Boaz geht in die vierte Klasse, die Schule macht ihm aber überhaupt keinen Spass. Erstens langweilt er sich, weil er für sein Alter viel zu viel weiss und kann und zweitens mag ihn niemand so richtig. Dies ist wohl mit ein Grund, weshalb sich Boaz ständig mit Indianern beschäftigt. Diese anderen Kulturen interessieren ihn über alle Massen, er hat bei Oma im Schuppen sogar ein richtiges kleines Indianermuseum eingerichtet. Und dann, eines morgens kommt Aisha neu in die Klasse. Aisha, die so wunderbar rehbraune Augen hat und sich neben Boaz setzt. Boaz weiss sofort, dass Aisha eine Indianerin ist, nur leider spricht sie in einer Sprache, die er nicht versteht. Boaz ist bald verliebt und dies über beide Ohren. Und als die beiden eine Projektarbeit über die Kultur der Maya miteinander angehen, fühlt sich Boaz zum ersten Mal seit langer Zeit glücklich. Er kann gut schreiben und Aisha kann ganz wunderbare Bilder malen. Aber dann kommt die Elternsprechstunde – alle Erwachsenen am Tisch sind sich einig: Boaz soll eine Klasse überspringen und zwar gleich nach den Ferien. Boaz ist verzweifelt, weil niemand ihm zuhört, weil alle zu wissen glauben, was gut für ihn ist. Er will um keinen Preis die Klasse wechseln. Aisha braucht ihn genauso wie er sie, er will mit ihr zusammen sein, am liebsten die ganze Zeit. Boaz weiss sich nicht anders zu helfen, als abzuhauen. Es wird eine schreckliche Nacht voller Angst weitab von daheim, aber durch sein Weglaufen bringt er Mama und Papa endlich zum Zuhören und Reden. Boaz darf in seiner Klasse bleiben! Und ganz zum Schluss überreicht ihm sein Papa sogar eine ganz spezielle, wunderschöne Indianerfeder mit einem Zettel dran: Für Boaz, weil er den Mut hat, für sein Glück zu kämpfen.
Erna Sassen hat ein literarisches Kinderbuch geschrieben, eine berührende Liebesgeschichte auch. Boaz ist ein eigenwilliger Junge, anders als die andern, aber er ist einer, der kämpft, auch wenn er für sein Ziel ganz viel Angst und Unsicherheit in Kauf nehmen muss. Der Text ist in einer einfachen und treffenden Sprache geschrieben. Man muss sich beim Lesen etwas Zeit lassen, um all die versteckten Botschaften und eindringliche Sätze mit eigenen Bildern zu füllen. Das Buch ist sehr kostbar ausgestattet, mit vielen kunstvollen Zeichnungen in der Art, wie man sie von der Mayakultur her kennt. Die wenigsten Kinder werden wohl von sich aus zu diesem Buch greifen, sie brauchen einen Erwachsenen, der ihnen die Schönheit von Text und Bild näherbringt. Dann aber werden sie sich mit Sicherheit sehr gut in Boaz hineinfühlen können und dem guten Ende entgegenfiebern. Ein eindrückliches Vorlesebuch für Kinder ab etwa 9 Jahren.

Erna Sassen: Ein Indianer wie du und ich.Freies Geistesleben 2019. ISBN: 978-3-7725-2864-4

Rezension: Maria Riss