Enne Koens: Ich bin Vincent und ich habe keine Angst

Vincent ist elf Jahre alt und Vincent weiss alles zum Thema «Überleben in der Wildnis». Sein Survival-Buch kennt er in- und auswendig. Vincent ist ein guter Schüler. Vielleicht ist dies mit ein Grund, weshalb die Pausen und Schulwege für ihn immer schlimmer werden. Schier täglich wird er ausgelacht, beschimpft und geschlagen. Er macht grosse Umwege, versteckt sich in den Pausen hinter dem Fahrradständer und geht allen aus dem Weg. Wenn die Angst zu gross wird, spricht Vincent mit seinen imaginären Tieren. Das hilft, aber nur ein bisschen. Am liebsten wäre Vincent einfach unsichtbar. Und nun geht es ins Klassenlager und Dilan, der Schlimmste von allen, der grosse Anführer und Sprüchemacher, droht schon im Voraus: «Dort kriegen wir dich endlich, definitiv.» Schon in der ersten Nacht geht es los und Vincent sieht keine andere Möglichkeit mehr, als abzuhauen, so schnell und so weit er nur kann. Er weiss ja, wie man in der Wildnis überlebt und sein Survival-Kit trägt er immer bei sich. Auch wenn er im Wald friert und hungert, alles ist besser als bei dieser Klasse zu bleiben. Natürlich wird Vincent schon bald gesucht, von der Klasse, von der Polizei und von Helfern aus dem Dorf. Nach zwei Nächten im Wald wird Vincent gefunden. Es ist Jaqueline, die Neue in der Klasse, die sich an Vincent herangeschlichen hat. Jacqueline ist anders als die andern. Jacqueline hört zu und endlich bricht die ganze Wahrheit aus dem Jungen heraus. Dieses ungewöhnliche Mädchen ist es schliesslich auch, die ihn bei seiner Rückkehr begleitet und ihn auch dann nicht alleine lässt, als er den Eltern, Lehrern und auch der Polizei Rede und Antwort stehen muss. Vincent ist plötzlich nicht mehr allein und dieses Gefühl tut unwahrscheinlich gut.
Es geht in diesem Buch vordergründig das Durchhalten in der Wildnis, aber das eigentliche Thema ist klar das Überleben im Schulalltag. Mobbing und Anderssein, Mut und das Gefühl von Verlassenheit, davon erzählt Vincent in diesem Buch gleich selber. Er tut dies in einer so eindringlichen Sprache, dass Lesende ganz nah an das Innenleben des Protagonisten herankommen. Manchmal können gute Geschichten verdeutlichen, wie andere sich fühlen und man sieht Handlungsweisen plötzlich aus einer anderen und neuen Perspektive. Nicht nur deshalb, sondern auch der Spannung wegen, eignet sich dieses ergreifende und spannende Buch hervorragend zum Vorlesen an der Mittelstufe.

Enne Koens: Ich bin Vincent und ich habe keine Angst. Aus dem Niederländischen von Andrea Kluitmann, mit Bildern vom Maartje Kujper . Gerstenberg 2019. ISBN:978-3-8369-5679-6

Rezension: Maria Riss

 

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