John Boyne: Der Junge auf dem Berg
Die ersten Jahre seiner Kindheit waren wunderschön. Pierrot lebte mit seiner Mutter in Paris, in der Nähe des Montmartre. Sein Vater, ein deutscher Soldat, hat sich das Leben genommen, weil er mit den Erinnerungen an den letzten Krieg nicht zurechtkam. Pierrot hatte einen Freund, Anshel, ein Judenjunge, der ganz wunderbare Geschichten schreiben konnte. Die beiden verbringen viel Zeit miteinander. Als Pierrots Mutter an einer Lungenerkrankung stirbt, ist er gerade mal sechs Jahre alt. Er kommt zu seiner Tante Beatrix in die Nähe von Salzburg. Es ist gut, dass Pierrot zweisprachig aufgewachsen ist, so kann er sich problemlos auch auf Deutsch verständigen. Tante Beatrix ist Haushälterin auf einem Berghof, der Adolf Hitler gehört. Schon bald ist Pierrot, den hier alle ab sofort Peter nennen, von den vielen Uniformen und der Person des Führers absolut fasziniert. Endlich ein starker Mann, einer der sich durchsetzt, einer der gar schon ein Buch geschrieben hat. Auch Adolf Hitler scheint den kleinen Buben zu mögen, er verbringt immer wieder Zeit mit ihm, erklärt ihm die geschichtlichen Zusammenhänge und die Demütigungen, die das Deutsche Reich nach dem Krieg erleben musste. Der Führer spricht von der Judenplage und vom kommenden grossen Sieg. Als er Peter eines Tages eine Uniform der Hitlerjugend schenkt, ist es um den Jungen endgültig geschehen. Für seinen Führer würde er durchs Feuer gehen und wäre zu allem bereit. Auch zum Verrat an jenen Menschen, die er geliebt hat, die ihm früher sehr wichtig waren. Peter bleibt auf dem Berghof, auch dann, als der Führer sich in Berlin das Leben nimmt. Schliesslich kommen amerikanische Soldaten und nehmen ihn gefangen. Im Epilog erfahren Leserinnen und Leser, was später aus Peter wurde, wie er nie mehr ganz in ein normales Leben zurückfindet. Wie er aber durch einen glücklichen Zufall seinen alten Freund Anshel wieder trifft. Erst Anshel kann Peter erzählen, was er in den Jahren auf dem Berghof erlebt hat, wie er sich schuldig gemacht hat und wie er an dieser Schuld schier zerbricht. Es war schon früher so, wenn Peter oder eben damals Pierrot eine Geschichte erzählte, war es Anshel, der sie zu Papier brachte.
Wie schon in seinem ersten Buch «Der Junge im gestreiften Pyjama» zu diesem schrecklichen Teil deutscher Geschichte schreibt der Autor die Geschichte durchwegs aus der Perspektive eines Jungen. Und das geht unter die Haut. Als Leserin oder Leser kann man die Gedanken, die Entwicklung des Jungen, seinen Wandel der Werte ganz nah miterleben und zumindest stellenweise kann man dies gar verstehen. Zu Beginn der Lektüre schliesst man den kleinen Pierrot sofort ins Herz. Mit jedem Tag, den er auf dem Berghof verbringt, wird er einem fremder. Hitler hat diesen Jungen verführt, dies in einer solchen Geschichte nachzulesen, das ist sehr eindrücklich und lässt einen lange nicht mehr los. Ein überaus beeindruckender Roman für Jugendliche und Erwachsene.
John Boyne: Der Junge auf dem Berg. Fischer 2017. Aus dem Englischen von Ilse Layer. ISBN: 978-3-7373-4062-5
Rezension: Maria Riss