verfasst von Prof. Dr. Rolf Dornberger und Vivienne Zhong
Bildquelle:
Christoffer A Rasmussen (Rasmussen29892 at da.wikipedia)
Die
Künstliche Intelligenz (KI, engl.
Artificial Intelligence = AI) hat in den letzten Monaten, vielleicht sogar Jahren durch diverse Initiativen von Technologiefirmen zusätzlich für Diskussionen gesorgt. Verblüffend: Google schlägt mit intelligenten AI-Algorithmen den weltbesten GO-Spieler, wobei das asiatische Brettspiel GO um ein Vielfaches variantenreicher ist als Schach, so dass ein Computer auch heute noch nicht alle Varianten vorausberechnen kann, sondern gutes Spiel maschinell erlernen muss. IBM schlug schon 2011 mit seinem Supercomputer WATSON (und vor allem der Software dahinter) den besten Jeopardy!-Spieler in einem Sprachquiz, wo es vor allem um die Kombination von (unstrukturierten) Daten und das Sprachverständnis geht. Die Roboterforschung macht grosse (Fort-)Schritte und entwickelt intelligente Maschinen wie selbstfahrende Autos, autonome Drohnen oder humanoide Roboter.
Die AI ist bereits omnipräsent in unserem Alltagsleben und bleibt eines der wichtigsten Forschungsgebiete. Mittlerweile hat sich eine Reihe von Subdisziplinen oder zumindest verwandten Disziplinen herausgebildet. Eine dieser Disziplinen ist die
Computational Intelligence (CI). Diese bildet auch eines der Forschungsinteressen von
Prof. Dr. Rolf Dornberger, Leiter des
Instituts für Wirtschaftsinformatik (IWI) FHNW, und
Prof. Dr. Thomas Hanne, Leiter des
Kompetenzschwerpunkts Systems Engineering des Instituts. In einem Interview bringt Prof. Dornberger uns die Welt der CI näher.
Was ist künstliche Intelligenz?
Geboren wurde der Begriff „Artificial Intelligence“ („Künstliche Intelligenz“) in den Fünfzigerjahren vermutlich auf der Dartmouth Conference, wo der Forscher John McCarthy diesen Begriff zum ersten Mal erwähnte. Die Idee damals war, eine Rechenmaschine bzw. den Computer intelligent zu machen. Hier stellt sich aber die Frage: Was heisst „intelligent“? Einen wesentlichen Beitrag zu Beantwortung dieser Frage hat der Turing-Test geliefert, der besagt, dass eine Maschine Intelligenz besitzt, wenn ein Mensch nicht in der Lage ist, das kommunikative Verhalten einer Maschine von demjenigen eines Menschen zu unterscheiden.
Inspiration durch die Natur
Je nach Literatur wird die CI als Teilgebiet der künstlichen Intelligenz verstanden oder als parallel zu ihr existierende Disziplin. Die CI umfasst mehrere Disziplinen, wobei die prominentesten die Fuzzylogik, künstliche neuronale Netze und Evolutionäre Algorithmen sind. Das Besondere an der CI ist, dass sie die Mechanismen in der Natur als Inspirationsquelle für die Problemlösung auf algorithmischer Ebene nutzt: „Man schaut zum Beispiel bei der Natur ab, wie die biologische Evolution funktioniert, dass sich die Pflanzen und Tiere über Generationen hinweg immer besser an die Umgebung anpassen, bis schlussendlich nur die Besten überleben. Diese Prinzipien kann man im Computer implementieren und nutzen, um Probleme – vorzugsweise reale Probleme – zu lösen, bei denen klassische mathematische Lösungsverfahren nicht richtig funktionieren.‟
Die Schwarmintelligenz ist eine weitere Disziplin, die der CI zugeordnet wird, entweder als Evolutionäre Methode oder als eigenständiger Zweig. Die Schwarmintelligenz geht davon aus, dass Individuen, die nur wenig „Logik“ haben, kollektiv Intelligenz erzeugen. „Die Schwarmintelligenz kann zum Beispiel beim Vogelflug beobachtet werden. Die Vögel bilden einen riesigen Schwarm, um sich vor Raubvögeln zu schützen. Der einzelne Vogel weiss dabei nur, dass er nicht mit dem Nachbarvorgel kollidieren darf.‟
Von der Logistikoptimierung bis hin zur Robotersteuerung
Grosse Anwendungsbereiche der Computational Intelligence findet man zum Beispiel in der Logistik, wenn man beispielsweise den kürzesten Verteilweg für die Waren sucht. Oder bei Paketunternehmen, wenn die Frage ist, wie wenig Lastwagen man für die Auslieferung aller Pakete an einem Tag bräuchte. „Solche komplexe Fragestellung kann man mathematisch meist nicht mehr richtig lösen. Hier hilft die CI, die Anzahl der Lastwagen zu minimieren sowie die Fahrstrecke und die Zeit zu reduzieren.‟ Ein weiterer Anwendungsbereich ist die Optimierung von technischen Designs aller Arten: Sei es das Design eines starken Motors für das Auto oder das Design eines möglichst leichten und leistungsfähigen Smartphones sowie dessen Preismodel. Auch bei der Robotersteuerung kommt die CI zum Einsatz. Sie hilft dem Roboter, seinen Weg durch die Gebäude zu finden und Kollisionen mit Menschen und Gegenständen zu vermeiden.
Computational Intelligence im IWI
Die Forschung über Computational Intelligence wird von Rolf Dornberger und Thomas Hanne zusammen mit über die Zeit wechselnden wissenschaftlichen Assistierenden und Studierenden vor allem aus dem Masterstudium Business Information Systems betrieben. In der Forschung werden die Algorithmen entwickelt und deren Anwendung für verschiedene Problemfälle getestet.
„Vor einiger Zeit beschäftigten wir uns im IWI, also vor allem Lukas Frey, mit der Planung von Notfalldiensten von Ärzten. In zugeteilten Arztversorgungsregionen müssen sich eine bestimmte Anzahl von Ärzten über das Jahr organisieren, wer wann den Notfalldienst am Abend, an Wochenenden und an Feiertagen übernimmt. “ Die Herausforderung bestand darin, dass die Urlaubspläne und sonstigen Abwesenheiten der Ärzte sowie das Gefühl einer gerechten Verteilung zu einem schwer zu lösenden Optimierungsproblem führen. Methoden der CI helfen hier.
In mehreren studentischen Projektarbeiten wurde das Wegplanungsproblem von Lieferanten oder Robotern analysiert. Anwendungen liegen beim einfachen Pizzalieferservice über Paketverteilung mit Lieferwagen bis hin zu Rettungsrobotern nach Naturkatastrophen. „Mit einer Zunahme an Lieferstationen explodiert sozusagen die Anzahl an Kombinationsmöglichkeiten, so dass meist nur noch CI-Methoden in annehmbarer Rechenzeit ein sinnvolles Ergebnis liefern können.“