Kenneth Oppel: Das Nest
Steve hat es schwer zurzeit. Sein neugeborener Bruder ist schwer krank. Alles dreht sich nur darum, ob das Baby überleben wird. Seine Eltern sind mit dem Kleinen dauernd im Spital. Eines Nachmittags wird Steve von einer Wespe gestochen, er hat panische Angst vor diesen Viechern – und in der folgenden Nacht beginnen seine Träume. Zuerst glaubt Steve einem Engel zu begegnen, er sieht Flügel und riesengrosse Augen. Erst langsam begreift er, dass eine Riesenwespe neben seinem Bett steht und ihm ihre Hilfe anbietet: «Wir können dir einen neuen Bruder machen, einen gesunden Bruder. Wir haben nach dem Stich deine DNA, ihr werdet nichts davon merken.» Zuerst ist Steve einverstanden, er wünscht sich ja nichts sehnlicher, als dass sein kleines Brüderchen gesund ist. Jede Nacht wird Steve nun von der Wespenkönigin besucht, immer grösser wird die Larve im Wespennest. Allmählich wird Steve klar, dass die Wespen seinen Bruder austauschen werden. Dass zwar ein gesundes, perfektes Kind in der Wiege liegen wird, es aber ein von Wespen gezüchtetes Baby sein wird.
Das Ganze wird immer mehr zu einem riesengrossen Albtraum. Zumal Steve tagsüber das riesengrosse Wespennest unter dem Dach entdeckt und immer mehr Wespen ums Haus schwirren. Vor lauter Sorge um das Baby kümmern sich seine Eltern aber nicht darum. Im allerletzten Moment erst kann Steve die Katastrophe abwenden. Er geht dabei aber auch an die Grenzen seiner selbst und bringt sich in allerhöchste Gefahr.
Kenneth Oppel hat einen ganz fantastischen Psychothriller geschrieben. Der Roman lebt vor allem davon, dass der Autor die reale Welt und die Welt der Albträume so geschickt verwebt, dass man die beiden als Leserin oder Leser kaum mehr unterscheiden kann. Geglückt ist dem Autor auch die Beschreibung und Entwicklung des Protagonisten. Steve war und ist im Grunde ein sehr ängstlicher Junge, der schon immer mit Phobien und Zwängen kämpfen musste. Im Gefecht gegen die Wespen, um den kleinen Bruder zu retten, wächst er über sich selber hinaus, bezwingt seine Furcht und befreit in gewisser Weise auch sich selber. Keneth Oppel, berühmt für seine Fantasy Romane, ist mit diesem Roman ein kleines Meisterwerk geglückt. Die bedrohliche Stimmung wird von den vielen fantastischen schwarzweissen Bildern zusätzlich unterstützt. Für Jugendliche.
Kenneth Oppel: Das Nest. Aus dem Amerikanischen von Jessika Komina und Sandra Knuffinke. Mit Illustrationen von Jon Klassen. Dressler 2016. ISBN: 978-3-7915-0005-8
Rezension: Maria Riss