Literale Resilienz (2005-2008)
Das Forschungsprojekt im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramm 56 des Schweizerischen Nationalfonds interessierte sich für die Faktoren von literaler Resilienz, für die Gründe also, aus denen bestimmte Jugendliche auch angesichts einer als schlecht beurteilten Ausgangslage und geringer Erfolgswahrscheinlichkeit gute Leistungen in Lesen und Schreiben erzielen können. Die Erhebungen, Tests und Interviews haben vorerst einmal deutlich gemacht, dass die Risikogruppe sehr heterogen zusammengesetzt ist, wobei sie sich nach Geschlecht und Migrationsstatus klassifizieren lässt. So zeichnen sich resiliente Mädchen deutscher Muttersprache durch eine starke Orientierung an schulischen Erfolgskriterien aus, während bei ihren zugewanderten Kolleginnen die Zuweisung an einen anforderungsreichen Schultyp mit Abstand der wichtigste Prädiktor für den Erfolg im Lesen ist. Die Gruppe mit dem schwersten Risiko bilden die mehrsprachigen Jungen mit tiefem Sozialstatus; wenn sich bei ihnen Resilienz feststellen lässt (was höchst selten der Fall ist), so sind die Faktoren eigentlich vollständig ausserschulischer Natur.
Die Bemühungen der Lehrpersonen, das Fähigkeitsselbstkonzept der Jugendlichen im Bereich Literalität zu stärken, scheitern insbesondere bei sozial schwächeren Jugendlichen; diese verstehen sich einfach nicht als Lesende oder als Schreibende. Ausserschulische Faktoren für Resilienz finden sich insbesondere in den Familien. Denn wenn dort Lesen und Schreiben selbstverständliche Tätigkeiten sind, so eignen sich diese auch die Kinder an. In diesem Zusammenhang hat sich insbesondere auch herausgestellt, dass Zugehörigkeit zu einer niedrigen Sozialschicht nicht gleichzusetzen ist mit Bildungsferne. Der wohl bedeutendste Faktor für literale Resilienz scheint aber mit der Frage zusammenzuhängen, ob in der alltäglichen Lebenswelt der Jugendlichen dem Geschriebenen konkrete Funktionen zukommen oder nicht.
Projektteam
- Hansjakob Schneider
- Andrea Bertschi-Kaufmann
- Annelies Häcki Buhofer
- Wassilis Kassis
- Winfried Kronig
- Christine Beckert
- Ursula Stalder
- Esther Wiesner
Publikationen (Auswahl)
- Häcki Buhofer, Annelies; Schneider, Hansjakob & Beckert, Christine (2007). Mehrsprachige Jugendliche im Dialekt und Hochsprache in der Deutschen Schweiz. In: Linguistik online 32/3, S. 49–70.
- Schneider, Hansjakob (2009). Soziale Heterogenität und Leseleistung – wenn Schriftaneignung trotzdem gelingt. In: Grunder, Hans-Ulrich & Gut, Adolf. Zum Umgang mit Heterogenität in der Schule, 67–81. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren.
- Schneider, Hansjakob (2010). Literale Sozialisation von Jugendlichen aus schriftfernen Lebenswelten – wenn Schriftaneignung trotzdem gelingt. In: Sturm, Afra (Hrsg). Literales Lernen von Erwachsenen im Kontext neuer Technologien, 235–43. Münster: Waxmann.
- Schneider, Hansjakob (Hrsg.) (2011). Wenn Schriftaneignung (trotzdem) gelingt. Literale Sozialisation und Sinnerfahrung. Lesesozialisation und Medien. Weinheim: Juventa.
- Schneider, Hansjakob & Andrea Bertschi-Kaufmann (2006). Wenn Schriftaneignung trotzdem gelingt – Ein Forschungsprojekt zur literalen Resilienz. Leseforum Schweiz, 15, 8–11.
- Schneider, Hansjakob; Bertschi-Kaufmann, Andrea; Häcki Buhofer, Annelies; Kassis, Wassilis; Kronig, Winfried; Beckert, Christine; Studer, Ursula & Wiesner, Esther (2009). Die erfolgreiche literale Entwicklung von risikobehafteten Jugendlichen – motivationale Aspekte. In: Bulletin Suisse de Linguistique Appliquée, 89, S. 65–97.
- Schneider, Hansjakob; Häcki Buhofer, Annelies; Bertschi-Kaufmann, Andrea; Kassis, Wassilis & Kronig, Winfried. Literale Kompetenzen und literale Sozialisation von Jugendlichen aus schriftfernen Lebenswelten – Faktoren der Resilienz oder: Wenn Schriftaneignung trotzdem gelingt: Schlussbericht. Bern: Schweizerischer Nationalfonds, Nationales Forschungsprogramm «Sprachenvielfalt und Sprachkompetenz in der Schweiz», o. J., 17 S. PDF