Schreiben nach Mustern
Im Schreiballtag orientieren wir uns immer wieder an Mustertexten, um unsere eigenen Texte zu strukturieren. als Strukturierungshilfe bedeuten diese vorgegebenen Texte eine Entlastung für das Schreiben. Schreiben nach Mustern ist entsprechend eine wichtige Schreibstrategie.
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Für die Schreibdidaktik ist Schreiben nach Mustern aus folgenden Gründen wertvoll:
Vereinfachung & Fokussierung auf Teilkompetenzen
Schreiben ist eine sehr komplexe Kommunikationshandlung, die vielfältige Kompetenzen erfordert. Üben ist jedoch dann besonders effektiv, wenn die Komplexität der Handlung reduziert wird, sodass man sich dabei auf einzelne Aspekte konzentrieren kann. Beim Schreiben nach Mustern wird die Komplexität dadurch reduziert, dass für die Umsetzung einer Schreibidee die dafür nötigen Bausteine bereits vorgegeben sind. Dies bedeutet eine Fokussierung auf die Bereiche Ideenfindung und Formulierung.
Motivation
Aufgrund der Vereinfachung und Fokussierung kann schreiben auch von schwächeren Schülern und Schülerinnen als bewältigbar erlebt werden. Schreiben nach Mustern hat eine positive Wirkung auf die Schreibmotivation. Dies hat Einfluss auf das Selbstkonzept, welches für die Schreibbereitschaft und damit für die Entwicklung der Schreibkompetenzen von grosser Wichtigkeit ist.
Nachdenken über sprachliche Strukturen
Nicht zuletzt soll beim Schreiben nach Mustern auch das Nachdenken über sprachliche Strukturen gefördert werden: Die hilfreiche Schreibstrategie, Schreibmuster für sein eigenes Schreiben zu nutzen, bedingt, dass man fähig ist, Schreibmuster zu erkennen, zu analysieren und für sein eigenes Schreiben anzupassen. Diese Fähigkeit kann durch das Schreiben nach Mustern gefördert werden. Daher beginnt eine Sequenz im Schreiben nach Mustern immer mit der Analyse des Mustertextes. Beim Schreiben nach Mustern geht es nämlich nicht darum, dass den Schülern und Schülerinnen Muster vorgegeben werden, die sie dann mit Wörtern und Sätzen füllen. Vielmehr steht der Aufbau eines Bewusstseins über Textstrukturen im Vordergrund, das auf andere Schreibanlässe übertragen und so produktiv genutzt werden kann.
Geschichte in fünf Sätzen
(Das folgende Modell ist aus den Sprachstarken Band 6 übernommen und adaptiert.)
Bei der Geschichte in fünf Sätzen gestalten die Schüler und Schülerinnen Texte nach vorgegebener Dramaturgie. Die Vorgabe «fünf Sätze» verlangt, sich auf das Wesentliche zu beschränken und dies mit wenigen Wörtern auszudrücken. Die entstandenen Texte enthalten «Leerstellen», die von den Leserinnen und Lesern gedanklich gefüllt werden müssen. Das ist das Reizvolle daran und ein entsprechend attraktiver Ausgangspunkt, um Gespräche über Texte zu führen.
Mustertext für die hier vorgestellte Unterrichtssequenz ist die «Gespenstergeschichte» von Franz Hohler.
- Eines Nachts, als Frau scholl alleine zu Hause war, hörte sie im Estrich Schritte.
- Zuerst tat sie so, als merke sie nichts, aber als die Schritte nicht aufhörten, wurde es ihr unheimlich, es konnte schliesslich ein Einbrecher sein.
- Da fasste sie sich ein Herz, nahm die Pistole ihres Mannes aus dem Nachttischchen, stieg die Treppe hinauf, öffnete vorsichtig die Tür, drückte ganz rasch auf den Lichtschalter und rief: «Hände hoch!»
- Aber die Angst war umsonst gewesen.
- Es waren nur zwei Füsse, die langsam auf dem Estrichboden hin und her gingen.
