Unternehmen im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz
Ein Besuch bei der Firma Franke in Aarburg
In einer Welt, in der Künstliche Intelligenz (KI) zunehmend unsere Arbeitsweise revolutioniert, möchten wir als Bildungsinstitution aus erster Hand erfahren, wie dieser innovative Technologiebereich in einem realen Unternehmensumfeld Anwendung findet. Marvin Kückens hat an der Hochschule für Wirtschaft FHNW den Bachelor in Wirtschaftsinformatik erfolgreich absolviert und anschliessend den Master in Business Information Systems abgeschlossen. Heute ist er Head of Process Integrations & Development bei der Firma Franke. Marvin Kückens heisst uns in Frankes Räumlichkeiten willkommen und gewährt uns faszinierende Einblicke, wie KI bereits heute das Rückgrat von Geschäftsprozessen stärkt und die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft stellt.
Die Firma Franke hat sich auf Haushaltsküchen, Systemgastronomie und im Convenient-Store Bereich spezialisiert. Das Unternehmen ist auf fünf Kontinenten vertreten und beschäftigt rund 8'000 Mitarbeitende. Im Gespräch mit verschiedenen Fachkräften und Fachexperten wollen wir herausfinden, wie KI den Arbeitsalltag beeinflusst, welche Herausforderungen Unternehmen meistern müssen und was sich in Zukunft verändern wird. Am Treffen beteiligt sind Marvin Kückens sowie Frankes Mitarbeiter Roland Fuezi (Teamleiter Product Compliance), Henrik Mager (SAP PLM Business Analyst), Beat Heiniger (Teamleiter Technical Documentation) und Anton Lütte (Head of Technical Architecture and Operations). Ergänzt wird die Runde durch Dr. Manuel Renold, Dozent an der Hochschule für Wirtschaft FHNW und ausgewiesener Experte für Künstliche Intelligenz.
Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Maschinellem Lernen begann bei Franke streng genommen schon vor vielen Jahren, als die täglich etwa 2'000 anfallenden Papierdokumente digitalisiert werden sollten. Eine Maschine musste fortan entscheiden, um welche Art von Dokumenten es sich handelt und diese entsprechend verarbeiten. Es galt zunächst einmal zu definieren, was beispielsweise einen Bestellauftrag ausmacht, um dann das KI-System darauf zu trainieren. Im Unterschied zu damals basieren heutige Arbeitsinstrumente zu einem Grossteil auf Large Language Models, also selbstlernende Sprachmodelle, welche natürliche Sprache verarbeiten können. Inhalte von Dokumenten werden so sinngemäss extrahiert und klassifiziert. «Eine 100%ige Zuweisungsgenauigkeit gibt es natürlich nie, aber die Systeme sind erstaunlich genau», weiss Anton Lütte zu berichten. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz leistet heute einen wesentlichen Beitrag in der Automatisierung und Optimierung von Geschäftsprozessen.
«Eine 100%ige Zuweisungsgenauigkeit gibt es natürlich nie, aber die Systeme sind erstaunlich genau.»
In naher Zukunft profitieren wird auch das Dokumentationsmanagement. Die zahlreichen technischen Dokumentationen, welche mit den Geräten in unterschiedlichste Länder geliefert werden, müssen in mehrere Sprachen übersetzt werden. Diese Arbeit wird heute manuell durchgeführt. Beat Heiniger sieht jedoch grosses Potenzial, Übersetzungen in Zukunft maschinell anzufertigen. Damit dies gelingt, bedarf es eines fundierten Datenmodells mit definierten Terminologien, welches zuerst erarbeitet werden muss. Andere Bereiche, wie beispielsweise die Stammdatenpflege oder die Berechnung eines CO2-Fussabruckes haben noch nicht viele Berührungspunkte mit Künstlicher Intelligenz. Jedoch ist auch in solchen Bereichen feststellbar, dass KI-Methoden immer mehr zum Thema werden.
Künstliche Intelligenz ist nicht nur ein nützliches Werkzeug, wenn es um die Reduktion von manuellem Aufwand geht. Bei Franke werden KI-Tools durch den Informationsaustausch unter Arbeitskollegen sowie durch Beobachten und Ausprobieren verbreitet und schrittweise in den Arbeitsalltag integriert. So entwickeln sich ChatGPT, Copilot & Co. zunehmend zu neuen Suchmaschinen und unterstützen bei der täglichen Arbeit. Besonders geschätzt wird die Effizienz bei der Zusammenfassung sehr langer Dokumente, Protokolle und ähnlicher Texte, was eine erhebliche Zeitersparnis und eine Steigerung der Produktivität zur Folge hat.
Es gibt jedoch auch Herausforderungen. Eine zentrale Frage betrifft die Verantwortlichkeit. Wenn beispielsweise Computercode oder Teile davon von KI-Systemen generiert werden und danach Probleme im operativen Einsatz der Programme auftreten. Wer ist dann verantwortlich? Der Aufwand, um zu prüfen, ob der generierte Code wirklich das tut, was man glaubt, ist in etwa gleich gross, wie ihn selbst zu programmieren. «Die Entwicklung eines Systems, das Code auf Kausalität und Korrektheit überprüft, könnte hier zukünftig mehr Sicherheit bieten», meint der FHNW Experte Dr. Manuel Renold. Ein weiterer, wichtiger Aspekt ist der Datenschutz. Ein KI-System muss trainiert werden, um effektiv zu funktionieren. Dies erfordert regelmässig aktualisierte Trainingsdaten. «Als Unternehmen muss ich mir gut überlegen, welche Daten ich in ein KI-System einspeise», so Renold weiter. Sensible Daten in KI-Systemen bergen erhebliche Risiken, insbesondere im Hinblick auf Prompt-Injection-Angriffe, also Angriffe, wobei KI-Systeme durch scheinbar legitime Eingaben so ausgetrickst werden, dass sie vertrauliche Informationen preisgeben.
«Als Unternehmen muss ich mir gut überlegen, welche Daten ich in ein KI-System einspeise.»
Die Anwesenden sind sich alle einig, dass die Transformationsphase immer gewisse Herausforderungen und Risiken mit sich bringt. Obwohl technisch vieles bereits möglich wäre, ist das Vertrauen in neue Technologien zu Beginn oft gering. Mit zunehmender Integration und Nutzung wird das Vertrauen jedoch schnell wachsen.
Eine zentrale Frage, die auch Franke beschäftigt, ist die zukünftige Entwicklung der Berufsbilder. Es ist absehbar, dass einige Berufe verschwinden und andere sich verändern werden. Durch den Einsatz von KI werden Menschen vermehrt die Rolle von Dirigenten einnehmen, wobei sie Aufgaben, die früher manuell erledigt wurden, künftig steuern und überwachen.
Künstliche Intelligenz bietet grosse Chancen für Unternehmen, ihre Prozesse zu optimieren und neue Geschäftsfelder zu erschliessen. KI getriebene Unternehmen werden schneller wachsen, da sie gegenüber der Konkurrenz an Effizienz gewinnen. Es braucht jedoch gut ausgebildete Leute dazu. «Never stop learning», empfiehlt Marvin Kückens. Dies ist auch der Hochschule für Wirtschaft FHNW bewusst, weshalb wir Wissen zur Künstlichen Intelligenz an Studierende vermitteln - im grossen Umfang beispielsweise im Studiengang BSc in Business Artificial Intelligence.
