Jenny Valentine: Ich bin Joy
Die 10-jährige Joy war mit ihrer Familie bis anhin ständig auf Achse. «Wir sind Weltenbürger», sagte Mama immer. Aber nun sind sie in England gestrandet. Weil Grossvater alleine ist, und weil er dringend Hilfe braucht. Alles ist grau hier, langweilig, öde, das ganze Leben ist strengstens geregelt und nichts bleibt dem Zufall überlassen. Und Grossvater? Der scheint sich gar nicht zu freuen, eher im Gegenteil, er sitzt griesgrämig am Tisch, brummelt vor sich hin und ist dauernd schlechter Laune. Eben noch auf Sansibar am Strand, hockt die ganze Familie jetzt im Nebel Englands. Als die Schule beginnt, wird alles noch schlimmer. Joy ist eine Aussenseiterin, von Anfang an. Sie wird von der Lehrerin ständig ausgeschimpft, weil Joy sich zwar Mühe gibt, aber solch starren Unterricht ganz einfach nicht gewohnt ist. Im Schulhof steht eine uralte Eiche, in deren Ästen zieht sich Joy während der Pausen jeweils zurück. Klettern, das konnte sie schon immer gut und hier oben hat sie wenigstens ihre Ruhe. Auf die Dauer kann das aber nicht so weitergehen. Da ist es gut, dass Joy eine aussergewöhnliche Begabung hat: Sie glaubt an Silberstreifen am Horizont. Sie ist überzeugt davon, dass irgendwann alles gut kommen wird, und zwar nicht mit Magie, sondern indem man etwas verändert. So sorgt sie daheim dafür, dass Grossvater langsam etwas auftaut, sie spielt Spiele mit ihm, interessiert sich für seine Vergangenheit und erzählt ihm von den unterschiedlichen Welten, in denen sie bisher gelebt hat. Als in der Schule geplant wird, die alte Eiche für einen Neubau zu fällen, da setzt Joy alles in Bewegung, um den Baum zu retten. Ihr grosser, nicht ganz gewöhnlicher Einsatz versetzt ihre Klasse ins Staunen und es dauert nicht mehr lange, bis Joy zumindest einen neuen guten Freund gefunden hat.
Joy gewinnt man beim Lesen lieb, und dies von der ersten Seite an. Auch Joy findet England zu Beginn schrecklich, sie gibt aber nicht auf und verschliesst sich im eigenen Kummer. Sie unternimmt etwas, denn sie weiss, dass man dem Glück oft ein bisschen auf die Sprünge helfen muss. Wundervoll ist es der Autorin gelungen, die Atmosphäre und die unterschiedlichen Charaktere der Figuren in Worte zu fassen. Man sieht den alten, missgelaunten Grossvater vor sich sitzen und kann sich die kleinen, ordentlich aneinandergereihten Backsteinhäuser mit den überall gleichen Vorgärten deutlich vorstellen. Joys Unternehmungen nachzulesen macht nicht nur grossen Spass, auch die Botschaft der jungen Heldin sollte man sich ab und zu wieder hinter die Ohren schreiben. Das Buch eignet sich hervorragend zum Vorlesen. Für Kinder in Joys Alter (10J). Weitere Bände sind geplant.
Jenny Valentine: Ich bin Joy. Aus dem Englischen von Anu Stohner. dtv, Reihe Hanser 2022. ISBN: 978-3-423-64094-7
Rezension: Maria Riss