Julya Rabinowich: Hinter Glas
Alice ist etwa 16 Jahre alt, als sie mit ihrem alten, überbehüteten Leben Schluss macht. Sie hat genug von den ewigen Lügen daheim, vom Wegsehen, vom Verschweigen, von der Angst und der schrecklichen Tyrannei ihres Grossvaters. Viel zu lang hat sie weggesehen, sich geduckt und angepasst. Jetzt gibt es Niko, der ein so völlig anderes Leben lebt, der geniesst, der jeden Tag nach dem andern nimmt, wie es scheint sorgenfrei und immer auf Trab. Alice und Niko werden ein Paar, ziehen in eine WG und leben von der Hand in den Mund. Die beiden erleben einen einmaligen, wunderbaren Sommer. Doch dann wird es Herbst. Nicht alles ist mehr azurblau, düstere Wolken ziehen auf. Auch in der Beziehung zu Niko. Alice entdeckt Seiten an ihm, mit denen sie nicht umgehen kann und will. Zu oft verliert Niko die Beherrschung, zu oft hat sie in letzter Zeit gar Angst vor ihm. Es wird Zeit, endlich der Wahrheit ins Gesicht zu sehen. Alice braucht all ihren Mut, um sich nicht nur von Niko zu trennen, sondern auch ihren Eltern gegenüber endlich den Mund aufzumachen und Wahrheiten einzufordern. Als Alice mit dieser unerschrockenen, ehrlichen Art ihren Eltern gegenübertritt, wird endlich ein richtiges Gespräch möglich. Dies hat den Bruch mit dem herrischen Grossvater zur Folge, aber es ist gleichzeitig auch ein hoffnungsvoller Neuanfang für die ganze Familie.
Dieses Buch ist ein wunderbares Beispiel dafür, dass die Grenzen zwischen dem, was für Jugendliche geschrieben wurde und der sogenannten Erwachsenenliteratur verwischt sind. Julya Rabinowich hat ein wunderbares, poetisches und zugleich spannenden Buch geschrieben. Anspruchsvoll zwar, aber umso eindringlicher erzählt sie das Erwachsenwerden von Alice: Ihr Suchen nach dem, was sie selber will, ihr unbändiger Drang nach Ehrlichkeit, nach wirklich lebendigen Beziehungen, damit die ständige Angst verschwindet und gegenseitiges Vertrauen möglich wird. «Hinter Glas» sei Jugendlichen und Erwachsenen gleichermassen wärmstens empfohlen.
Julya Rabinowich: Hinter Glas.Hanser 2019. ISBN: 978-344-626218-8
Rezension: Maria Riss