Anna Woltz: Atlas, Elena und das Ende der Welt
Auf der Fahrt in die Wildnis schneidet sich die etwa 14-jährige Elena nicht nur ihre langen Haare ab, sie zerstört auch ihr Handy und wirft es weg. Weshalb sie das tut, bleibt vorerst ein Geheimnis. Sie soll den Sommer bei ihrer Tante irgendwo am Ende der Welt verbringen. Niemand am Bahnhof erwartet sie und als sie den verlotternden Hof endlich findet, erleidet sie einen ziemlichen Schock: Ihre Tante liegt krank im Bett, ihr Stiefsohn Atlas grüsst sie kaum, nur dessen jüngere Schwester Kennedy hilft ihr, sich eine Schlafgelegenheit einzurichten. Um zu überleben, müssen alle mithelfen, auch Elena lernt hier, wie man einen Spaten in die Finger nimmt oder den Hühnerstall ausmistet. Elena spürt, dass ein Geheimnis diese Familie belastet, vor allem der etwa gleichaltrige Atlas verschwindet immer wieder im Wald, schliesst sorgfältig sein Zimmer ab und redet nur das Allernötigste. Eines Nachts schleicht Elena ihm heimlich hinterher. Weil bald ein fürchterliches Unwetter aufzieht, gerät Elena in grosse Gefahr. Es ist Atlas, der sie rettet und zum ersten Mal auch mehr als ein Wort mit ihr spricht. Er erzählt, wie schuldig sich alle am Tod seiner leiblichen Mutter fühlen, aber niemand dies anzusprechen wagt. Atlas ist zudem überzeugt, dass die Welt bald untergehen wird, sei es durch einen gewaltigen Sonnensturm, eine Revolution oder eine Pandemie. Angst und Trauer sind seine ständigen Begleiter. Elena vertraut Atlas in dieser Nacht auch ihr Geheimnis an: Als Influencerin mit überaus vielen Followern ist sie berühmt, wird nun aber für den Unfall einer ihrer Followerinnen verantwortlich gemacht. Der Shitstorm danach war so schrecklich, dass sie untertauchen musste. Niemand mehr soll sie erkennen, am liebsten wäre sie einfach weg. Atlas und Elenatrennen Welten und doch kommen sie einander nah und das Buch endet um einiges farbiger, als es begonnen hat.
Einmal mehr trifft Anne Woltz den richtigen Ton, damit Lesende die unterschiedlichen Sichtweisen, Sorgen, Probleme und Sehnsüchte der beiden Jugendlichen nachvollziehen können. Es sind Fragen und Ängste, die viele Lesende in irgendeiner Form selber kennen werden. An keiner Stelle larmoyant, dafür dialogreich, warmherzig und mit einer Prise Humor erzählen Elena und Atlas die Geschichte abwechselnd aus ihrer Perspektive. Eine berührende Freundschaftsgeschichte – eine erste zarte Liebesgeschichte auch – über zwei Jugendliche, die sich finden. Für Lesende ab etwa 12 Jahren. 192 Seiten.
Anna Woltz: Atlas, Elena und das Ende der Welt. Carlsen 2024. ISBN: 978-3-551-55938-8
Rezension: Maria Riss