Im Gespräch mit Prof. Agnès Fritze

Prof. Agnès Fritze ist seit September 2017 Direktorin der Hochschule für Soziale Arbeit FHNW. Weitere Angaben zu ihrer Person finden Sie hier.

Im Juni 2017 wurden Sie vom Fachhochschulrat zur Direktorin der Hochschule für Soziale Arbeit HSA FHNW gewählt. Wie war das für Sie?

Ich habe mich damals ausserordentlich gefreut über das Vertrauen, das mir durch diese Wahl von allen Beteiligten entgegengebracht wurde. Gleichzeitig war ich mir der Herausforderung und Verantwortung bewusst, die mit dem Einstieg in diese völlig neue Rolle einhergeht. Die Situation im Vorfeld war angespannt gewesen, die Erwartungen der Mitarbeitenden an die Wahl der neuen Direktorin, des neuen Direktors hoch; insbesondere an die Herkunft aus der Sozialen Arbeit. Insofern wurde meine Wahl mit sehr viel Wohlwollen aufgenommen. Ich musste nicht um meine Position kämpfen, weder innerhalb der Hochschulleitung noch bei den Mitarbeitenden. Ich war sehr dankbar für diese Ausgangslage.

Was war Ihre Motivation sich für dieses Amt zu bewerben?

Die HSA FHNW liegt mir sehr am Herzen. Ich kannte sie schon seit vielen Jahren aus unterschiedlichen Perspektiven, zuerst als Dozentin, später als Bereichs- und als Institutsleiterin. Sämtliche Fusionen und Entwicklungsschritte aus Sicht Solothurn habe ich seit 1997 erlebt und mitgeprägt. Als sich dann die Möglichkeit bot, mich als Direktorin zu bewerben, hatte ich Lust nochmals auf einer anderen Ebene gestaltend zu wirken. Ich war motiviert nach zwölf Jahren den Schritt zu wagen von der Institutsleitung in eine übergeordnete Managementfunktion mit neuen Herausforderungen innerhalb der FHNW sowie im Kontext der Fach- und der Bildungspolitik.

Welche Ziele oder Visionen hatten Sie bei Ihrem Amtsantritt?

Die HSA FHNW war und ist sehr gut aufgestellt. Mir war es wichtig, Kontinuität zu wahren und gleichzeitig Neues zu ermöglichen. Meine Ziele und Visionen waren teilweise bereits in der neuen Strategie verankert. Die Weiterentwicklung der Sozialen Arbeit als Disziplin, Profession und Praxis liegen mir am Herzen. Das afrikanische Sprichwort veranschaulicht dabei meine Grundhaltung: «If you want to go fast, go allone. If you want to go far, go together». Damit wir an der HSA FHNW gemeinsam weit kommen, braucht es eine vertrauensvolle Kooperations- und eine transparente Kommunikationsbasis. Ich bin überzeugt, dass die HSA FHNW auf dieser Basis die Stärke pflegen und weiterentwickeln kann, um ihren Beitrag am Umgang mit dem rasanten sozialen Wandel und den neuen gesellschaftlichen Herausforderungen zu leisten. Einer der strategischen Entwicklungsschwerpunkte der HSA FHNW knüpft hier an: Die Entwicklung neuer Kooperationsformen mit der Praxis.

Die Positionierung der Hochschule für Soziale Arbeit innerhalb der FHNW war mir seit meinem Amtsantritt ebenso ein zentrales Anliegen, nämlich dass der Umgang und die Zusammenarbeit auch innerhalb der FHNW von gegenseitiger Wertschätzung geprägt sind und dass die HSA in der FHNW als konstruktiv und integrativ wahrgenommen wird.

Was waren oder sind die grössten Herausforderungen der letzten vier Jahre?

Gleich zu Beginn meiner Amtszeit stand der Umzug der beiden Basler HSA FHNW-Standorte in den Campus Muttenz an. Es war mir wichtig, die Mitarbeitenden nach dem Gestaltungs- auch in den Umzugsprozess einzubeziehen. Dazu wurden Besuche im neuen Gebäude organisiert und eine begleitende Gruppe aus «Botschafter*innen», Mitarbeitenden aus allen Organisationseinheiten der HSA FHNW, eingesetzt. Rückblickend scheint mir der Umzug gut gelungen zu sein, trotz allen Herausforderungen, die ein solch grosses Gebäude und das Arbeiten darin bis heute mit sich bringen.

