18.4.2024 | Fachhochschule Nordwestschweiz, Pädagogische Hochschule
Netzwelten im Schulhaus – wie ein FHNW-Projekt Schulen, Industrie und Hochschule vernetzt
Wer sich bewegt, lernt besser. In Zusammenarbeit mit Praxispartnern aus der Industrie und den Schulen verwandelt ein Projekt der Pädagogischen Hochschule FHNW Schulräume mit Netzen in dreidimensionale Lernwelten.
Das digitale Whiteboard ersetzt die alte Schultafel, an Lerninseln können Schüler in kleineren Gruppen lernen und individuell betreut werden – die Infrastruktur an Schweizer Schulen wird laufend moderner. Doch es gibt Ausnahmen: Die Einrichtung ist oft noch darauf ausgelegt, dass Kinder während des Unterrichts sitzen und sich wenig bewegen.
Ganz anders dagegen sehen die Lernräume aus, die das Innosuisse-Projekt «Netzwelten» unter der Leitung von Prof. Dr. Karin Manz, Leiterin der Professur für Unterrichtsentwicklung und Unterrichtsforschung an der Pädagogischen Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz (PH FHNW), in zwei Primarschulen in Lichtensteig SG und Allschwil BL konzipiert und installiert hat.
Innerhalb der Schulräume sind begehbare Netze gespannt, die aus ungenutztem Luftraum dreidimensionale Schul-, Lern- und Erlebnisräume machen. Sie laden die Kinder nicht nur zum Lernen und Spielen ein, sondern bieten auch Rückzugsorte an. Dort können die Schüler*innen stille Einzelarbeiten oder Lesezeiten während des Unterrichts erledigen. Aber auch für Erholungspausen sind die Netze geeignet.
Eine installierte Netzlandschaft im Schulhaus, Bild: Karin Manz
Besser und gesünder lernen in begehbaren Netzen
«Die meiste Zeit des Vormittags stillzusitzen widerspricht dem natürlichen kindlichen Bewegungsdrang,» erklärt Karin Manz. Bewegungsmangel gehört zu den grössten Gesundheitsrisiken und Schulkinder sind besonders betroffen. 16 Prozent der Schweizer Kinder und Jugendlichen sind gemäss aktuellen Studien übergewichtig, 25 Prozent haben speziellen Förderbedarf wie ADHS, was mit einem gesteigerten Bewegungsbedürfnis einhergeht.
Auch der Architekt und Schulraumgestalter Andreas Hammon kennt diese Zahlen. Er suchte deshalb nach Wegen, wie Kinder und Jugendliche ihren Bewegungstrieb auch im Schulraum ausleben könnten. Hammon entwickelte den Grundgedanken des Projekts Netzwelten. Die Idee: die Bewegung fördert nicht nur die Gesundheit, sie regt auch das Denken an und erleichtert Lernprozesse. Zur wissenschaftlichen Begleitung ging er auf Karin Manz zu. Sie erhebt nun, wie die Netze von Schüler*innen und Lehrer*innen genutzt werden und entwickelt didaktische Nutzungsanleitungen für Lehrer*innen und Schulleitungen.
Einzigartige Zusammenarbeit zwischen KMUs und Pädagogischer Hochschule
Hammon hatte bereits in Deutschland ein Projekt zu Netzwelten initiiert, aber es fehlten die geeigneten Materialien für die Netze. Um aus der Idee Realität werden zu lassen, spannten Karin Manz und Andreas Hammon deshalb mit Spezialisten für Seil- und Netzkonstruktionen zusammen, dem Schul- und Büromöbelhersteller Novex AG aus Hochdorf, dem Ingenieur Thomas Ferwagner von MSIng Officium Stuttgart, Experte für begehbare Netzkonstruktionen, und dem Seilhersteller Jakob Rope Systems AG aus Trubschachen.
Die Zusammenarbeit zwischen Pädagogik und KMU ist ungewöhnlich. Als bisher einziger Pädagogische Hochschule gelang es der PH FHNW, mit dem Projekt Netzwelten eine Förderung durch die Schweizerische Innovationsagentur Innosuisse einzuwerben. Für die Pädagogin war das Schreiben eines Businessplans ungewohnt. Aber auch der Geschäftsführer von Jakob Rope Systems AG, Urs Schneider, war bei der ersten Anfrage zurückhaltend: «Wir hatten zwar schon Seile und Netze für Spielplätze entwickelt, aber Schulräume waren für uns unbekannt. Wir konnten uns kaum vorstellen, dass es Bedarf für so etwas gibt.» Die hohen Anforderungen an Brandschutz und Sicherheit in Schulräumen schreckten vor einer Eigenentwicklung ab.
Die wissenschaftliche Expertise der Pädagogischen Hochschule FHNW ist ein wichtiges Argument für die Vermarktung unserer Netzinstallationen.
Schneider liess sich aber überzeugen, dass hier ein neuer Markt für die Produkte der Firma warten könnte. Gestützt auf die langjährige Zusammenarbeit mit Thomas Ferwagner entwickelte Jakob Rope Systems AG verstärkte Kunststoffseile und Endverbindungen, mit denen die Seile mit Holz und Metall verbunden werden. Für Schneider ist die wissenschaftliche Begleitung durch die PH FHNW ein Mehrwert: «Das ist ein Vorteil für uns und verschafft uns gute Verkaufsargumente.» Die Produktion und Montage erfolgen durch Jakob Rope Systems AG am Firmensitz in Trubschachen im Emmental. Auch der Möbelhersteller Novex AG sieht in der Kooperation Potential und entwickelte Schulmöbel mit Netzelementen wie etwa einen Gruppentisch mit Netznest.
Produktion der Seilnetze bei der Jakob Rope Systems AG, Bild: Jakob Rope Systems AG
Gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Nutzen
Karin Manz’ Vision ist, dass Netzwelten zukünftig eine Ergänzung zu traditionellen Schulräumen werden, als Lern- und Aufenthaltsbereiche im Innen- oder auch im Aussenbereich. In Allschwil und Lichtentsteig nutzen die Schüler*innen die Netze rege. Karin Manz' erste wissenschaftlichen Erhebungen deuten darauf hin, dass die Schüler*innen Lerninhalte von Unterrichtseinheiten im Netz gut verstehen und länger im Gedächtnis bleiben, oder wie es ein Schüler einer Projektklasse ausdrückt: «Auf einem Netz zu lernen ist verrückt und cool.»
Forschung und Dienstleistung für Unternehmen und Gesellschaft
Die anwendungsorientierte Forschung und Entwicklung an der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW ist auf die Beantwortung von Fragestellungen aus der Praxis ausgerichtet. Im Vordergrund stehen die Erarbeitung und der Transfer von praxisrelevanten Forschungsergebnissen. Unsere Projekte setzen wir partnerschaftlich mit Unternehmen und Institutionen aus Industrie, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft um.
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