11.6.2020 | Pädagogische Hochschule
Kindergarten via Videokonferenz
Viele Schulen setzten während der Corona-Zeit auf digitale Medien – die Schule Olten war gut vorbereitet und trotzdem gab es Premieren. Seit der Schulöffnung häufen sich bei der Beratungsstelle imedias der PH FHNW Anfragen nach Beratungen und Begleitungen zur Konzepterstellung.
Im April, während der Schulschliessungen aufgrund der Corona-Krise, sass Maja Berneis zu Hause vor ihrem Bildschirm und sah vor sich per Videotelefonie jeweils vier Kinder ihrer Kindergartenklasse. «Wir haben musiziert, gesungen, mit Ballons Rhythmik-Übungen gemacht, gespielt und einander Erlebnisse erzählt», sagt sie. Eine komplett neue Situation für die Kindergartenlehrerin, die in Olten im Kindergarten Frohheim unterrichtet.
Auch für die Kinder war die Situation unbekannt. Die Vierergruppen etwa ergaben sich aus ersten unbefriedigenden Erfahrungen mit Halbklassen. «Grössere Gruppen waren nicht möglich, da sich die Kinder dann nicht alle sehen und rasch den Fokus verlieren », so Berneis. Über die Tage und Wochen spielte sich die Situation immer besser ein. «Die Kinder haben es mit der Zeit auch sehr genossen, ihre Bastelarbeiten oder andere Fotos auf eine Online-Plattform raufzuladen.»
Digitalisierungsprojekt startete vor vier Jahren
Maja Berneis gehört zu den wenigen Oltner Lehrpersonen, die «ins kalte Wasser geworfen wurden», wie Kerem Yildirim es nennt. Er ist Schulleiter Kindergarten und Primarschule Bannfeld und Leiter des Projekts «Informatische Bildung» der Schule Olten, das vor vier Jahren begann. Damals machte man sich an der Schule Olten auf den Weg in die Digitalisierung – begleitet und betreut von imedias, der Beratungsstelle Digitale Medien in Schule und Unterricht der PH FHNW.
Zu Beginn der Pandemie hatten die Lehrpersonen der 3. bis 9. Klasse deshalb schon alle die imedias-Kurse begonnen oder fertig absolviert. Die Schule besass genügend Tablets und konnte diese an Familien ausleihen, die keine oder zu wenige Geräte besitzen. Auch Lizenzen für Programme waren bereits vorhanden. Kurz: «Es war eine Grundhaltung, ein Grundwissen und ein Bekenntnis zu digitalen Medien vorhanden», wie es Sibylle von Felten von imedias zusammenfasst. Für Lehrpersonen für Kindergarten und 1. und 2. Klasse war die Schulung erst fürs kommende Jahr flächendeckend vorgesehen, als das Coronavirus den Sprung ins kalte Wasser notwendig machte. «Es war eine Herausforderung, aber im Nachhinein ist es positiv, dass ich mich damit auseinandersetzen musste», blickt Maja Berneis zurück.
In der ersten Phase waren die Oltner Lehrpersonen in der Wahl der Kommunikationsmittel frei. Berneis entschied sich dafür, mit Eltern und Kindern via Kurznachrichten, Telefon oder E-Mails Kontakt zu halten. «In den Frühlingsferien traf die Schulleitung dann den Entscheid, die Kommunikation über die Applikation Teams zu kanalisieren», so Kerem Yildirim.
Sie sei etwas skeptisch gewesen, gibt Maja Berneis zu, schliesslich habe sich bereits vor den Ferien alles etwas eingependelt. Doch im Rückblick, sagt Berneis, habe alles gut funktioniert. «Auch weil die meisten Eltern sich sehr engagiert haben.» Hugo Bollschweiler, Vater eines Kindergärtlers aus Maja Berneis’ Klasse, war wie die anderen Eltern bei den Videomeetings ihrer Kinder dabei. «Es hat erstaunlich gut funktioniert», sagt er. «Mein Sohn fand die Meetings zwar anstrengend, aber er hat es auch sehr geschätzt, die Gspänli so sehen zu können.»
Sechstklässler organisierten Mathe-Lerngruppen
Auch Monika Thomet hat ihre 6.Klasse für die Teams-Meetings in Kleingruppen organisiert. «Dies hat fast perfekt funktioniert», sagt sie. Die Schülerinnen und Schüler hätten sich überdies sogar unabhängig von den von ihr vorgegebenen Zeiten organisiert – etwa um gemeinsam Mathematik zu lernen. Selber nutzte Thomet die Videokonferenzen mit ihren Schülerinnen und Schülern dafür, «den Kontakt zu halten, um zu wissen, wie es ihnen in der herausfordernden Zeit geht».