Die akademische Nachwuchsförderung und die Etablierung institutioneller Kooperationen zwischen Universitäten und Fachhochschulen, die Absolvent*innen von Fachhochschulen in Sozialer Arbeit ermöglichen in ihrem Fach zu doktorieren waren und sind – an der HSA FHNW und schweizweit – bis heute weitere Herausforderungen. Die Annäherung zwischen Universitäten und Fachhochschulen ist ein anspruchsvoller Prozess, bei dem ich die HSA FHNW als Vorreiterin sehe.

Was waren bis anhin Ihre grössten Highlights?

Es ist uns gelungen auf verschiedenen Ebenen qualitativ neue Formen der Kooperation mit Praxisorganisationen zu entwickeln, die auch von deren Seite so eingeschätzt werden. Dazu drei Beispiele:

Flyer Freiform

(1) Die «Freiform», unsere neue Studienform im Bachelorstudium, wurde in einem partizipativen Prozess im Zusammenspiel von Mitarbeiter*innen der HSA FHNW, von Organisationen der Sozialen Arbeit und von Student*innen der HSA FHNW entwickelt. Es freut mich sehr, dass sich Praxisorganisationen auch in der Umsetzung, die vor zwei Jahren als Pilot gestartet ist, verbindlich engagieren, die Studierenden mit ihrem selbstorganisierten Studium gut unterwegs sind, und auch, dass wir für das kommende Herbstsemester wieder mehr als genügend Anmeldungen für die 30 Studienplätze haben. Wir sehen vor, die Freiform als vierte Studienform des Bachelors zukünftig regulär zu führen. Dass wir mit der Freiform eine Pionierstudienform geschaffen haben, die national und international sehr positiv wahrgenommen wird, macht mich glücklich.

(2) Auch mit den Projekten «Career2SocialWork» und «Connect», an denen die HSA FHNW beteiligt war, wurden neue Formen der Kooperation mit und in Praxisorganisationen möglich. Diese wurden von swissuniversities gefördert im Rahmen des Programms zur «Stärkung des doppelten Kompetenzprofils», d.h. der praxisbezogenen Kompetenzen des Fachhochschulpersonals.

Die Projekte sind abgeschlossen. Die Erfahrungen daraus sind äussert positiv. In einem nächsten Schritt geht es nun darum, Elemente aus «Career2SocialWork» und «Connect» in der HSA FHNW zu implementieren.

(3) Ein weiters Ziel von mir war, das «Praxisforum», eine jährlich stattfindende Fachtagung für Mitarbeitende der Praxisorganisationen, die mit der HSA FHNW im Bereich der Praktika kooperieren, strategisch zu positionieren und zusammen mit Vertreter*innen der Praxis und der Hochschule neu zu konzipieren. Wir haben eine Begleitgruppe gebildet, die paritätisch aus Vertreter*innen von Organisationen der Sozialen Arbeit sowie Mitarbeitenden aus allen Instituten der HSA FHNW zusammengesetzt ist. Der Austausch auf Augenhöhe mit der Praxis ist in der Vorbereitung und an der Tagung selbst gelungen. Die Begleitgruppe bestimmt Thema, Programm und Format.

Gibt es auch neue Kooperationsformen innerhalb der HSA FHNW?

Ja, dies ist ein weiteres Highlight. Im Hinblick auf den strategischen Entwicklungsschwerpunkt «Digitalisierung der Hochschule» ist es uns gelungen, ein «Netzwerk digitale Transformation» aufzubauen, in dem Mitarbeitende aus allen Organisationseinheiten vertreten sind. Hervorheben möchte ich auch die Erarbeitung des Grundlagenpapiers «Digitalisierung und Soziale Arbeit» durch eine Gruppe von Mitarbeitenden aus allen Organisationseinheiten. Dieses Papier war Ausgangspunkt, um die Positionierung des digitalen Supports neu zu denken und als «Digital Competence Hub» strukturell zu verankern. Dieses bildet denn auch das Zentrum des oben erwähnten Netzwerks. Die Anforderungen der Corona-Pandemie haben uns geholfen, das gewählte Modell in einem Zug umzusetzen.

