21.8.2023 | Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik
Ist KI relevant?
Ein «Ja» drängt sich hinsichtlich jüngster Entwicklungen im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz (KI) unweigerlich als Antwort auf. Aus dieser Perspektive scheint nicht KI, sondern die Frage selbst irrelevant zu sein...
Werden hingegen die jüngsten Medienberichte rund um den Themenbereich KI herbeigezogen, könnte die Diskussion um ihre Bedeutung ebenso kontrovers geführt werden. Zwar deutet die hohe Medienpräsenz – spätestens seit der Ankunft moderner KI-Chatbots wie ChatGPT – auf die zukünftige Dominanz von KI in unserer Gesellschaft hin, jedoch regen gegensätzliche Beiträge zur Diskussion an: Einerseits betrachten Berichte die KI als «Auslöschrisiko für die Menschheit» (FAZ, 30.5.2023) durch eine Technologie, die in der Lage sein soll, «unmittelbar auf das menschliche Bewusstsein einzuwirken» (NZZ, 14.6.2023). Andererseits lesen wir, dass «Algorithmen viel können, dies aber nichts mit Intelligenz zu tun hat» (NZZ, 13.6.2023), sogar dass «ChatGPT immer dümmer» (NZZ, 31.7.2023) und sich letzten Endes als harmlos entpuppen wird.
Im weniger spekulativen Bereich der Expertenmeinungen erfahren wir, dass bedeutende Technologieunternehmen zunehmend KI-basierte Software entwickeln und einsetzen, was eine «vollständige Veränderung von Berufsprofilen» herbeiführen könnte (NZZ, 30.7.2023). KI wird auch beispielsweise zur Verbesserung von Klima- und Wettermodellen erprobt (Spektrum, 14.7.2023), wobei räumlich-zeitliche Prognosen ein zentraler Bestandteil solcher Untersuchungen sind.
Das Potenzial von KI in der geobezogenen Datenanalyse: Möglichkeiten, Herausforderungen und Anwendungen im «CAS Spatial Data Analytics»
Im Umfeld der Analyse von Daten mit Geobezug zeichnet sich (für die nahe Zukunft) tatsächlich ein recht konkretes Bild hinsichtlich der Relevanz von KI ab: Mit dem Anspruch quantitativer Ergebnisse einhergehend lassen sich umfangreiche Geodaten kaum mehr von Hand untersuchen, und so steht eine automatisierte Analyse bis hin zur Interpretation der Ergebnisse auf der Wunschliste des Anwenders. Es ist beinahe ein Glücksfall, dass wir uns im Themenbereich der «Spatial Data Analytics» auf die «Kernkompetenz» der KI schlechthin stützen können, d.h. der automatischen Erkennung reproduzierbarer Zusammenhänge in umfangreichen räumlichen Geodaten. Mit diesem Blickwinkel fällt es leicht, KI als Teilbereich des Zertifikatslehrgangs «CAS Spatial Data Analytics» zu rechtfertigen und anzubieten.
Was aber ist KI , und wie sind Begriffe wie KI, maschinelles Lernen, neuronale Netze und Deep Learning einzuordnen? Wie lässt sich das Potenzial der KI für Fragestellungen aus den Geowissenschaften entfalten und sinnvoll einsetzen? Wo liegen die Schwachstellen und (aktuell) die Grenzen? Und wo lauern im Zusammenhang mit KI tatsächlich Gefahren (rein technische, aber auch juristische und ethische)? Diese Fragen sollen im Rahmen des CAS anlehnend an folgenden Inhalten adressiert werden:
- Geschichte der KI
- Intelligenz der KI: künstliche neuronale Netze vs. menschliches Gehirn
- KI als maschinelles Lernen: klassische Methoden vs. Deep Learning
- Aufbau und Funktionsweise maschineller Lernmethoden
- konkrete Anwendungen maschinellen Lernens im Zusammenhang mit Geodaten: Umsetzung als Programmcode
Einblicke in die Welt der KI: Erfahrungen aus Forschungsprojekten im «CAS Spatial Data Analytics»
Im Rahmen des «CAS Spatial Data Analytics» werden Prof. Dr. Denis Jordan (Mathematiker) und Adrian Meyer (Biologe und Geoinformatiker) vom Institut Geomatik der FHNW durch das wahrscheinlich relevante und in jedem Fall spannende Thema der KI führen und dabei ihre Expertise teilen, die sie aus verschiedenen Forschungsprojekten gewonnen haben. Dazu zählen Folgende:
KI für die Arealstatistik der Schweiz
Für die Arealstatistik der Schweiz werden Landnutzung und -bedeckung (LU/LC) vom Bundesamt für Statistik mit über 4,1 Millionen Probenpunkten in einer komplexen und detaillierten Klassenstruktur erfasst und bilden die Datengrundlage für viele öffentliche Planungsentscheidungen. Im Rahmen des Bundesprojektes ADELE konzipierte und entwickelte das Institut Geomatik in Zusammenarbeit mit der Geotech Firma Exolabs GmbH einen ambitionierten multimodalen und -temporalen KI-Prototypen, mit welchem das Automatisierungspotenzial der Arealstatistik untersucht wurde. Klassen mit grossem Stichprobenumfang erreichten Genauigkeiten von mehr als 95 Prozent, wodurch bereits in der aktuellen Erfassungsperiode repetitive manuelle Klassifikationsaufgaben teilweise durch KI abgelöst werden können.
