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30.8.2024 | Pädagogische Hochschule

Welche Faktoren sind entscheidend für eine erfolgreiche Berufswahl?

Beim Übergang von der Schule in die Berufsbildung und die Erwerbstätigkeit werden entscheidende Weichen gestellt. Eine grosse Studie der PH FHNW zeigt, welche Gruppen von Jugendlichen möglicherweise benachteiligt sind und wie wichtig es ist, dass möglichst alle Jugendlichen einen Abschluss der Sekundarstufe II erreichen.

Seit mehr als zehn Jahren läuft die Längsschnittstudie «WiSel – Wirkungen der Selektion» am Zentrum Lernen und Sozialisation der PH FHNW. Sie untersucht, welche Faktoren für eine erfolgreiche Berufswahl entscheidend sind. Das Team um Markus Neuenschwander hat die Teilnehmenden ab der fünften Klasse bis nach ihrem Sek-II-Abschluss (Berufliche Grundbildung, Gymnasium, Fachmittelschule) begleitet und regelmässig befragt. Ebenfalls befragt wurden Eltern und Lehrpersonen. Inzwischen liegen zahlreiche wissenschaftliche und praxisorientierte Publikationen mit Ergebnissen und Schlussfolgerungen vor.

Am 29. August 2024 fand am Campus in Brugg-Windisch die Tagung «Erfolgreich von der Schule in die Erwerbstätigkeit – Tagung aus Anlass der 10-jährigen WiSel-Studie» statt. Dabei wurden ausgewählte Ergebnisse vorgestellt und diskutiert. Komplementär dazu wurden mehrere weitere grosse Studien präsentiert und Schlussfolgerungen für die Praxis sowie die (Berufs-)Bildungspolitik und -verwaltung diskutiert. Die Schlussfolgerungen sollen dazu beitragen, Jugendliche in einem zunehmend komplexen Umfeld auf dem Weg von der Schule in die Erwerbstätigkeit zu fördern.

Markus Neuenschwander, Leiter des Zentrums Lernen und Sozialisation der PH FHNW und Leiter der Studie, wies in seinem Referat auf Herausforderungen beim Übergang von der Schule in die Erwerbstätigkeit hin und strich unter anderem folgende Ergebnisse heraus:

«Ergebnisse der WiSel-Studie zeigen, dass eine erfolgreiche Berufswahl, eine hohe Lernmotivation der Jugendlichen im 9. Schuljahr und eine erfolgreiche Einführung und Begleitung der Betriebe in die berufliche Grundbildung das Erreichen eines Sekundarstufe-II-Abschlusses wesentlich begünstigen. Diese Fakten liefern Anhaltspunkte, wie wir frühzeitig Dropout aus dem Bildungssystem vorbeugen können».

«Ergebnisse der WiSel-Studie belegen, dass der Verzicht auf eine gegliederte Sekundarstufe I nicht nur die Bildungsgerechtigkeit erhöht, sondern auch die Leistungszunahme aller Schüler*innen begünstigt und einer frühzeitigen Kanalisierung der Jugendlichen in die Sekundarstufe II vorbeugt. Damit können mehr Jugendliche einen Abschluss der Sekundarstufe II erreichen und es kann dem Fachkräftemangel begegnet werden.»

«Ergebnisse der WiSel-Studie belegen, dass eine hohe Passung zwischen den Interessen bzw. Fähigkeiten und den schulischen Angeboten der Jugendlichen in der Sekundarstufe I die Berufsfindung und die Entwicklung in der beruflichen Grundbildung fördert. Jugendliche mit einer hohen Passung zur Schule erreichen eher einen Sekundarstufe-II-Abschluss acht Jahre später und sind eher bereit, eine tertiäre Ausbildung zu beginnen.»

«Ergebnisse der WiSel-Studie zeigen, dass hohe Erwartungen von Eltern und Lehrpersonen im 7. Schuljahr die Wahrscheinlichkeit eines intergenerationellen Bildungsaufstiegs ermöglichen, das heisst, dass die Jugendlichen einen höheren Bildungsabschluss als ihre Eltern erreichen. Davon können insbesondere Jugendliche mit Migrationshintergrund profitieren. Damit nimmt die Bildungsungleichheit ab.»

Wertvolle Anregungen für das Schulfeld und den Forschungsdiskurs

Dr. Sandra Hupka (Universität Bern) leitete an der Tagung einen Workshop. Sie betonte den Wert der WiSel-Studie: «Wer verstehen will, ob und wie es der Schule gelingen kann, Kinder und Jugendliche aufs Erwachsenenleben vorzubereiten, braucht Studien, die nicht nur punktuell, sondern langfristig den Werdegang von Jugendlichen in verschiedenen Bildungsinstitutionen und Stadien ihrer Bildungslaufbahn befragen. WiSel gehört zu den sehr wenigen Studien, die dies getan haben. Die verschiedenen Ergebnisse des Forschungsprojektes haben nicht nur immer wieder wertvolle Anregungen für den Forschungsdiskurs gegeben, sondern zeichnen sich auch dadurch aus, dass aus den Ergebnissen für Eltern, Lehrer und Bildungsverantwortliche wichtige Empfehlungen generiert werden konnten.»

Dagmar Rösler, Präsidentin des Dachverbands Lehrerinnen und Lehrer Schweiz und Teilnehmerin an der Podiumsdiskussion im Rahmen der Tagung, legte ihr Hauptaugenmerk auf die Chancengerechtigkeit: «In Zeiten, in welchen fast täglich über die Selektion, die integrative Schule und die Chancengerechtigkeit in der Bildung diskutiert und debattiert wird, kommt die Fachtagung zur Längsschnittstudie WiSel genau richtig. Das Verletzen der Chancengerechtigkeit im Schweizer Bildungssystem ist ausgeprägt. Deshalb müssen ernsthafte und konkrete Anstrengungen vorgenommen werden, damit die Herkunft von Schülerinnen und Schülern nicht über deren Zukunft entscheidet. Eine gute Grundlage dazu liefert die WiSel-Studie.»

Die über 140 Teilnehmenden der WiSel-Tagung nahmen so auch zahlreiche neue Inputs mit nach Hause. «Die Tagung hat aufgezeigt, dass unser aktuelles Oberstufenmodell potenziell starke Auswirkungen auf die berufliche Orientierung unserer Jugendlichen und ihren späteren Erfolg in der Arbeitswelt hat. Ich nehme mit, dass wir uns Gedanken machen müssen, mit welchen Unterstützungssystemen wir dem künftig noch besser entgegenwirken können», sagte etwa Götz Arlt, Leiter Sekundarstufe I beim Erziehungsdepartement des Kantons Basel-Stadt. Und Mascia Rüfenacht, Case Managerin beim Kanton Bern, ergänzte: «Die Kenntnisse wichtiger Einflussfaktoren, wie sie in der WiSel-Studie untersucht werden, sind für unsere Arbeit zentral. Wir versuchen diese Faktoren für jeden Einzelfall zu eruieren, damit der Übertritt in den Arbeitsmarkt möglichst rasch und reibungslos gelingen kann. Herausfordernd ist, wenn die Jugendlichen und jungen Erwachsenen uns nur unvollständig informieren und/oder unrealistische Erwartungen haben.»

Die Tagung zeigte neue wissenschaftliche Befunde auf, die nicht nur die wissenschaftliche Diskussion zur Thematik weiterführen, sondern auch zur Überprüfung und Optimierung von Strukturen und konkreten Supportangeboten in verschiedenen Kantonen beigetragen hat.

 

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