Gab es weitere Meilensteine?

Wir haben alle unsere Konzepte überarbeitet und sind in verschiedenen Bereichen einen Schritt weitergekommen. Das Personalentwicklungskonzept ist nun ein Konzept, das gleichermassen alle Personalkategorien sowie auch verstärkt das Thema der Laufbahn- bzw. Entwicklungsmöglichkeiten anspricht.

Speziell erwähnen möchte ich auch die Überarbeitung des Konzepts «Integrierte Kommunikation». Neu enthält dieses ein Kapitel zur politischen Kommunikation. Das war mir sehr wichtig. Dieses gibt eine gewisse Klarheit und liefert Teilantworten auf Erwartungen und Fragen, die bei meinen Antrittsbesuchen in den Organisationseinheiten geäussert wurden, nämlich, wie wir uns als Hochschule besser im politischen Prozess positionieren können.

Bei der Überarbeitung des Weiterbildungskonzepts konnten wir als wichtiges neues Element eine Weiterbildungskonferenz der Programmleitenden einführen.

Und schliesslich haben wir mit der Überarbeitung des Qualitäsmanagement-Konzepts das Qualitätsverständnis der HSA FHNW wie auch die FHNW-Anforderungen in einem Dokument zusammenführen können. Dieses bildet die Grundlage für das in diesem Jahr wieder anstehende QM-Reporting.

Auch personell gab es wichtige Entscheidungen. Im August 2021 hat seit meinem Amtsantritt das dritte Institut eine neue Leitung bekommen. Ich habe den Eindruck, diese Übergänge sind sehr gut gelungen und ich bin zuversichtlich, dass dies auch mit der neuen Co-Leitung des Instituts Kinder- und Jugendhilfe gelingt – der ersten Co-Leitung eines Instituts an der HSA FHNW.

Zum Abschluss ein Ausblick. Was wird die HSA FHNW in den nächsten fünf Jahren beschäftigen? Welche Ziele möchten Sie bis dann erreicht haben?

Die grosse Herausforderung in der ausklingenden Corona-Pandemie ist, die Hochschule unter Nutzung der Erfahrungen dieser schwierigen Zeit als Präsenzhochschule neu zu positionieren und in eine innovative Lehr- und Lernorganisation der Zukunft zu führen. Dies bedeutet auch Arbeits- sowie Lehr- und Lernräume zum Teil neu zu denken, anders zu gestalten und neu zu organisieren. Es bleibt anspruchsvoll, mit den Unsicherheiten umzugehen und die Balance zwischen dem Nutzen von Chancen und den Zusatzbelastungen zu halten – für die Mitarbeitenden, die Studierenden sowie die Weiterbildungsteilnehmenden. Dieser Prozess wird uns weiterhin begleiten, fordern und uns noch Einiges kosten.

Ein zweites wichtiges Thema wird mittel- bis längerfristig die Entwicklung des Zusammenspiels von Aus- und Weiterbildung sein. Wir werden aus der Perspektive von «Life-Long-Learning» und der Weiterentwicklung von Bildungsprozessen und -angeboten neue Diskussionen führen müssen. Zentrale Fragen werden etwa sein, wie künftig Bildungsprozesse verlaufen, welche Institutionen involviert sind, wie die Finanzierung geregelt wird und wie eine Konkurrenzierung der verschiedenen Angebote in Aus- und Weiterbildung verhindert werden kann.

Als Drittes möchte ich den Generationenwechsel innerhalb der HSA FHNW nennen, in dem wir uns befinden. Es werden in den nächsten fünf bis zehn Jahren etliche Professor*innen und Leitungspersonen pensioniert – hier gilt es weiterhin eine sorgfältige Nachwuchsförderung und Nachfolgeplanung zu verfolgen.

Vielen Dank für das Gespräch!

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