Bedingungen eines motivierenden Schreibunterrichts
Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit Schreibmotivation gefördert und längerfristig aufrecht erhalten werden kann? Studien zur Schreibmotivation wie diejenige von Bruning und Horn (2000) haben gezeigt, dass vor allem die folgenden vier Bedingungen für einen motivierenden Schreibunterricht entscheidend sind.
von Julienne Furger
Dass Motivation fürs Schreiben von grosser Bedeutung ist, ist in der Schreibforschung seit Jahren unbestritten und Lehrpersonen aus der Praxis bestens bekannt. und es ist auch kein Geheimnis, dass die Schreibmotivation im Laufe der Schulzeit abnimmt, wie verschiedene empirische Studien gezeigt haben (vgl. exemplarisch Boscolo 2009). Die Gründe für die Abnahme der Motivation sind vielfältig und die Klagen darüber zahlreich. Doch welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit Schreibmotivation gefördert und längerfristig aufrecht erhalten werden kann? Studien zur Schreibmotivation wie diejenige von Bruning und Horn (2000) haben gezeigt, dass vor allem die folgenden vier Bedingungen für einen motivierenden Schreibunterricht entscheidend sind:
Schreiben als funktional sinnvoll vermitteln
Jedes Schreiben im Alltag hat eine Funktion: Wir schreiben Briefe und E-Mails an Freunde und Geschäftspartnerinnen, um diese zu informieren. Wir schreiben Geschichten und Reportagen, um andere zu unterhalten und selbst wenn wir Einkaufszettel schreiben oder unsere Erlebnisse dem Tagebuch anvertrauen, dann schreiben wir für jemanden: für uns selbst. unser Schreiben hat eine Funktion und ist in eine kommunikative Situation eingebettet.
Im schulischen Kontext kann diese reale Funktion oftmals nur mittels inszenierter Schreibumgebungen simuliert werden, weil es in der Schule nicht so viele echte Schreibsituationen gibt, wie zu Förderung und Ausbau der Schreibkompetenzen erforderlich wären. Diese Einschränkung setzt eine qualitativ hochwertige Inszenierung der schulischen Schreibumgebung voraus. Das schulische Schreiben muss also bewusst gestaltet werden, damit die Schülerinnen und Schüler auch in der Schule Schreiben als kommunikative, situierte Handlung erfahren können. Denn Schreibmotivation baut sich erst auf, wenn eine Situation das Verfassen eines Textes erfordert und dem Schreiber / der Schreiberin bekannt ist, dass das Handeln zu einem Ergebnis und zu Folgen führt, die für die schreibende Person selbst bedeutsam sind (Baurmann 1998).
Voraussetzung hierfür ist, dass die Schülerinnen und Schüler die Funktionen und Folgen ihres Schreibens überhaupt erkennen und auch erfahren. Hierzu können kommunikative Bedürfnisse der Klasse genutzt werden wie z.B. beim Verfassen von Briefen an eine Partnerklasse oder bei einer fiktiven Korrespondenz mit einer literarischen Figur.
Zudem macht erst die Gewissheit, dass Texte gelesen werden, das Schreiben sinnvoll und attraktiv. Dabei ist es von hoher Bedeutung, dass die Texte von einer grösseren Leserschaft als einzig der Lehrperson gelesen werden (z.B. (Vor-) Leserunde in der Klasse, eine öffentliche Lesung durchführen, die Texte in einer Schülerzeitung veröffentlichen etc.).
Interessante und abwechslungsreiche Schreibaufgaben stellen
Das Interesse hat einen grossen Einfluss auf die Schreibmotivation einer Person, denn Interesse ist ein Bedingungsfaktor für Motivation, eine spezielle (inhaltliche) motivationale Orientierung.
In der pädagogisch-psychologischen Konzeption von Interesse werden zwei Zustände unterschieden: Das situationale Interesse und das individuelle Interesse (Krapp 1992). In der Schule wird das situationale Interesse durch die Beschaffenheit der (Lern-) Umgebung initiiert. Es handelt sich also um eine didaktisch erzeugte Aufmerksamkeit für einen Gegenstand, wobei sich der Gegenstand auch auf bestimmte Handlungen wie beispielsweise «Texte schreiben» beziehen kann. Für dieses situationale Interesse ist zunächst kein individuelles Interesse notwendig, welches als gegenstandsbezogene motivationale Eigenschaft zu verstehen ist, die im Unterschied zum situationalen Interesse zeit- und situationsübergreifend ist, also über einen längeren Zeitraum anhält. Aus einem situationalen Interesse kann sich jedoch ein individuelles Interesse entwickeln. Es ist also durchaus möglich, mittels anregender Schreibaufgaben das Interesse für neue Themen zu wecken. Aber thematisches Interesse bedeutet nicht zwingend, dass Schülerinnen und Schüler auch motiviert sind, zu einem Thema zu schreiben (Boscolo 2007). Wichtiger als das Thema der Schreibaufgabe ist eine Schreibumgebung, die auch einen gewissen Spielraum für Variationen zulässt.
