Alternative Gestaltung der Niedriglohnarbeit
Eine Mixed-Method-Studie zu nachhaltig und partizipativ geführten KMU in der Schweiz aus intersektionaler Perspektive
Das Forschungsprojekt untersucht Arbeitsstellen ohne formale Qualifikationsanforderungen (AofQ), d. h. Arbeit, die ohne Berufsausbildung ausgeübt werden kann und häufig im Tieflohnsektor angesiedelt ist. Diese Arbeit zeichnet sich durch diverse Herausforderungen aus: tiefe Löhne, kaum Weiterbildungsangebote und betriebliche Partizipationsmöglichkeiten sowie eine begrenzte berufliche Mobilität und geringe gesellschaftliche Anerkennung. Sowohl im Dienstleitungs- wie im Industriesektor sind diese Arbeitsstellen zudem hochgradig geschlechtersegregiert, wobei Frauen und Personen mit Migrationserfahrung deutlich übervertreten sind. Deshalb nimmt das Forschungsprojekt eine intersektionale Analyse vor.
Bisherige Forschung zeigt, dass dieses Arbeitssegment in betrieblichen Transformationsstrategien mit Blick auf Digitalisierung oder Nachhaltigkeit kaum berücksichtigt wird. Gleichzeitig befasst sich auch die Diversitäts- und Ungleichheitsforschung nur marginal mit dem Tieflohnsektor, insbesondere Ansätze einer alternativen Gestaltung von AofQ sind in der Schweiz kaum beforscht.
Die Studie fokussiert deshalb auf AofQ in nachhaltig und partizipativ geführten Betrieben, d. h. in Betrieben, die sich mehr oder weniger kritisch mit bestehenden Ungleichheitsrelationen der Erwerbsarbeit befassen und AofQ dank partizipativer Organisationsformen neu positionieren wollen. Die organisationsbezogene Ebene wird im schweizerischen arbeitsmarktpolitischen Kontext situiert: Arbeitsrechtliche sowie gleichstellungs- und bildungspolitische Weichenstellungen werden analysiert, wobei die Rolle des Mitwirkungsrechts einen Schwerpunkt bildet.
Das Projekt bearbeitet folgende zentrale Fragestellungen:
- Wie werden Arbeitsstellen ohne formale Qualifikationsanforderungen in Betrieben mit nachhaltiger und partizipativer Betriebsführung gedeutet und gestaltet?
- Wie nehmen die Beschäftigten die betrieblichen Diskurse und Praktiken wahr und welche Auswirkungen haben diese auf ihren Zugang zu materiellen und sozialen Kapitalien?
- Welche betrieblichen (Un)Gleichheitsregimes (intersektionale Differenzierungen bezüglich Geschlecht, Klasse, Ethnizität/race) sind erkennbar; wie werden diese bearbeitet und mit welchem Resultat?
- Welche Elemente des Arbeitsmarktregimes (insbesondere der Mitwirkungsrechte) wirken sich förderlich oder hinderlich auf die Entwicklung der Arbeitsstellen ohne formale Qualifikationsanforderungen sowie der Beschäftigten aus?
Zur Beantwortung der Fragen wird ein sequenzielles Mixed-Method-Verfahren gewählt, mit dem einerseits in betrieblichen Nachhaltigkeitsnetzwerken eine quantitative Befragung durchgeführt wird und andererseits qualitative Daten (Einzelinterviews, Gruppendiskussionen) in acht KMU-Fallstudien erhoben sowie Expert:innenbefragungen durchgeführt werden. Qualitativ geprägte Mixed-Method-Studien sind besonders geeignet, um soziale Transformation und soziale Gerechtigkeit voranzubringen, da durch den Einsatz von qualitativen Methoden marginalisierte Gruppen miteinbezogen werden können. Verstärkt wird dieser Effekt durch die Einbindung partizipativer Methoden, wie dies auch für diese Studie vorgesehen ist.
Kontakt
Dozentin, Institut für Personalmanagement und Organisation