Buch des Monats November 2024

Peter Stamm: Otto von Irgendwas. Mit Bildern von Ole Könnecke

Otto ist nicht irgendein Otto, sondern er ist Otto von Irgendwas – weil seine Familie mal irgendwas gewesen ist. Seit er denken kann, wohnt er allein im Familienschloss, also nicht ganz allein, zwar ohne Eltern, dafür mit viel Personal. Weshalb das so ist, weiss Otto nicht. Alles ist so, wie es immer gewesen ist und das ist gut so, sagt zumindest Frau Lämmle, seine Haushälterin, und Otto ist damit einverstanden. Schliesslich lautet das Motto der Familie: „Semper idem“ was so viel bedeutet wie „Alles soll so bleiben wie immer“ – oder so ähnlich. Jeden Morgen wird Otto von Frau Lämmle geweckt und als erstes gehts immer zur Fechtlektion, danach folgt das morgendliche Bad und nach dem Frühstück der Unterricht beim Hauslehrer, bei dem er eigentlich nur eines lernt – schön zu schreiben. Die Nachmittage verbringt Otto bei gutem Wetter meist mit seinem Hund Hasso im Schlosspark. An einem dieser Nachmittage kommt Otto am Häuschen seines Gärtners vorbei, davor steht ein Liegestuhl und auf dem Liegestuhl sitzt ein Mädchen, ungefähr in seinem Alter. „Hallo. Wer bist du?“, fragt das Mädchen. Otto finde das ein bisschen frech, schliesslich befindet sie sich in seinem Park, trotzdem antwortet er aber brav: „Ich bin Otto, Otto von Irgendwas, der Schlossherr“. „Wohl eher der Schlossjunge“, sagt das Mädchen und stellt sich als Ina, das Liegestuhlmädchen, vor. Nach dieser Begegnung ändert sich so einiges für Otto. Mit Ina verlässt er zum ersten Mal Schloss und Park und wagt sich in die Welt hinaus. Ina nimmt ihn mit in ihr Schloss, ein Baumhaus, dort lernt Otto Inas Freunde kennen: Paula, die Tochter einer Nonne und Heinz, der Sohn der Lebensmittelhändler im Dorf. Die beiden gehen gemeinsam mit Ina im benachbarten Klosterinternat zur Schule. Wie selbstverständlich beginnen die drei am Baumhaus herumzuwerkeln und spannen Otto für alle möglichen Handlangerarbeiten ein. So viel Spass hatte Otto schon lange nicht mehr! Zum ersten Mal in seinem Leben übernachtet Otto nicht zuhause in seinem Schoss, sondern in einem Baumhaus. Am Morgen danach verändert sich noch viel mehr in Ottos Leben: Kaum sind Otto und seine neuen Freunde zurück im Schloss, verkündet das gesamte Personal, dass es Ferien wolle. Es ist Paula, die die zündende Idee hat: Solange das Personal in den Ferien ist, können Ina, Heinz und sie ins Schloss einziehen, gemeinsam kochen und Spass haben. Gesagt getan. Die vier verbringen spannende Tage im und ums Schoss herum, und Otto lernt endlich Nützliches wie schwimmen oder Fahrrad fahren und, dass geteilte Angst nicht doppelte Angst, sondern halbe Angst bedeutet. Schon bald neigen sich die Ferien und somit die Zeit im Schloss dem Ende zu, als ein Stapel Briefe das Schloss erreicht. Das gesamte Personal hat geschrieben, dass es nicht mehr zurückkommt! Wie soll es nun weitergehen? Paula meint dazu klug: „Manchmal muss sich alle ändern, damit es so bleiben kann, wie es ist.“

Peter Stamm ist ein wunderbares Kinderbuch gelungen, in dem Lesende den liebenswerten, leicht schrulligen Otto auf seiner Entdeckungsreise in die Welt in- und ausserhalb seines Schlosses begleiten dürfen und hautnah miterleben, wie er erste Freundschaften schliesst und endlich ein paar Abenteuer erlebt. Peter Stamm beschreibt diese Veränderung in Ottos Leben überaus treffend: Er hatte das Gefühl, dass heute alles anders war, ein Gefühl, das ihm ein bisschen Angst machte, aber das doch seltsam schön war. Die herzerwärmende Geschichte ist aus Ottos spezieller Perspektive eines weltfremden Adeligen geschrieben, dies bewirkt, dass Lesende unweigerlich in Ottos Schuhen stehen und gehen und die Welt mit seinem erfrischend leicht naiven Blick wahrnehmen. Die in einfachen Strichen geführten, reduzierten schwarzweiss-Illustrationen von Ole Könnecke ergänzen die Geschichte humorvoll und treffend. Ein absolut vergnüglicher Lesegenuss für Gross und Klein. Empfohlen zum Vorlesen ab ca. 10 Jahren und zum selberlesen ab ca. 11 Jahren.

Peter Stamm/Ole Könnecke: Otto von Irgendwas. Atlantis 2024. ISBN 978 3 7152 3016 0

Rezension: Sara Grunauer

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