Zur Stoffvermittlung setzte sie eher auf die App Learning View. «Diese ist ziemlich selbsterklärend und bietet Möglichkeiten, Filme hochzuladen oder Antworten akustisch aufzuzeichnen», so Thomet. Sie betont allerdings, dass sie das Arbeitsdossier in ihrer Klasse analog verteilt habe. Und auch Maja Berneis sagt: «Die Kinder haben von mir einen Wochenplan erhalten, der auch Bastel- und Backarbeiten enthielt, damit sie nicht nur vor dem Tablet sitzen.» Denn einen Punkt betonen sowohl Berneis und Thomet als auch Schulleiter Yildirim: «Die digitalen Medien können den persönlichen Kontakt nicht ersetzen.» Deshalb haben sie sich ebenso wie die Schülerinnen und Schüler gefreut, dass der Schulbetrieb Mitte Mai wieder aufgenommen werden konnte.
Die Erfahrungen aus dem coronabedingten Distance Learning aber werden nachwirken – in Olten und anderswo. «Am Anfang der Corona-Krise wurden wir mit Anfragen überrannt», sagt Sibylle von Felten von imedias. «Lehrpersonen fragten nach konkreten Tipps für ihre Fächer, Schulleitungen, welche Infrastruktur man anschaffen solle.» Manchmal habe imedias die Anrufer bremsen müssen. «Es wäre der falsche Ansatz gewesen, in der Krise ohne Konzept in Infrastruktur zu investieren, die dann gar nicht adäquat eingesetzt werden kann», so von Felten. «Auch eine gewisse Grundhaltung für den Einsatz von digitalen Medien sollte an einer Schule schon vorhanden sein.» Diese scheinen sich nun viele Schulen erarbeiten zu wollen. «Seit der Wiedereröffnung der Schulen häufen sich die Anfragen nach Beratungen und Begleitungen zur Konzepterstellung.» In Olten haben die Verantwortlichen bereits erste Schlüsse gezogen. «Ich habe etwa gesehen, dass Learning View spannende Möglichkeiten bietet, den Unterricht abwechslungsreich zu gestalten, das werde ich sicher beibehalten», so Thomet.
Neuer Blick auf den Lehrberuf
Weiter habe sich gezeigt, dass es sehr unterschiedliche Lerntypen gebe. «Ich habe Schülerinnen und Schüler, die zu Hause ohne Mithilfe der Eltern besser gearbeitet haben als im Unterricht. Aber es gab genauso auch die umgekehrten Fälle», so Thomet. Maja Berneis ihrerseits möchte künftig den Elternkontakt via Teams beibehalten. «Und im Austausch der Kindergartenlehrpersonen untereinander nutzen wir die App sicher weiter», sagt sie. Kerem Yildirim fügt an, dass einzelne Klassen in der ersten Phase nach der Schulöffnung, als sie aufgrund der Distanzregeln über mehrere Schulzimmer verteilt waren, via Teams kommunizierten.
Wie Hugo Bollschweiler sagt, gab es «sicherlich Eltern, die in den letzten Wochen etwas an den Anschlag kamen und den Lehrberuf nun anders wahrnehmen». Kerem Yildirim verhehlt denn auch nicht, dass das Distance Learning für gewisse Schüler Nachteile hatte. «Es gibt Kinder, die von den Eltern nicht wunschgemäss unterstützt werden konnten. Nun sind die Lehrpersonen daran, sie wieder an die Klasse heranzuführen.» Dem Schulleiter ist jedoch wichtig zu betonen: «Die Eltern haben einen tollen Einsatz geleistet und massgeblich zum Gelingen des Fernunterrichts beigetragen. Dabei konnten sie die Sichtweise der Lehrpersonen auf Kinder und ihren Lernprozess kennen lernen. Das dürfte die Sicht auf den Lehrberuf für viele Beteiligte positiv verändern.»
- Marc Fischer -
Projektartiges Lernen und Mindsteps unterstützen das Lernen im Präsenz- und Distanzunterricht
Philipp Schmid, Dozent für Unterrichtsentwicklung am Institut Weiterbildung und Beratung der PH FHNW mit dem Schwerpunkt datenbasierter Methoden
Fernunterricht stellte Lehrpersonen während der Schulschliessungen aufgrund der Corona-Pandemie vor herausfordernde Situationen: Die Klassengemeinschaft ist aufgelöst, direkte Kommunikation ist nur noch digital möglich, bewährte Aufgabenstellungen im Klassenraum fallen weg. Diese Erfahrungen sind aus professioneller Sicht wertvoll für Lehrpersonen, weil sie eine Anreicherung des Bewährten mit Neuem ermöglichen.
