Sprachförderung durch Sprachreflexion mit Parcours Sprache

Parcours Sprache ist ein neues förderdiagnostisches Lehrmittel zur Beobachtung und Entwicklung von Sprachkompetenzen im Schuleingangsbereich (Kindergarten / Unterstufe; Fokus: 3. Bildungsjahr). Das Instrument ermöglicht den Lehrpersonen, die Entwicklung von Kindern im Sprachbereich zu beobachten und auf eine beschleunigte oder verzögerte sprachliche Entwicklung mit einer kompetenzorientierten Förderplanung zu reagieren.

von Nora Knechtel und Gerd Kruse

Parcours Sprache bezieht sich dabei auf sechs elementare sprachliche Kompetenzfelder, die den drei Kompetenzdomänen Sprach-Produktion, -Rezeption und -Reflexion zugeordnet sind: Sprechen, Schreiben, Hör- und Leseverstehen, Sprachbewusstheit, Wortschatz.

In zwei umfangreichen Materialsets bietet Parcours Sprache zu jedem Kompetenzfeld Spiel- und Lernsituationen an. Die folgenden Ausführungen stellen einige aufgabenbezogene Lernsituationen vor und verweisen vereinzelt auf den Spielbereich. Die Spiel- und Lernsituationen dienen der sprachlichen Kompetenzeinschätzung mittels eines niveaugestuften Sprach-Kompetenzrasters und verdeutlichen damit auch Ansatzpunkte für mögliche Sprachfördermassnahmen. Die Lehrperson beobachtet die Kinder gruppen- oder klassenweise bei der Aufgabenlösung und /oder den Spielen und kann dabei erkennen, über welche Fähigkeiten die Kinder verfügen bzw. in welchen Sprachlernbereichen sie noch Unterstützung brauchen. Die Kinder sind im Prozess der Aufgabenbearbeitung herausgefordert, mit Sprache zu handeln und vor allem: über Sprache unmittelbar auch nachzudenken.

Jede Sprachreflexion kann sich auf den Bereich Sprachproduktion oder Sprachrezeption, Mündlichkeit oder Schriftlichkeit beziehen. Einige Dimensionen von Sprachkompetenz sind jedoch besonders angesprochen, wenn es um Sprachreflexion im engeren Sinne gehen soll: Wortschatz und Sprachbewusstheit.

Wortschatz ist eine tragende Säule von Sprachhandeln. Er ist für eine gelingende Kommunikation nötig – und für (schulisches) Lernen unabdingbar. Jeder verfügt über verschiedene Arten von «Wortschätzen»: über einen Verstehens- und einen Mitteilungswortschatz zum Beispiel, oder einen Sichtwortschatz beim Lesen.

Im anderen genannten Lernbereich, der Sprachbewusstheit, wird zwischen Sprachbewusstsein und Sprachbewusstheit unterscheiden. Über ein Bewusstsein verfügt das Kind bereits vor-bewusst, wenn es seine Sprache gebraucht oder über die Sprache anderer spricht. Bewusstheit wird entwickelt durch ein explizites Hinweisen auf Sprachphänomene und durch das Analysieren von Sprache.

Die Bestandteile eines Wortschatzes sind im mentalen Lexikon in einer bestimmten Systematik gespeichert: in Form sogenannter «semantischer Netze» . Der Begriff signalisiert, dass thematisch zusammengehörige Wörter auch gemeinsam abgespeichert sind. Werden einzelne dieser Inhalte (oder «Konzepte» ) aktiviert, beispielsweise durch einen Input in Form einer Geschichte, in einem Gespräch oder in einem Film, so wird der entsprechende Teil eines solchen semantischen Netzes aktiviert (z.B. Wald – Baum – Blätter – Ast / Reiter – Pferd – Sattel u.a.).

