Gabriele Clima: Der Sonne nach
Dario ist sechzehn, in der Schule läuft es nicht so, wie es soll. Manchmal spürt er eine unbändige Wut auf alles, und er weiss nicht mal warum. Und dann wird er mit gemeinnütziger Arbeit bestraft, er soll sich um Andy kümmern, diesen Jungen im Rollstuhl, der nicht mal richtig sprechen kann. Andys Augen strahlen selten, nur, wenn er in der Sonne sitzen kann oder wenn Dario mit ihm in einem Affenzahn durch den Park rennt. Dario will einfach nur weg und er spürt, dass auch Andy das enge Leben im Heim satt hat. Es ist ein wunderbarer Sommertag, als Dario den Rollstuhl packt und mit Andy abhaut. Im Zug, bis ans Meer. Mit mehr Glück als Verstand finden sie dort eine Schlafmöglichkeit und lernen einen Typen kennen, der aus dem einfachen Rollstuhl ein Rakmobil baut, eine Mischung aus kleinem Motorrad und Rollstuhlseitenwagen. Dario lernt Andys Sprache, seine Signale zu lesen und weiss meist genau, was Andy will. Und er mag diesen behinderten Jungen immer mehr. Allmählich wird ihm auch klar, wohin diese verbotene Abenteuerfahrt führen soll: Dario will zu seinem Vater, will wissen, weshalb dieser vor fast zehn Jahren einfach ging. Die Begegnung mit seinem Vater wird ein ziemliches Desaster, aber diese Reise, die war für beide Jungs gleichermassen wichtig, sie hat beide verändert und ein grosses Stück erwachsener gemacht.
Ja, das Thema ist bekannt. Aber hier wird von Jugendlichen erzählt, die einander gegenseitig brauchen. Es ist nicht so, dass nur Andy Hilfe braucht. Die stummen Dialoge unter den beiden, die Ruhe am Meer, das Wahrnehmen der Natur, das oft an die Grenzen kommen, wenn sich Andy eingenässt hat beispielsweise, das hilft Dario zu verstehen, worauf es ankommt im Leben, was wirklich wichtig ist. Und am Schluss ist es nicht mal so schlimm, dass Darios Vater so versagt hat. Auch Andy hat in diesen paar Tagen ganz schön viel dazugelernt, nicht nur einige Wörter, die er nun aussprechen kann, er hat vor allem auch sehr viel mehr an Selbstbewusstsein dazugewonnen und auch einen wunderbaren Freund. Gabriele Clima, ein italienischer Autor, hat diese Geschichte ganz wunderbar in Worte gefasst. Oft poetisch, dann wieder richtig spannend. Zurecht wurde das Buch in die IBBY Ehrenliste aufgenommen. Dieses spezielle Roadmovie sei Jugendlichen wie Erwachsenen gleichermassen empfohlen.
Gabriele Clima: Der Sonne nach. Aus dem Italienischen von Barbara Neeb, Katharina Schmidt. Hanser 2019. ISBN: 978-3-446-26260-7
Rezension: Maria Riss