Rosie wohnt mit ihrer Mutter schon eine ganze Weile am neuen Ort. Eines Tages klingelt das Telefon, ohne dass sich am anderen Ende jemand bei Rosies Mutter meldet. Später klingelt das Telefon noch einmal und Rosie nimmt heimlich nach langem Zögern den Hörer ab. Es meldet sich eine ihr wohlbekannte Stimme: Rosies Vater ist am Apparat! Ihr Vater, der eines Tages einfach weggegangen ist und den sie in einem fernen Land geglaubt hat, lebt gar nicht weit weg von ihr in der gleichen Stadt. Ihre grosse Freude mischt sich aber bald mit Unbehagen und Traurigkeit. Sie darf ihrer Mutter nichts von diesem Anruf erzählen. Denn Mama, die will nichts mehr von Papa wissen. «Papa zieht das Unglück an, wie ein Magnet das Eisen», meint sie immer. Rosie weiss nun auch, dass ihr Papa nicht einfach weggegangen ist, sondern im Gefängnis sitzt. Als sie ihr Geheimnis zu erdrücken droht, traut sie sich Moussa und der alten Nachbarin Frau Himmelreich an. Bald darauf lädt Rosies Vater sie in einem Brief ein, ihn zu besuchen. Rosie ist froh, dass ihr Freund Moussa sie begleitet. Es ist so unheimlich in diesem Gefängnis. Auch ihr Papa kommt ihr anfangs fremd vor, aber dann beginnt er zu erzählen, da hört sie seine Stimme und spürt seine Hand auf ihrer. Sie hat ihn so sehr vermisst! Aber erst, als sie am Abend Mama alles berichten kann, erst als sie nicht mehr lügen muss, da wird ihr leichter zumute, da drückt sie kein so schwerer Stein mehr.

Auch die Fortsetzung des Buches «Rosie und Moussa» erzählt eine wunderbare und herzergreifende Geschichte über eine komplizierte Eltern-Beziehung und wie schwierig das für Kinder sein kann. Dem Autor und der Illustratorin gelingt es, die anspruchsvolle und schmerzhafte Thematik des abwesenden Vaters mit viel Feingefühl zu erzählen, ohne dabei kitschig zu werden. Die Illustrationen ergänzen und veranschaulichen den Text auf ideale Weise und lassen die Lesenden noch unmittelbarer an der Geschichte teilhaben. Das Buch eignet sich zum Selberlesen ab etwa der 3. Klasse, zum Vorlesen auch schon für jüngere Kinder.

Michael der Cock/Judith Vanistendael: Rosie und Moussa. Der Brief von Papa. Beltz und Gelberg 2014. ISBN: 978-3-407-82045-7.

Rezension: Claudia Hefti