Beispielkartenausschnitt mit korrekt (hellblau) und inkorrekt (rot) klassifizierten Stichprobenpunkten der Arealstatistik mit Hilfe von KI.
Weitere Informationen zum Projekt sind hier zu finden.
Erkennung von Wildtieren und Habitatsmodellierung
Die Erfassung von Wildtierbeständen stellt ein wichtiges Monitoring-Instrument für die Forst- und Landwirtschaft dar. Darüber hinaus sind Bestandes- und Prädiktionsmodelle relevant für den Bahn- und Strassenverkehr, um kostspielige Kollisionen mit Wildtieren zu vermeiden. Das Institut Geomatik führt derzeit im Auftrag der staatlichen französischen Bahngesellschaft SNCF eine Forschungsarbeit durch, die zum Ziel hat, Wildschweinbestände in einer kontextrelevanten örtlichen und zeitlichen Auflösung in der Umgebung der Gleisanalgen zu erfassen. Eine Automatisierung soll auf der Basis multimodaler Daten, z.B. Satellitenbilder für unterschiedliche Vegetationstypen, und mit Hilfe von KI erreicht werden. In Voruntersuchungen anhand von UAV-Bildstreams, welche als Korrelat zu indirekten Aufenthaltsdaten herangezogen werden können, liess sich eine artenspezifische Klassifikationsgenauigkeit um 90 Prozent erreichen.
Wärmebild-Signaturen von UAV Bildstreams (oben) und Beispieldetektionen von Wildtiergruppen im Live-Überflug von Mischwald (unten)
Der Einblick in die Aktivitäten des Instituts Geomatik der FHNW unterstreicht das Nutzungspotential der KI in unserem Themenumfeld. Dennoch sind kontrovers diskutierte Gefahren im Zusammenhang mit der aufblühenden Technologie ernst zu nehmen, sodass wir eine kritische Auseinandersetzung mit den Auswirkungen der KI als Teil unserer Verantwortung sehen.
Wir freuen uns, Sie im Rahmen der Weiterbildung «CAS Spatial Data Analytics» kennen zu lernen und mit Ihnen eine hochaktuelle, kontrovers diskutierte und sicherlich relevante KI als Teil des CAS zu erkunden.
Mehr zum Dozenten
Prof. Dr. Denis Jordan ist seit 2017 Professor für Angewandte Mathematik und Statistik am Institut Geomatik der FHNW. Davor war er von 2010 bis 2017 Forschungsgruppenleiter am Universitätsklinikum der Technischen Universität München (TUM), wo er seine Habilitation (Priv. Doz.) zum Thema «Analysemethodik zur Identifizierung neuronaler Korrelate von Anästhetika induzierter Bewusstlosigkeit im EEG und in der fMRT» abschloss. Von 2004 bis 2010 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TUM und verfasste seine Dissertation zum Thema «Signalanalysemethoden für das EEG-Narkosemonitoring». Vor seiner wissenschaftlichen Karriere war Prof. Dr. Jordan von 1997 bis 2007 Gymnasiallehrer für Mathematik, Physik und Informatik am Gymnasium Burgdorf.