Louie Stowell: Loki
Er kann es kaum fassen: Er, Loki, der grandioseste aller Götter, befindet sich auf der Erde statt in den göttlichen Gefilden Asgards und zudem im schwächlichen Körper eines elfjährigen Jungen. Alles nur wegen eines kleinen, harmlosen Scherzes – die Götter in Asgard verstehen echt keinen Spass! Nun lebt Loki bzw. Liam – wie er als Erdenjunge heisst – in einem kleinen Haus zusammen mit dem Wächtergott Heimdall und der Riesin Hyrrokkin als seine Eltern. Der Gott Thor, der auch auf die Erde geschickt wurde, spielt Lokis Bruder. Zu Lokis Leidwesen muss er Odin, dem obersten aller Götter, zeigen, dass er sich bessern kann und dass er Asgards würdig ist. Dazu schreibt er jeden Abend seine Taten in ein magisches Tagebuch, das ihm automatisch seinen «Tugend-Score» ausrechnet. Gelingt es ihm, auf genügend Tugend-Punkte zu kommen, kann er sein grässliches Schicksal abwenden – gelingt es ihm nicht, dann wird er für alle Ewigkeit in ein dunkles Verliess mit einer riesigen, giftigen Schlange eingesperrt. Eines darf Loki unter gar keinen Umständen tun: Er darf keinem Menschen seine wahren, göttlichen Kräfte offenbaren – sonst ist ihm die sofortige und ewige Verdammnis im Schlangenverliess gewiss. Gutes zu tun, liegt Loki – dem heimtückischen Gott der Lügen und Schwindeleien – nun wirklich nicht im Blut. So sackt Lokis Tugend-Score schon bald in schwindelerregende Tiefen, als er versucht, seinen verhassten Quasi-Bruder Thor an die Frostriesen zu verraten. Die Frostriesen, dieses hinterhältige Pack, verschleppen jedoch nicht nur Thor, sondern gleich auch noch Loki. Zum Glück werden die zwei von Valerie, einer Mitschülerin, gerettet. Ganz entgegen seiner Natur beginnt Loki zudem, freundschaftliche Gefühle für Valerie zu entwickeln und erlebt zum ersten Mal, wie schlecht es sich anfühlt, wenn man die Gefühle einer Freundin verletzt. Bis fast zum Schluss des Buches liegt Lokis Tugend-Score in unterirdischen Tiefen und es scheint unmöglich, dass Loki sein Schicksal noch abwenden kann. Dass es ihm dann doch noch gelingt, liegt natürlich auf der Hand. Wie es aber so weit kommt, ist doch eher überraschend. Loki von Louie Stowell erinnert in seiner Aufmachung mit den comichaften Zeichnungen von Ulf K., der Tagebuchform und dem eher unflätigen Protagonisten etwas an Gregs Tagebuch. Das Buch beinhaltet aber – im Gegensatz zu Gregs Tagebuch – durchaus auch eine sprachliche Gestaltung und gewisse Literarizität. Zudem erfährt man nebenbei so einiges über die nordischen Götterwelt. Die Geschichte ist witzig, zuweilen auch ziemlich ironisch bis bissig. Sowohl menschliche Verhaltensweisen und Gewohnheiten als auch die Schule kommen teilweise ziemlich schlecht weg. Vor allem ersteres wird jedoch in wirklich lustigen Episoden beschrieben. Dass der unflätige Loki zum Schluss die oberste aller Regeln bricht, um damit Valerie zu retten, gibt dem Buch ein versöhnliches Ende. Das Buch eignet sich für alle ab ca. 10 Jahren, die ein etwas anspruchsvolleres Buch im Stil von Gregs Tagebuch lesen möchten.
Louie Stowell: Loki. Wie man als schlechter Gott ein guter Mensch wird (oder auch nicht). Mit Zeichnungen von Ulf K. Aus dem Englischen von André Mumot. Hanser: 2023.
ISBN: 978-3-446-27429-7
Rezension: Sara Grunauer