Roboterhilfe im Labor
Bevor aus einem medizinischen Wirkstoff ein fertiges Medikament wird, braucht es viele Experimente. Man muss die optimale Kombination an Stabilisatoren und anderen Zusatzstoffen finden und testen, ob ein Medikament immer gleichermassen gut wirkt. Dieser Prozess lässt sich mit einer Roboterplattform der HLS erleichtern. Sie ermöglicht verlässliche Studien für besonders empfindliche Biomoleküle. Ein neu entwickeltes Software-Tool kombiniert übersichtlich die Ergebnisse der einzelnen Experimente und beschleunigt damit die Suche nach der optimalen Medikamentenzusammensetzung.
Medikamente bestehen nicht nur aus Wirkstoffen. Verschiedene Zusatzstoffe in Tabletten und anderen Arzneiformen sorgen dafür, dass die medizinisch wirksamen Komponenten stabil bleiben und am richtigen Ort im Körper in der vorgesehenen Dosis freigesetzt werden. Je nach Medikament unterscheiden sich diese Stoffe. Um herauszufinden, welche Form der Zubereitung – Pharmazeuten sprechen von Formulierung – für den gewünschten Medikamenteneffekt am besten geeignet ist, sind teilweise Tausende von Tests nötig. «Es genügt nicht, verschiedene Kombinationen aus Zusatzstoffen herzustellen», erklärt Oliver Germershaus vom Institut für Pharma Technology der HLS. «Wir müssen diese Formulierungskandidaten auch chemisch analysieren und auf ihre Haltbarkeit testen, also über längere Zeiträume einlagern und hinterher prüfen. Viele dieser Schritte werden noch manuell gemacht. Dieser Prozess ist fehleranfällig und dauert lange, insbesondere für biologische Wirkstoffe.» Um die Herstellung verschiedener Formulierungen sowie die Vorbereitung von Proben zu automatisieren, haben die HLS-Forschenden in einem von der FHNW-Stiftung geförderten Wissenschaftsprojekt gemeinsam mit der Firma Hamilton Bonaduz AG eine kommerzielle Roboterplattform weiterentwickelt.
Glas statt Kunststoff
Die besondere Herausforderung des Projekts waren die biologischen Wirkstoffe selbst: Biomoleküle bauen sich mit der Zeit ab. Sie sind im Vergleich zu gewöhnlichen Wirkstoffen weniger stabil und sehr empfindlich, wenn sie zum Beispiel mit Luft in Kontakt kommen. «Herkömmliche Laborroboter arbeiten mit Kunststoffgefässen», sagt Germershaus. «Diese sind aber nicht vollkommen gasdicht. Werden Proben für Haltbarkeitsstudien eingelagert, kann Luft eindringen und das Testergebnis verfälschen. Ausserdem können sich aus dem Kunststoff manche Zusatzstoffe lösen und so die Wirkungseigenschaften des Medikaments beeinflussen.» Die Forschenden der HLS haben den Roboter nun so um gebaut, dass er anstelle von Kunststoff- mit Glasgefässen arbeitet. Diese reagieren nicht mit dem Medikament, sind luftdicht und lassen sich vollständig versiegeln. Das gewährleistet verlässlichere Testergebnisse. Bevor aus einem medizinischen Wirkstoff ein fertiges Medikament wird, braucht es viele Experimente. Man muss die optimale Kombination an Stabilisatoren und anderen Zusatzstoffen finden und testen, ob ein Medikament immer gleichermassen gut wirkt. Dieser Prozess lässt sich mit einer Roboterplattform der HLS erleichtern. Sie ermöglicht verlässliche Studien für besonders empfindliche Biomoleküle. Ein neu entwickeltes Software-Tool kombiniert übersichtlich die Ergebnisse der einzelnen Experimente und beschleunigt damit die Suche nach der optimalen Medikamentenzusammensetzung. Als Testsystem diente dem Forschungsteam ein monoklonaler Antikörper, also ein künstlich hergestelltes Biomolekül. Sechs verschiedene Zusatzstoffe wie Stabilisatoren und Puffer zur Säureregulation in unterschiedlichen Konzentrationenkamen für die Formulierung infrage, insgesamt 324 verschiedene Kombinationsmöglichkeiten, die der Laborroboter hergestellt hat. «Der Roboter hat mehrere Vorteile», sagt Germershaus. «Er ist etwa eineinhalbmal so schnell wie der Mensch und kann die verschiedenen Formulierungen sehr zuverlässig produzieren. Er macht genau das, wofür man ihn programmiert hat. Darüber hinaus ist der Roboter mit einer Reinlufthaube ausgestattet. Diese filtert die Luft, befreit sie von Partikeln und Mikroorganismen und ermöglicht es dem Roboter, die Formulierungen unter sterilen Bedingungen herzustellen.»
IT trifft auf Pharmatechnologie
Einen grossen Teil der Arbeit verrichtete das Forschungsteam am Computer. Wegen der vielen möglichen Formulierungen der Testsubstanzen war diese Programmierung sehr aufwendig und nur in Zusammenarbeit mit den Forschenden des Instituts für Medizintechnik und Medizininformatik der HLS möglich. Zuerst mussten sie den Roboter anpassen und seine neuen Aufgaben klar definieren. Für jeden einzelnen Schritt, so etwa: Geh mit der Pipettenspitze an diesen Ort, nimm einen Milliliter der Wirkstofflösung auf, geh dann an den anderen Ort, und mische nochmals durch. Trotz der weitgehenden Automatisierung des Prozesses kann der Laborroboter den Menschen nicht vollständig ersetzen, findet Germershaus: «Der Mensch schaut das Experiment mit all seinen Sinnen an. Unser Roboter arbeitet systematisch, aber nicht immer materialsparend. Einem Menschen fällt das sofort auf, während ein automatischer Mechanismus nur Aspekte kontrolliert, für die er vorprogrammiert wurde.» Auch die chemische Analytik baut auf die Kombination aus menschlicher Expertise und der systematischen Effizienz der IT. «Mittels statistischer Versuchsplanung konnten wir die 324 vom Roboter hergestellten Formulierungen in der Analyse auf 40 reduzieren und haben trotzdem noch eine ideale Kombination gefunden», so Germershaus. Dafür hat sein Team die 40 Formulierungskandidaten bei jeweils zwei unterschiedlichen Temperaturen eingelagert und zu je vier verschiedenen Zeitpunkten auf ihre Wirksamkeit analysiert. So waren es immer noch 320 verschiedene Proben, die die Forschenden mit unterschiedlichen Analyseverfahren untersucht haben. Dazu haben sie ein eigenes Software-Tool entwickelt, das die Versuchsergebnisse übersichtlich visuell darstellt. Für die Zukunft sehen die Forschenden noch Potenzial zur weiteren Automatisierung. So könnten etwa die Probennahme und Analytik wie auch die Interpretation der Analyseergebnisse durch den Roboter und seine Algorithmen übernommen werden. Bis zur vollständigen Automatisierung des gesamten Formulierungsprozesses dürfte aber nocheinige Zeit vergehen.