Buch des Monats Juni 2020
Franz Orghandl: Der Katze ist es ganz egal
Der etwa 7-jährige Leo beschliesst eines Morgens, dass er ab sofort Jennifer heissen will. Leo mag Mädchensachen einfach viel lieber. Mama und Papa können diesen Entscheid absolut nicht nachvollziehen. Auch die Lehrerin gerät nach Leos Mitteilung etwas aus dem Konzept. Gott sei Dank hat Leo aber gute, aufgeklärte Freunde: Anna und Gabriel erklären der verdutzten Lehrerin wie auch den anderen Kindern in der Klasse, dass es vielen Menschen wie Leo gibt. Leo hat zwar einen Penis, er ist also vom Körper her ein Junge, aber in seinem Kopf, da fühlt er sich als Mädchen. Aber oft ist es einfach so wahnsinnig schwierig, Erwachsenen völlig einfache Dinge zu erklären. Mama und Papa haben Streit deswegen und Leo fühlt sich so alleine und auch ein bisschen schuldig, dass er am kommenden Tag die Schule schwänzt. Er geht heimlich mit zu Stella, einem Mädchen, das ähnlich tickt wie er, nur andersrum. Sie schenkt Leo sein erstes Kleid und ein Paar Ballerinas hält sie auch bereit. Jetzt ist Leo definitiv zu Jennifer geworden und nach Hause, da will (er) sie vorläufig unter keinen Umständen. Weil Leo wegbleibt, machen sich die Erwachsenen natürlich Sorgen und zwar so sehr, dass sie die Polizei alarmieren. Wenn die Angst bei Eltern ganz gross wird, dann begreifen sie plötzlich viel: Zum Beispiel, dass sie ihre Kinder über alles lieben und dass es absolut unwichtig ist, ob sie einen Jungen, der sich als Mädchen fühlt in die Arme schliessen (oder umgekehrt). Hauptsache, sie haben ihr geliebtes Kind wieder.
Oft werden Bücher geschrieben, deren Geschichten sich um ein wichtiges Thema drehen, die aber völlig konstruiert wirken. Dies ist beim vorliegenden Buch überhaupt nicht der Fall. Franz Orghandl erzählt in einer, mit vielen witzigen Wienerschmankerl geschmückten Sprache, eine spannende, völlig normale und glaubhafte Kindergeschichte. Er trifft den richtigen Ton und ist an keiner Stelle moralisierend. Kinder sind manchmal klüger als Erwachsene, das ist schlicht eine Tatsache. Daneben geht es in der Geschichte um zentral menschliche Themen wie Freundschaft, um das Gefühl ausgeschlossen zu werden, um Toleranz und gegenseitigen Respekt. Der Text liefert natürlich auch viel Gesprächsstoff, darüber beispielsweise, was Transgender bedeutet und was wir als «normal» empfinden. Ein Lese- und vor allem Vorlesebuch für Kinder ab etwa 8 Jahren.
Franz Orghandl: Der Katze ist es ganz egal. Klett Kinderbuch 2020. ISBN: 978-3-95470-231-2
Rezension: Maria Riss