Wie sehen sinnvolle Lernaufgaben im Modus der Distanz aus? Wie können individuelle Fortschritte ermöglicht und förderorientiertes Feedback trotz – oder gerade durch – digitale Lernräume gewährleistet werden? Projektartiges Lernen und die Aufgabensammlung Mindsteps unterstützen die Lehrpersonen bei diesen professionellen Herausforderungen auf zwei unterschiedliche Weisen. Erfahrungen zeigen, dass sich beide im Präsenz- wie auch im Fernunterricht gut bewähren.
Lernen an Projekten
Der Lehrplan 21 fordert die Berücksichtigung der Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen im kompetenzorientierten Unterricht. Bei Projektarbeiten stellen Fragen, welche die Schülerinnen und Schüler bewegen, den Ausgangspunkt des Lernens dar. Entsprechend nimmt die individuelle Lernprozessbegleitung durch die Lehrperson eine zentrale Funktion im Projektunterricht ein. Neben beratenden Kurzgesprächen sind klare Strukturen, eindeutige Vereinbarungen sowie dialogisch geführte Lerntagebücher wichtige Gelingensbedingungen von Projektarbeiten.
Es gilt, den Kindern und Jugendlichen viel zuzutrauen und zuzumuten, sie aber auch immer wieder punktuell dort zu unterstützen, wo Zuwendung, Hilfestellungen und Ermutigungen nötig sind. Wenn sich Schülerinnen und Schüler selbstwirksam erleben, wird man staunen, wie bereits auch Kindergarten- und Primarschulkinder vermögen, ihren Fragen nachzuspüren, ihre Ideen in die Tat umzusetzen und dabei viele überfachliche Kompetenzen erwerben.
Lernen mit Mindsteps
Für den Erwerb der fachlichen Kompetenzen des Lehrplans 21 hat der Bildungsraum Nordwestschweiz die digitale Aufgabensammlung Mindsteps geschaffen. Mit ihr kann der aktuelle Lernstand in den Fächern Deutsch, Französisch, Englisch und Mathematik ab der 3. Klasse überprüft und nach unterschiedlichem Detailierungsgrad sichtbar gemacht werden. Als formativer Test eingesetzt, können etwa individuelle Stärken oder Lücken erkannt werden, die anschliessend gezielt bearbeitet werden. Im Teil «Steps» können die Lernenden selbstständig arbeiten. Um das Lernen zu fördern, ist der Dialog zwischen Lehrperson und der oder dem Lernenden essenziell. Der Ausbau von Mindsteps schreitet weiter voran, damit die Potenziale noch besser ausgeschöpft werden können.
Während Mindsteps in erster Linie die fachlichen Kompetenzen unterstützt, fördert das projektartige Lernen die überfachlichen Kompetenzen. Durch die hohe Anpassungs- und Individualisierbarkeit empfehlen sich beide Unterrichtsformen auch ausserhalb des Klassenzimmers für förderorientiertes, lernwirksames Unterrichten im Rahmen des Lehrplans 21. Immer ist eine umsichtige Lernbegleitung durch die Lehrperson wichtig, die Räume zum selbstgesteuerten Lernen schafft und im entscheidenden Moment Unterstützung gibt. Diese Herausforderung zeigt sich sowohl im Präsenz- als auch im Fernunterricht.
Aktuelle Kurse und weitere Informationen:
- Miniprojekte im Fernunterricht (Onlinekurs der PH FHNW)
- Projektartiges Lernen im Geschichtsunterricht (Onlinekurs der PH FHNW)
- Schülerprojekte begleiten im Rahmen des Abschlusszertifikats (Blended Learning Kurs der PH FHNW)
- Kurse zu Mindsteps (www.fhnw.ch/wbph-cmp)
- Support zu Checks und Mindsteps: 056 202 72 33
- mindsteps.ch (inkl. Erklärvideos; Lernende ab 3. Klasse erhalten ihre Logindaten von ihrer Lehrperson; gratis für Schulen des Bildungsraums Nordwestschweiz)
-
bildungsraum-nw.ch
-
projektunterricht.ch
-
selbstreguliertes-lernen.org
Mitarbeit: Claudia Zimmerli-Rüetschi. Sie führt Kurse und Seminare zu projektartigem Lernen durch.