1962, Aargau

1962 – Der Wunsch nach einer Universität im Kanton Aargau

9. August 2021

Anfang der 1960er-Jahre forderte ein Grossrat aus Brugg eine aargauische Universität. Die Politik befasste sich während Jahren immer wieder mit dem Thema – 1978 wurde die Idee schliesslich versenkt. Eine Uni hat der Kanton Aargau nicht bekommen, aber eine Fachhochschule ganz nach der Vorstellung des Motionärs.

Der LdU-Grossrat Jakob Hohl aus Brugg hatte eine ganz klare Vorstellung: In seiner Motion, die er im Februar 1962 im aargauischen Kantonsparlament einreichte, forderte er den Regierungsrat dazu auf, «die Gründung einer aargauischen Universität in die Wege zu leiten». Diese sollte als «Studentenstadt» geschaffen werden – mit Sportanlagen und Wohnungen für Dozierende. Die Motion wurde ein Jahr später im Parlament behandelt und mit 99 Ja-Stimmen bei einer einzigen Gegenstimme an den Regierungsrat überwiesen. Allerdings hatten sich 69 Ratsmitglieder der Stimme enthalten. Die Kantonsregierung liess in der Folge einen Bericht erstellen, der weitere Abklärungen in Bezug auf eine allfällige Hochschule vorschlug.

Das Thema war nun in aller Munde. Auch dann, wenn der Fokus eigentlich auf anderen Themen lag. So liess die Berner Tageszeitung Der Bund am 11. April 1963 Folgendes verlauten:

«Im Verlaufe eines Gesprächs über ‘Kulturpflege und Nachwuchsförderung’, veranstaltet von der konservativ-christlichsozialen Volkspartei des Kantons Aargau in Zurzach, berührte Professor Dr. Ernst Koller, der Konrektor der Kantonsschule Baden, die Frage der Notwendigkeit einer aargauischen Universität. Er vertrat den ablehnenden Standpunkt und begründete ihn mit dem Hinweise, dass unsere sieben Universitäten und die technischen Hochschulen nicht überbesetzt seien. (…) Zudem bezweifelte der Referent, ob der Aargau auch sonst als Standort für eine neue Universität geeignet wäre, besitze er doch nicht die nötigen Schwerpunkte, nicht eine genügende Zahl von Studierenden und letzten Endes auch nicht die nötigen Finanzen.»

Auch das Kantonsparlament sollte sich schon bald wieder mit einer allfälligen aargauischen Universität befassen. Die in der Hochschulfrage gespaltene Regierung wollte die Abklärungen hinsichtlich Bedarf und Gestaltung einer Hochschule einer Spezialkommission übergeben. Dabei ging es lediglich darum, den dafür nötigen Kredit zu genehmigen. Doch wie dem Artikel des Walliser Boten vom 26. Juni 1964 entnommen werden kann, wurde über Grundsätzliches debattiert: 

«Nach einer Eintretensdebatte, die den ganzen Vormittag einnahm und an der sich ausser dem Kommissionsreferenten und dem Regierungssprecher 18 Redner beteiligten, beschloss der aargauische Große Rat (…) Eintreten auf die Botschaft der Regierung zur Motion Hohl über eine aargauische Universität.»

Der Antrag der Regierung wurde schliesslich überwiesen, allerdings mit einer erheblichen Änderung: So wurde nun nicht mehr die «Weiterführungen der Abklärungen über die Fragen der Gründung einer aargauischen Universität» gefordert, es galt vielmehr «umfassend zu prüfen, ob und wie der Aargau am schweizerischen Hochschulwesen sich beteiligen kann, insbesondere ob eine aargauische Universität zu gründen sei».

Als die Kommission ihren Bericht 1967 vorlegte, war diesem zu entnehmen, dass angesichts der steigenden Zahlen an Studierenden die Gründung einer neuen Universität «dringend angezeigt» sei. Auch sei der Kanton Aargau aufgrund seiner Bevölkerungszahl und Finanzkraft in der Lage, eine neue Hochschule aufzubauen. Es folgte ein Aber: Aus finanziellen und bildungspolitischen Gründen sei aber nicht die Schaffung einer «Volluniversität» anzustreben. Vielmehr würde sich eine auf Humanwissenschaften spezialisierte Hochschule mit den Abteilungen «klinische Medizin» und «Bildungswesen» eignen. 

Doch soweit kam es nicht: Zwar trieb der Regierungsrat die nötigen Vorbereitungen voran und legte 1976 dem Parlament einen Entwurf des Hochschulgesetzes vor. Dieser wurde vom Parlament knapp abgelehnt. Der Abstimmung ist eine äusserst denkwürdige Debatte vorangegangen, wie im Artikel in Der Bund vom 22. Oktober 1976 entnommen werden kann:

«An der Eintretensdebatte für das Hochschulgesetz beteiligten sich drei Dutzend Redner und während sechs Stunden hagelte es Pro- und Kontraargumente. Die Gegner der Hochschule – sie stammen ausschliesslich aus den Reihen des Freisinns, der Nationalen, der SVP und der CVP – machten finanzielle, politische und hochschulpolitische Gründe geltend.»

Und:

«Sowohl die Freisinnigen wie auch die Vertreter der SVP erklärten unmissverständlich, dass sie sich gegen die Bildungswissenschaften stellten, sei es, weil man glaubt, eine solche von sämtlichen eidgenössischen Behörden und Hochschulgremien befürwortete Schule koste zuviel Geld, sei es, weil man Angst hat, ein bildungswissenschaftliches Institut sei eine ‘rote Kaderschule’, wie vor allem die Freisinnigen befürchteten.»

Den endgültigen Todesstoss für das Projekt war das Volksnein zum neuen Bundesgesetz über die Hochschulförderung im Frühling 1978.

Motionär Jakob Hohl starb 1995. Eine Universität hat der Kanton Aargau nicht erhalten. Aber eine Fachhochschule, die wohl die kühnsten Vorstellungen des Motionärs übertrifft. Auf dem FHNW-Campus in Windisch-Brugg wurde mehr geschaffen, als er vor rund 60 Jahren gefordert hatte. Daher: Seine Motion kann getrost als erledigt abgeschrieben werden.

Informationen aus:

  • Bund-Artikel vom 11. April 1963 und 22. Oktober 1976
  • Artikel aus dem Walliser Boten vom 26. Juni 1964
  • Die Schule im Glashaus – Entstehung und Entwicklung der Fachhochschule Aargau Nordwestschweiz, herausgegeben von René Bortolani, 2004
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Kommentare

Ein Kommentar erfasst zu 1962 – Der Wunsch nach einer Universität im Kanton Aargau

    Rahel Lohner Eiche

    Spannend, diese Reise durch Zeit und Zeitgeist!

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