Erfolgszuversicht beim Schreiben stärken
Ein motivierender Schreibunterricht sollte bei den Schülerinnen und Schülern ‚Erfolgszuversicht’ wecken und die Selbstwirksamkeitserwartung stärken. Selbstwirksamkeit meint die individuelle Überzeugung, dass man in einer bestimmten Situation die angemessene Leistung erbringen kann und dass das eigene Verhalten Konsequenzen hat und zum Ziel führt.
Selbstwirksamkeit kann gestärkt werden, indem Strategien vermittelt und Fortschritte darauf zurückgeführt werden. Einen grossen Einfluss auf die Ausbildung von Selbstwirksamkeit haben konstruktive Feedbacks von Lehrpersonen und Gleichaltrigen; diese stärken die Erfolgszuversicht und Motivation erheblich. Am besten werden Rückmeldungen nicht nur zum Endprodukt gegeben, sondern bereits während dem Schreibprozess, damit die Schülerinnen und Schüler zu einem positiven (Selbst-)Konzept als Schreibende gelangen können. Hierfür müssen sie in ihrem gesamten Schreibprozess begleitet und methodisch angeleitet werden, und zwar von der Ideenfindung bis zum inhaltlichen und sprachformalen Überarbeiten.
Wichtig ist auch zu beachten, dass die einzelnen Schülerinnen und Schüler unterschiedliche Schreibstrategien bevorzugen. Sie wählen verschiedene, individuelle Schreibwege, um ans Ziel zu gelangen: Die einen beginnen sofort mit dem Schreiben und ändern laufend ihre Fassungen, andere planen ihren Text so genau, dass sie eine fast fertige Fassung zu Papier bringen. Deshalb ist es sinnvoll, bei der Aufgabenstellung verschiedene methodische Arrangements zur Verfügung zu stellen (z.B. mehr oder weniger Orientierung anVorgaben (vgl. hierzu den Artikel von Claudia Schmellentin in diesem Heft), Ideenaustausch, gemeinsam Geschichten weiterdenken, Textlupe etc.), sodass die Schülerinnen und Schüler selbstbestimmt herausfinden können, welcher Weg für sie zum Erfolg führt.
Positives Schreibklima ermöglichen
um ein positives Schreibklima in der Schule zu schaffen, sind einige Rahmenbedingungen zu beachten. Zu diesen zählt neben der materiellen Ausstattung (verschiedene Schreibmedien und Schreiborte) ein entsprechender Zeitrahmen, in welchem die Schülerinnen und Schüler zwischen verschiedenen Arbeitsformen (am Gruppentisch, in Einzelarbeit, in der Leseecke…) wählen können. Besonders das kooperative Schreiben kann motivierend wirken, da es häufig zu besseren Textprodukten führt und Schreiben in der Gruppe als etwas Bewältigbares erlebt wird. und indem die Schülerinnen und Schüler andere Schreibende beobachten, können sie zugleich ihre Schreibstrategien ausbauen.
Schreibmotivation entwickelt sich primär in einem sozialen Kontext, in welchem die Schülerinnen und Schüler Schreiben und Lesen als Tätigkeiten mit zentralen sozialen Funktionen wahrnehmen. Hierzu ist es unabdingbar, dass die Texte der Schülerinnen und Schüler als echte Kommunikationsangebote wahrgenommen werden.
Fazit
Motivationen können unterschiedlicher Art sein und unterliegen deshalb auch unterschiedlichen Bedingungen. In einem motivationsfördernden Schreibunterricht können und müssen nicht alle Bedingungen immer erfüllt sein. Es ist durchaus legitim, einzelne Bedingungen zu fokussieren.
Die wichtigste Bedingung für eine stabile Schreibmotivation ist jedoch, dass die Schreibaufgaben kommunikativ motiviert und situiert sind, das heisst, eine konkrete Adressatenschaft und ein konkretes Schreibziel vorgeben. Nur wenn ich weiss, für wen und wozu ich schreibe, kann ich auch Motivation aufbauen.
Literatur
Baurmann, Jürgen und Müller, Astrid (1998): Zum Schreiben motivieren – das Schreiben unterstützen. In: Praxis Deutsch 149, S. 16–22.
Boscolo, Pietro (2007): Writing on a Interesting Topic. In: Hidi, Suzanne und Boscolo, Pietro (Hrsg.): Writing and Motivation. Elsevier: Amsteram et al. (= Studies in Writing). S. 73–91.
Boscolo, Pietro (2009): Engaging and Motivating Children to Write. In: Beard, Roger et. al (Hrsg.): The SAGE Handbook of Writing Development. SAGE Publications London et al. S. 300 –312.
Bruning, Roger und Horn, Christy (2000): Developing Motivation to Write. In: Ecucational Psychologist 35:1, S. 25–37.
Krapp, Andreas. (1992): Das Interessenkonstrukt: Bestimmungsmerkmale der Interessenhandlung und des individuellen Interesses aus der Sicht einer Person-Gegenstands-Konzeption. In: Krapp,Andreas und Prenzel, Manfred (Hrsg.): Interesse, Lernen, Leistung. Münster. S. 297–329.