Franz Hohler
Der Aufbau der Geschichte lässt sich durch den folgenden Bauplan erfassen:
1. Satz: Figur
Eine Person (mehrere Personen, eine Sache, ein Tier) wird in einer bestimmten Situation eingeführt.
2. Satz: Andeutung
Es wird etwas Aussergewöhnliches oder Unheimliches oder Entsetzliches angedeutet, ohne die «Lösung» zu verraten.
3. Satz: Aktion
Die Handlung beschleunigt sich, spitzt sich zu. Die Spannung steigt.
4. Satz: Verzögerung
Der Schluss wird durch eine weitere Sndeutung, eine Irreführung, einen Gedanken oder eine Vermutung weiter hinausgezögert.
5. Satz: Pointe
Das Wichtigste wird am Schluss gesagt: Die Handlung nimmt eine unerwartete Wendung und führt zu einem überraschenden Ende.
Inszenierung
1. Schritt: Erarbeitung des Bauplans
Der Bauplan lässt sich als dreispaltige Tabelle mit 5 Zeilen darstellen. In der dritten Spalte ist die Geschichte abgedruckt, wobei jeder Satz eine Zeile füllt.
Die erste Spalte enthält die oben fett gesetzten Überschriften (siehe Tabelle unten). Die erste Zeile der 2. Spalte ist mit der Beschreibung des ersten Satzes gefüllt, die übrigen Zeilen der zweiten Spalte sind leer (bzw. um nach Schwierigkeitsgrad zu differenzieren, können auch einige Beschreibungen in die entsprechende Zeile eingefügt werden). Die Schüler und Schülerinnen ergänzen den Bauplan, indem sie die Beschreibung in die leeren Zeilen der 2. Spalte einfügen.
2. Schritt: Besprechung der Geschichte und des Bauplans in der Klasse
Das Phänomen der «Leerstellen» sowie die Pointe, die unerwartete Wendung des vorgegebenen Mustertextes, werden in der Klasse unter folgenden Leitfragen besprochen:
- Wie wurde welche Erwartung aufgebaut?
- Bei welchem Satz entsteht das erste Mal Spannung? Warum?
- Wie ist der letzte Satz, die Pointe, aufgebaut? Welche Wirkung erzeugt er? Ist das wirklich etwas, wovor man keine Angst haben muss, wenn «nur zwei Füsse» auf dem Estrich rumlaufen? Was für eine Wirkung wird durch das «nur» erzielt? Gibt es in den andern Sätzen auch einzelne Wörter, die dem Sinn eine ganz bestimmte Wendung geben?
Ziel soll sein, dass der Blick für die Bauweise solcher Texte geschärft wird. Zudem kann die für viele Erzählungen dienliche Bauweise bewusst gemacht werden.
- spannende Figuren
- angedeutetes Geheimnis / etwas Unheimliches / etwas undurchschaubar Spannendes
- eine (alltägliche) Aktion, die das Geschehen beschleunigt und die Lesenden auf eine falsche Fährte lockt
- die Handlung läuft in eine andere Richtung, sie verzögert sich, sie lässt die Spannung andauern.
- Finale, ein Schluss, der überrascht, weil vorher eine falsche Fährte gelegt wurde.
3. Schritt: Verfassen von eigenen Geschichten nach dem Bauplan
Die Schüler und Schülerinnen schreiben nun allein oder zu zweit Geschichten nach diesem Bauplan.
4. Schritt: Peer-Feedback und Überarbeitung
Die Schüler und Schülerinnen überarbeiten ihre Texte auf der Basis der Rückmeldungen ihrer Mitschüler und Mitschülerinnen (z.B. Textlupe, Über-den-Rand-Schrei-ben, Schreibkonferenz).
5. Schritt: Publikation
Die Geschichten können beispielsweise in einem Klassengeschichtenbuch gesammelt und an einem Elternabend oder anlässlich einer öffentlichen Schulveranstaltung vorgelesen werden.
Ausschnitt aus dem Arbeitsblatt zum 1. Schritt