Herbert Günther: Seit gestern ist Frieden
Die Geschichte spielt im November 1945 in einem kleinen Dorf in Deutschland. Der Krieg ist vorbei, aber die Welt ist noch nicht wieder in ihren Fugen. Dies spürt die vierzehnjährige Hanne täglich. Ihre Familie lebte den Krieg über auf dem Bauernhof ihres Onkels und vom wirklichen Kriegsgeschehen hat Hanne nicht so viel mitbekommen. Umso mehr treffen sie jetzt all die schlimmen Erzählungen und die Wahrheit über das Regime der Nazis. Sie selbst kann sich ja auch nicht erklären, weshalb sie sich dermassen täuschen liess in den letzten Jahren. Sie hat sich an den BDM Heimabenden so amüsiert und mitreissen lassen. Im Dorf gibt es viele alte Nazis und einige davon können auch jetzt noch ihren Hass gegen alles Fremde nicht zügeln. Es gibt Schlägereien und einige aus der Dorfgemeinschaft zerbrechen daran, dass sie nicht mehr die Anführer sind, dass alles, wofür sie gekämpft haben, nun zerstört ist. Hanne ist ein kluges und vor allem auch mutiges Mädchen und stellt sich der neuen Zeit. Bald zieht sie in die Stadt, um an die Oberschule zu wechseln. Wenn man Bescheid weiss, läuft man viel weniger Gefahr, blindlings irgendwelchen Parolen zu gehorchen und Leuten hinterherzulaufen. Es ist gut, dass ihre Tante ihr zur Seite steht und noch viel besser, dass sie in der Stadt auf Gunnar trifft, mit dem sie all das, was sie belastet, besprechen kann. Von Gunnar bekommt sie auch ihren ersten Kuss und das ist eine ganz wunderbare neue Erfahrung.
Kann man so schnell seine Gesinnung ändern? Wie kommt man damit zurecht, dass man lange einfach weggeschaut hat? Ist man ein Fähnchen im Wind, wenn man plötzlich seine Gesinnung ändert? Weshalb kann man sich so täuschen lassen und einfach alles glauben, was erzählt wird? All diese Fragen beschäftigen Hanne und sie versteht es wunderbar, Leserinnen und Leser an all diesen Gedanken teilhaben zu lassen. Herbert Günther hat einen berührenden und spannenden Roman geschrieben. So wird Geschichte erlebbar und man schafft damit auch, weil all diese Fragen ja nach wie vor aktuell sind, einen unmittelbaren Bezug zur Gegenwart und zu eigenen Erfahrungen. Für Jugendliche ab etwa 13 Jahren.
Herbert Günther: Seit gestern ist Frieden. Gerstenberg 2018. ISBN: 978-3-8369-5661-1
Rezension: Maria Riss