Emily Kenny: Die aussergewöhnlichen Abenteuer der Alice Tonks

Rezension: Maria Riss

Alice ist 11 Jahre alt und lebt bei ihrer Gran. Ihre Eltern sind von einer Forschungsreise irgendwo im Amazonasgebiet nicht zurückgekehrt und werden seither vermisst. Alice ist sehr klug und belesen, aber sie hat im Umgang mit anderen Kindern oft Probleme. Sie habe gewisse Defizite, meinen die Ärzte. Aus diesem Grund schickt Gran ihre Enkelin nun auf ein teures Internat. Schon am ersten Tag gilt sie als Aussenseiterin, weil sie sich nicht einfach anpasst und Dinge tut, die eigentlich verboten sind. Einzig Tim, ebenfalls ein Aussenseiter und Ottie, deren Onkel das Internat führt, halten Alice die Stange, wenn sie von ihren Mitschüler:innen beleidigt und gemobbt wird. Alice nimmt Dinge wahr, die andern verborgen bleiben. Zum Beispiel diese Möwe, die Alice anspricht und deren Sprache sie plötzlich versteht. Von diesem Moment an beginnt Alice ihre besondere Gabe zu entdecken: Sie kann nicht nur mit Tieren sprechen, sie verfügt auch über andere magische Kräfte und muss nun lernen, mit diesen Begabungen richtig umzugehen. Die Tiere bitten Alice um Hilfe. Sie werden in letzter Zeit vermehrt von Menschen bedroht, gefangen genommen oder verschwinden spurlos. Alice fühlt sich anfangs überfordert, tut aber alles in ihrer Macht Stehende, um das Schicksal der Tiere zu wenden. Sie braucht dazu all ihre magischen Fähigkeiten und ist auch darauf angewiesen, dass ihr Tim, Ottie und ein paar andere «wissende» Menschen zu Hilfe kommen.
Dass Menschen und Tiere miteinander reden und sich verwandeln können ist als Thema in der Kinderliteratur nicht neu. Was das vorliegende Buch von gängigen Titeln unterscheidet, ist die sorgfältige, bildhafte Sprache und die Komplexität der Figuren. Lesende sehen diese englische Privatschule vor sich, riechen den leicht säuerlichen Dunst im Speiseaal oder hören, wie die Möwe so verzweifelt um Hilfe bittet. Alice ist kein Mädchen, das man gleich ins Herz schliesst, sie hat durchaus ihre Ecken und Kanten, in die man sich aber mit jeder Seite besser einfühlen kann und sie bald lieb gewinnt. Die Geschichte bleibt bis zur letzten Seite spannend, weil sie in völlig unerwarteter Weise gut endet. Der Roman eignet sich gut zum Vorlesen und richtet sich an Kinder ab etwa 11 Jahren. 336 Seiten.

Emily Kenny: Die aussergewöhnlichen Abenteuer der Alice Tonks. Aus dem Englischen von Susanne. Hornfeck. dtv, Reihe Hanser 2024. ISBN: 978-3-423-64118-0

Rezension: Maria Riss

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