Linde Hagerup: Ein Bruder zu viel.
Wie wäre es wohl, wenn man auf einmal sein Zimmer mit einem fremden Kind teilen muss? Wenn die Eltern sich plötzlich mehr für jemand anderen interessieren als für einen selbst? Wenn auf einmal die ganze Familie ein völlig anderes Leben lebt? Was für viele unvorstellbar klingen mag, wird für die 9-jährige Sara Alltag. Als die beste Freundin ihrer Mutter stirbt, nimmt Saras Familie deren kleinen Sohn Steinar bei sich auf. Der Rest der Familie scheint damit auch gar keine weiteren Probleme zu haben, im Gegenteil, es sieht so aus, als würden alle prima mit dem Neuankömmling klarkommen. Nur Sara nicht, sie kann ihren neuen kleinen Bruder ganz und gar nicht ausstehen. Dies heimst ihr aber ganz schön viele Probleme ein, woraufhin sie beschliesst, dass sie zu einer anderen Person werden muss. Vielleicht kann sie so diesen kleinen, nervigen Steinar besser verstehen. Sie schneidet sich ihre Haare kurz, trägt nur noch Jungenklamotten und nennt sich Alfred. Alfred kann plötzlich alles, was Sara nicht kann. Er ist nett zu Steinar, spielt mit ihm und kümmert sich um ihn. Alfred will der beste grosse Bruder der Welt sein. Es ist gut, dass Saras Eltern sehr feinfühlig und verständnisvoll reagieren. Sie akzeptieren den Rollenwechsel ihrer Tochter, zeigen ihr aber gleichzeitig auch, wie sehr sie ihre Tochter Sara vermissen. Auf diese Weise findet Sara ganz langsam zurück zu ihrem eigentlichen Platz in der Familie.
Die Norwegerin Linde Hagerup bringt das Innenleben und die Gedankengänge der 9-jährigen Sara mit viel Einfühlungsvermögen zu Papier. Die Sprache ist knapp und auf den Punkt gebracht, ohne Ausschweifungen oder Schnörkeleien, und unterstützt von vielen Illustrationen. Die Geschichte ist emotional und berührend aus der Ich-Perspektive von Sara geschrieben. Das Buch wirft Fragen und Anregungen zu wichtigen Themen wie «Akzeptanz» und «Toleranz» auf und macht deutlich, dass auch bei Eltern, die alles richtig machen wollen, einiges schiefgehen kann. Für Kinder ab etwa 9 Jahren.
Linde Hagerup: Ein Bruder zu viel. Aus dem Norwegischen von Gabriele Haefs. Gerstenberg 2019. ISBN: 978-3-8369-5678-9
Rezension: Emina Flückiger