Vom 9. bis 11. September 2024 findet der Kongress der Schweizerischen Gesellschaft für Soziologie (SGS) 2024 an der Hochschule für Soziale Arbeit der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW in Basel (FHNW Campus Muttenz) statt.
Dass wir in unsicheren Zeiten leben, scheint eine soziologische Binsenwahrheit zu sein. Allerdings wurden Gesellschaften rund um den Globus in jüngster Zeit von einer ausserordentlichen Häufung von akuten und persistenten Krisen und Katastrophen mit globalen Auswirkungen erschüttert wie z.B. von der Covid 19-Pandemie, dem Krieg in der Ukraine, sich beschleunigenden Effekten des Klimawandels wie Hitzewellen, Dürren und Überflutungen, von Lieferkettenunterbrüchen und Energiemangel und der massiven Zunahme von Hunger, um nur einige Stichworte zu nennen. Jede dieser Krisen stellt für sich allein schon enorme soziale, politische, ökonomische und ökologische Herausforderungen dar. Zusammengenommen erzeugen sie eine erhöhte Wahrnehmung und Betroffenheit von allgemeiner Verletzlichkeit. Vor diesem Hintergrund ist Vulnerabilität zu einem breit verwendeten Begriff in öffentlichen und politischen Diskursen geworden. In aller Regel wird er nicht lediglich deskriptiv verwendet – vielmehr kommt ihm gleichzeitig eine präskriptive Funktion zu. Vulnerabilität oder Fragilität festzustellen ist unweigerlich verbunden mit dem moralischen und politischen Aufruf zu handeln, um potenziellen Schädigungen vorzubeugen oder sie zu mildern und soziale Ungerechtigkeiten zu beseitigen. Eine soziale Gruppe als «vulnerabel» zu charakterisieren, impliziert die Zuschreibung eines speziellen Bedarfs an Schutz und Unterstützung. Vulnerabilität wird mit einer breiten Palette von physischen, sozialen, ökonomischen oder kulturellen Faktoren, Bedingungen und Prozessen in Verbindung gebracht. In der einschlägigen Literatur werden nicht nur Menschen als verletzlich betrachtet. Der Terminus findet auch Anwendung für die Gefährdung von technischen Infrastrukturen und ökologischen, ökonomischen, politischen und gesellschaftlichen Systemen. Entsprechend ist Vulnerabilität zum Gegenstand verschiedener akademischer Disziplinen geworden: von Medizin bis Katastrophenforschung, Ökologie, Philosophie, Psychologie, Gerontologie und Pädagogik, Recht oder Sozialer Arbeit. Was also könnten genuin soziologische Perspektiven und Beiträge zur Analyse von Vulnerabilität sein?
Im Rahmen des Kongresses soll der Begriff der Vulnerabilität in seiner Bedeutung für die soziologische Theoriebildung und Forschung kritisch sondiert werden. Zum einen wird er systematisch mit verwandten und in der Soziologie fest verankerten konzeptionellen Begriffen wie Risiko, Ungewissheit, Krise oder Prekarität respektive zu Gegenbegriffen wie Resilienz, Agency, Anpassung u.ä. in Beziehung gesetzt. Zum anderen gilt es, anhand empirischer Studien aus unterschiedlichen Feldern den gegenwärtigen Stellenwert sowie das Potenzial des Konzepts der Vulnerabilität für die soziologische Forschung zu reflektieren. Was sind die Ursachen, Formen und Folgen von Vulnerabilität? Wie reagieren Individuen, Gruppen, Organisationen, soziale Bewegungen, Staaten oder supranationale Organisationen auf unterschiedliche Formen von Vulnerabilität? Schliesslich sollen die politischen und praktischen Erträge der soziologischen Analyse von Vulnerabilität ausgelotet werden.
Der Kongress wird dreisprachig auf Deutsch, Französisch und Englisch durchgeführt.
Kongressorganisation: sgs.sozialearbeit@fhnw.ch