Martin Muser: Weil.
Fünf eher wohlbehütete Jugendliche sind auf der Fahrt in ein Wochenendhaus, sie wollen dort gemeinsam lernen. Vor allem für die Fächer Philosophie und Ethik. Unterwegs nehmen sie einen Anhalter mit, der sich aber so nervig benimmt, dass sie ihn beim nächsten Tanken einfach stehen lassen. Seine Tasche bleibt aber im Wagen liegen und weil sich nichts Wertvolles darin befindet, schmeissen die Jugendlichen die alte Tasche kurzerhand aus dem Fenster. Endlich am Ziel, geniesst die Truppe erstmal die Ruhe und beginnt danach mit dem Lernen. Der Frieden dauert allerdings nicht lange. Es klopft an der Tür und draussen steht dieser Anhalter in Begleitung von zwei ziemlich furchteinflössenden Typen. Die drei legen gleich mit Beschimpfungen und Hasstiraden los und bedrohen die Jugendlichen mit einem Schraubenschlüssel. Vor allem Henk, der Bruder des Anhalters, ist nicht nur äusserst brutal, er ist offensichtlich auch nicht auf den Kopf gefallen. Er konfrontiert die Jugendlichen mit moralischen Fragen wie etwa dem Unterschied zwischen Recht und Gerechtigkeit, er provoziert und verhöhnt die heilen, gutbürgerlichen Verhältnisse, aus denen seine Opfer stammen. Er weiss ziemlich viel über Ethik und Philosophie, schnappt sich die Notizen der Gruppe und konfrontiert die Jugendlichen mit grundlegenden Ansichten und Fragen. Er verdreht Aussagen, provoziert und verwendet sie als Rechtfertigung für sein aggressives Tun. Henk geniesst seine Macht, blüht auf, wenn er die seiner Gewalt ausgelieferten Jugendlichen erniedrigen und quälen kann. Er verlangt absoluten Gehorsam, duldet keinen Wiederspruch. Für ihn ist das alles eine besondere Art von Spiel. Und auf die Frage, warum er das alles mache, weiss er keine Antwort, ausser: Weil…». Das Ganze eskaliert, bald ist ein Gewehr im Spiel. Alle fünf Jugendlichen müssen zwischen dem eigenen Überleben und dem Wohl der andern entscheiden. Obwohl sie alle am Schluss überleben, werden sie nie mehr so sein, wie sie vor diesem albtraumartigen Überfall waren.
Ganz harmlos fängt diese Geschichte an. Mit jeder Seite steigt der Sog der Spannung und zieht Lesende völlig in ihren Bann. Es ist nicht nur die stetig anschwellende Spannung, die beklemmende Atmosphäre, es sind auch die vielen ethischen Entscheide, welche die Jugendlichen treffen müssen. Das Buch greift Kants Thesen zum Bösen auf, es handelt aber auch davon, wie weit man geht, um mit dem eigenen Le-ben davonzukommen. Im Nachwort schreibt der Autor «Dieses Buch ist die Geschichte meiner Angst.» Es sind Ängste, die wir alle kennen und auf welche uns die Antworten fehlen: Die Angst vor dem Bösen schlechthin, die Angst nicht genug couragiert zu sein, die Angst vor dem Ausgeliefertsein. Eine Lektüre, die unter die Haut geht für Jugendliche und Erwachsene.
Martin Muser: Weil. Carlsen 2023. ISBN: 978-3-551-58493-9
Rezension: Maria Riss