Roboter, die Menschen im Haushalt, stehen ihnen sexuell zu Diensten oder arbeiten in der Industrie  – effizienter und fehlerloser als ihre menschlichen Pendants. Die Hubots sind gewissermaßen von Menschenhand programmierte Sklaven, die den Menschen fast aufs Haar gleichen. Man kann sie im Hubot-Market kaufen, so wie man heute Haustiere in einem speziellen Haustier-Laden erwerben kann. Hubots sind weitgehend bedürfnislos. Das einzige, das sie für ihre Existenz benötigen, ist regelmäßige Stromzufuhr, meist dezent über Nacht mit einem Ladekabel an der Steckdose.  Eine kleine Gruppe von Hubots, welche vom Erfinder der Hubots mit einer zusätzlichen Software für die Erlangung eines Eigenlebens modifiziert wurden, akzeptiert ihr Schicksal nicht. Die Mitglieder dieser Gruppe kämpfen – teilweise mit Gewalt – um Autonomie. RealHumans (Real Humans, Quelle: http://www.arte.tv/de/real-humans-echte-menschen/7364810.html; Stand 20.9.13) Was macht eigentlich den Menschen zum Menschen? Das ist die existenzielle Frage, die Lars Lundström, der Schöpfer der Serie, hier stellt. Nathalie Baumann: Rolf Dornberger,  was hat Sie an dieser Serie fasziniert? Rolf Dornberger: In der Serie sind die «Hubots», als wäre dies selbstverständlich, einfach da und man kann sie im Supermarkt kaufen; das hat mich fasziniert. Die Frage, wie sie technologisch funktionieren, wie sie in ihren Bewegungen oder in ihrem Denken so menschenähnlich sein können, rückt für einmal eher in den Hintergrund.  Sie stehen als arbeitender, pflegender, saubermachender «Gebrauchsgegenstand» zur Verfügung. Sie sind so eine Mischung zwischen alleskönnendem Roboter, Kindermädchen, Haustier und Sexsklave. Hobots sind für die Gesellschaft auf verschiedensten Ebenen unentbehrlich geworden. Und dann stellen sich die Hubots, die ein minimales Software-Update erhielten, plötzlich dieselben Fragen, die sich auch die Menschen stellen: Wer bin ich? Woher komme ich? Wohin gehe ich? Außerdem nehmen sie nun schlechte Charakterzüge von Menschen an: Sie lügen, stehlen und morden sogar! Gerade weil sie sich wie Menschen verhalten und fähig sind, sich diese existenziellen Fragen zu stellen, müssen sich die echten Menschen im Film – und die Zuschauerinnen und Zuschauer ebenfalls – fragen: Worin unterscheiden sich die Hubots noch von Menschen? NB: Wie bewerten Sie die Umsetzung der Hubots? RD: Ich finde es bemerkenswert, wie es die Filmcrew trotz niedrigem Budget – es geht ja hier um eine Fernsehserie – geschafft hat, die Hubots über alle Drehtage hinweg so perfekt aussehen zu lassen. So könnten die Roboter der Zukunft aussehen, damit Menschen sie akzeptieren. Der Regisseur hat da so einen Punkt getroffen. Mir ist es beim Zuschauen ähnlich ergangen wie in der Serie dem Polizisten, der jahrelang mit einem Hubot zusammengearbeitet und nicht erkannt hat, dass dieser – eigentlich eine sie – kein echter Mensch war. NB: Claudia Schwartz schreibt in ihrer Fernsehkritik in der NZZ,  die Serie gehe der Frage nach, was der technische Fortschritt aus uns mache. Das tun viele Science-Fiction-Filme oder -Serien. Inwiefern unterscheidet sich «Echte Menschen» von anderen SF-Geschichten? Oder anders gefragt: Ist die Serie in diesem Punkt innovativ? RD: Sie knüpft sicher an Traditionen an, bringt aber insofern einen neuen Aspekt ein, als sie in die einzelnen Familien respektive Haushalte hineinzoomt und zeigt, wie die Anwesenheit von Hubots sich auf die Beziehungen zwischen den Menschen und auf das gesellschaftliche Leben auswirkt. Für einmal geht es nicht um einen «Krieg der Welten», also darum, dass die Menschheit durch den Angriff einer höheren Intelligenz, ob aus dem Weltraum oder eigenen Forschungslabors, vom Untergang bedroht ist. «Echte Menschen» ist keine Action-Serie, sondern wirkt viel subtiler. Es scheint, als funktioniere die Welt noch mehrheitlich so, wie wir sie kennen: Familie, Nachbarschaftsbeziehungen, Arbeitskollegen, Kleinstadtatmosphäre. Nur sind da eben diese neuen Wesen zwischen Maschine und Mensch, die irritieren und denen gegenüber die Menschen auch Gefühle entwickeln. Sie müssen sich mit ihnen auseinandersetzen – ob sie wollen oder nicht. NB: In der Serie werden Hubots als Haushaltshilfe oder als Beistand für ältere Menschen eingesetzt. Ebenso in «Robot&Frank», einem 2012 erschienenen Spielfilm über einen Juwelendieb im Ruhestand, der von seinem Sohn einen Roboter als Pfleger bekommt. Auf diesem Gebiet wird derzeit stark geforscht. RD: Genau. In Japan sind Pflegeroboter zum Beispiel ein großer Trend, weil das Land eine stark überalterte Bevölkerungsstruktur hat. Roboter werden – teilweise in Form von Plüschtieren – in Altersheimen eingesetzt. Sie werden offensichtlich gut akzeptiert. Umfragen in der Schweiz zeigen auch, dass ein großer Prozentsatz von alten Leuten lieber mit einem solchen Pflegeroboter zu Hause leben würde als ins Pflegeheim zu gehen. Wie es dann aussieht, wenn es wirklich so weit ist und die Technologie so weit wäre, ist eine andere Seite. NB: Die japanische Gesellschaft hat aber eine positivere Haltung gegenüber Maschinen als die westliche Gesellschaft. RD: Dass in Japan diese Einstellung bereits vorhanden war, hat natürlich die technologische Entwicklung in diesem Feld enorm beschleunigt. Dieser Umstand hat die Roboterindustrie rechtzeitig dazu veranlasst, Serviceroboter zu bauen. Das ist vermutlich auch der Grund dafür, warum Japan weltweit die größte Roboterforschung hat und warum japanische Firmen die ausgefeiltesten Roboterlösungen bisher haben – siehe zum Beispiel Asimo, ein humanoider Roboter, der von Honda entwickelt wurde. Aber auch die Schweiz ist ausgezeichnet dabei; man denke nur an Roboy. NB: Auch in Schweden, wo die Serie «Echte Menschen» ausgedacht und produziert wurde, wird ein Roboter entwickelt, der den Haushalt erledigen und Menschen pflegen kann. RD: Das ist derzeit EU-weit ein Forschungsfeld, dem aufgrund der demografischen Entwicklung auch in Europa  eine große Bedeutung  beigemessen und das stark gefördert wird. Die entsprechenden Projekte fungieren unter der Bezeichnung Ambient Assisted Living. Ziel ist es, älteren und benachteiligten Menschen mittels innovativer Technologien das tägliche Leben zu erleichtern. Deshalb sage ich, «Real Humans» fokussiert manche Themen, die nicht in ferner Zukunft liegen, sondern richtig bald auf uns zu kommen und mit denen wir uns dringend auseinandersetzen sollten. NB: Vielen Dank für das Gespräch! Gerne weisen wir an dieser Stelle noch auf den Hubot Market hin – «die Nummer Eins für Bots im Internet», wie Arte schreibt.
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