Anders Johansen: Das schwarze Loch in mir
Die Geschichte spielt auf den Färöern in einem kleinen, von der Umwelt fast gänzlich abgeschnittenen Küstenort. David erzählt das Geschehen aus seiner Perspektive. Zu Beginn des Buches ist er etwa 12 Jahre alt. David ist anders als die andern Kinder. Ein Neurologe aus der Stadt hat dies bestätigt: David ist Autist. Sein Vater arbeitet bei der Post und holt mehrmals in der Woche die Post, indem er über den Berg wandert. Mama betreibt einen kleinen Lebensmittelladen, einmal in der Woche kommt das Küstenschiff und bringt Nachschub.
Diese grosse Abgeschiedenheit des Orts ist gut für David, jeder kennt ihn und in der Dorfschule hat er nicht nur einen Sonderplatz, sondern für ihn gelten auch spezielle Regeln. Davids Lehrer ist einer, der Verständnis aufbringt, dem es auch immer wieder gelingt, David zu beruhigen, wenn er einen seiner Anfälle bekommt. Das ist dann, wenn David wütend wird, wenn er in ein schwarzes Loch fällt und nur noch schreien kann. Auch sein grosser Bruder Peter beschützt David immer wieder, wenn er ausgelacht oder provoziert wird. Aber dann wird ein Tunnel durch den Berg gebaut, das Dorf ist plötzlich kein Ort der Ruhe mehr. Touristen kommen und die Jungen aus dem Dorf können sich plötzlich Alkohol besorgen und donnern nachts mit Motorrädern durchs Dorf. Die geschützte Welt des autistischen Jungen beginnt zu bröckeln. Auch er selber verändert sich, wird langsam zum Mann. Und dann gesteht der grosse Bruder eines Tages, dass er den Ort verlassen will. David erfüllt dies mit einer so immens grossen Panik, dass er in ein schier unendlich schwarzes Loch fällt und mit seinem Verhalten einen schrecklichen Unfall verursacht.
Anders Johansen hat ein stilles Buch geschrieben, eines, das vor allem von den Stimmungen lebt: Jenen draussen, wenn er die herbe Schönheit der Insel beschreibt und den inneren Stimmungen, welche die Menschen umtreibt. Weil David seine Geschichte selber erzählt, lässt er Lesende so nah heran, dass man sogar seine schlimmen Anfälle nach- und mitvollziehen kann, selten wurde Autismus dermassen nachvollziehbar in einem Jugendroman beschrieben. Man erfährt, dass David sich schwertut, Körperkontakt zuzulassen, dass er Bildsprache meist nicht entschlüsseln kann, dass er auch Schwierigkeiten hat, Gefühlslagen anderer Personen zu erkennen. Dafür kennt er die lateinischen Namen aller Vögel, kann alle Wetterrekorde der Insel auswendig und weiss immer auf die Sekunde genau, wann die Sonne auf- und untergeht. Anders Johansen hat mit seinem Erstlingswerk ein sehr stimmiges Buch geschrieben, das von den leisen Tönen lebt und entsprechend wunderschön aber auch anspruchsvoll zu lesen ist. Für Jugendliche.
Anders Johansen: Das schwarze Loch in mir. Beltz, 2016. ISBN: 978-3-407-82172-0
Rezension: Maria