Die Aufgaben in Parcours Sprache machen sich diese Eigenheiten des mentalen Lexikons zunutze. So werden z.B. Ober- und Unterbegriffe anhand von Bildern besprochen sowie für zusammengehörige Konzepte Oberbegriffe gesucht. Im folgenden Beispiel erhalten die Schülerinnen und Schüler jeweils vier Bildkarten. Drei Abbildungen gehören zusammen und formen eine Gruppe, ein Gegenstand gehört nicht dazu. Die Aufgabe der Kinder ist es, jeden Gegenstand zu benennen, den Oberbegriff für die zusammengehörigen Dinge zu finden und zu zeigen, welcher Gegenstand nicht dazu gehört:


Wie heissen die Gegenstände? Welcher passt nicht dazu? Wie heissen die drei zusammengehörigen Gegenstände? (Obst; unpassend: Peperoni)

Eine weitere Wortschatzaufgabe arbeitet mit Paraphrasen. Mithilfe dieser Paraphrasen werden die Schülerinnen und Schüler angeregt, bestimmte Wörter zu finden. Die Impulse sind so gewählt, dass sie die zugehörigen Teile des semantischen Netzes im mentalen Lexikon aktivieren, auf welche die Schülerinnen und Schüler bei der Lösung zugreifen können (z.B. bellen/Hund, Nagel/Hammer u.a.).


Wie heisst das Tier, der Gegenstand?

Eine Wortschatz-Übung in Parcours Sprache beschäftigt sich mit Verben: Hier gibt die Lehrperson den Schülerinnen und Schülern ein Nomen vor, z.B. einen Körperteil wie «Hände». Die Schülerinnen und Schüler haben die Aufgabe, Tätigkeiten zu nennen – mithin: Verben zu finden – welche sie mit diesem Körperteil ausführen können (z.B. klatschen, greifen, heben, berühren u.a.).

Wenn Kinder Wörter variieren, z.B. indem sie zu Papagei die «Mamagei» erfinden, haben sie bereits viel implizites Wissen über Sprache und über die Funktion von Wörtern entwickelt: Sie nehmen innerhalb einzelner Wörter Wortteile war, die sich irgendwie verändern, sich aber auch in anderen Zusammenhängen wieder verwenden lassen. Die Wortbildungsfähigkeit ist Teil der Sprachbewusstheit von Kindern. Sie wird in Parcours Sprache mit einer Übung beobachtet, in welcher die Schülerinnen und Schüler zwei Nomen zu einem neuen Begriff zusammensetzen müssen, indem sie die Teile eines zusammengesetzten Nomens finden und markieren.


Welche Bilder gehören zum «Handschuh»? (Abbildung «Hand» und Abbildung «Schuh»)

Zur Sprachbewusstheit gehört auch der für den Schriftspracherwerb zentrale Bereich der phonologischen Bewusstheit. Kinder auf dem Weg zur Schrift verfügen bereits über eine gewisse phonologische Bewusstheit. Diese wird unterschieden in eine phonologische Bewusstheit im weiteren Sinn (z. B. Reimwörter suchen und Silben klatschen) und in eine im engeren Sinn (Laute unterscheiden). Es gilt, diese phonologische Bewusstheit insbesondere zu Beginn des Schriftspracherwerbs zu fördern. Und daher finden sich in Parcours Sprache auch Übungen, in denen Reimwörter gefunden, Silben markiert und Anlaute identifiziert werden sollen. Ergänzend können die Schülerinnen und Schüler in einem Reimspiel auch Reimkarten-Paare sammeln.


Welche Wörter klingen ähnlich? (Abbildung «Tasche» und «Flasche» sowie «Pinsel» und «Insel)

Im Weiteren gehören zur Sprachreflexion die Fähigkeit zur Abstraktion vom semantischen Wortinhalt und das Erkennen der Wortlänge. Diese Fähigkeit wird in einer Übung beobachtet, bei der die Schülerinnen und Schüler aufgefordert sind, die Länge oder Kürze eines Wortes mithilfe einer Linie oder eines Punktes zu markieren.


Welches Wort ist länger? (Das Wort «Tiger» ist länger als das Wort «Wal»)

Kern des Instruments sind zwei farbige (Wimmel-)Erzählbilder, die als Spielbrett vorliegen und so als Grundlage für Sprachlernen in Gruppensituationen verwendet werden können.

 

Literatur
Sandra Baumann, Nora Knechtel, Gerd Kruse: Parcours Sprache. Sprachkompetenzen im Schuleingangsbereich beobachten und fördern. Schulverlag plus, Bern, 2010

Schreiben wirksam fördern. Lernarrangements und Unterrichtsentwicklung für alle Stufen

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Multiple Dokumente verstehen und verarbeiten: Anforderungen und Förderansätze

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