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8.5.2024 | Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik

«Zukünftiger Bedarf an öffentlicher Ladeinfrastruktur im öffentlichen Parkraum.»

Dirk Schmidt hat im Dezember 2023 die Weiterbildung «CAS Spatial Data Analytics» abgeschlossen. In seiner Zertifikatsarbeit untersuchte er den Bedarf an öffentlicher Ladeinfrastruktur im öffentlichen Raum mittels räumlicher Datenanalyse. Im Bericht stellt er sein Vorgehen und seine Ergebnisse vor.

In der Schweiz gibt es 4,7 Millionen Personenwagen. Diese Fahrzeuge werden entweder auf privaten Parkplätzen abgestellt oder im Strassenraum auf öffentlichen Parkplätzen parkiert. In den letzten Jahren werden bestehende Fahrzeuge immer häufiger durch batteriebetriebene Elektrofahrzeuge oder Plug-in-Hybridfahrzeuge ersetzt. Aktuell ist jeder dritte neu zugelassene Personenwagen in der Stadt Zürich ein elektrisch betriebener Personenwagen oder Plug-In-Hybrid. Entscheidend für die Attraktivität solcher Fahrzeuge ist die verfügbare Ladeinfrastruktur und der damit verbundene Strompreis. Während Fahrzeughalter mit privaten Parkplätzen und mit privatem Stromanschluss beim Laden des Fahrzeuges vom
günstigen Haushaltsstrompreis profitieren, sind Fahrzeughalter ohne privaten Parkplatz auf öffentliche Ladeinfrastruktur mit meist höheren Strompreisen angewiesen (Kemfert, Elmer, und
Dross 2017, 488).

Für Ladeinfrastrukturbetreiber, Energieversorger und Gemeinden ist es wichtig zu klären, in welchen Gebieten ein Bedarf an öffentlicher Ladeinfrastruktur für das Laden privater Anwohnerfahrzeuge ohne privaten Parkplatz besteht.

Untersuchung mittels räumlicher Datenanalyse

Im Rahmen dieser Arbeit wird anhand des Stadtquartiers Zürich-Altstetten untersucht, wie ein solcher Bedarf ermittelt werden kann. Es wird anhand der heutigen Situation aufgezeigt, an welchen Stellen im Quartiersgebiet bereits heute Anwohnerfahrzeuge im öffentlichen Raum parkiert werden und wie sich dieser Bedarf in Zukunft verändern könnte.

Diese Untersuchung erfolgt auf der Grundlage öffentlich verfügbarer Daten:

• Daten der amtlichen Vermessung mit dem Layer Bodenbedeckung und Einzelobjekte (geodienste.ch 2022)
• Daten des Gebäude- und Wohnungsregisters, hier der Stadt Zürich (Bundesamt für Statistik 2022)
• Parkplatzdaten der Stadt Zürich, als Punktlayer aller öffentlich zugänglichen Parkplätze der Stadt Zürich (opendata.swiss 2021)
• Stadtquartiersgrenzen als Shapefile zu den Stadtkreisen und Quartieren von Zürich und Winterthur (Amt für Raumentwicklung Zürich 2022) 

• historische Entwicklung Fahrzeugbestand nach Rechtsform, Jahr und Stadtquartier (Kanton Zürich - Statistisches Amt 2023b)

Die Abschätzung der zukünftigen Situation mit Elektrofahrzeugen basiert zusätzlich auf folgenden Daten:

• räumliche Auflösung der heutigen Bevölkerung (Kanton Zürich - Statistisches Amt 2022), als 100 m x 100 m Punktraster.
• historische Entwicklung Bevölkerungszahlen nach Stadtquartier (Kanton Zürich - Statistisches Amt 2023a)
• Entwicklungsprognose Bevölkerung Stadt Zürich mit dem mittleren Szenario aufgelöst nach Stadtquartier (Stadt Zürich - Amt für Statistik 2023)
• Entwicklung des Bestandes von Fahrzeugen mit Elektroantrieb in der Schweiz (Haan u. a. 2022, 15)

Mit der Programmiersprache Python wird ein Skript erstellt, welches mit Hilfe des Spatial Data Analytics Package geopandas sowie Maschine-Learning-Package scikit-Learn ortsbezogene Daten analysiert und verarbeitet.

Heutiger Bedarf an Parkplätzen im öffentlichen Raum

Anhand von Wohnungsdaten und der Fahrzeugstatistik der Stadt Zürich wird die Zahl der Anwohnerfahrzeuge je Gebäude abgeschätzt. Aus den amtlichen Vermessungsdaten zur Bodenbedeckung wird überprüft, welche Wohngebäude über eine Einstellhalle verfügen. Mit Hilfe einer Raster- und Nachbarschaftsanalyse wird anhand der Gebäudeanalyse und der Parkplatzdaten die Kenngrösse öffentliche Parkplätze je zugelassener Personenwagen ohne privaten Parkplatz ermittelt. Dabei wird angenommen, dass bei Wohngebäuden mit angeschlossener Einstellhalle für jedes Fahrzeug ein privater Parkplatz zur Verfügung steht. Zudem werden Gebäude mit insgesamt einer Wohneinheit als Einfamilienhäuser klassifiziert. Im Untersuchungsperimeter Zürich-Altstetten wird davon ausgegangen, dass für diese Einfamilienhäuser immer ein privater Parkplatz zur Verfügung steht.

Im Ergebnis zeigt Abbildung 1 ein geografisch detailliertes Bild davon, wie viele öffentliche Parkplätze im Strassenraum pro privatem Personenwagen heute zur Verfügung stehen.


g200_nb_prkpl_Abdeckung.pngAbbildung 1: Öffentliche Parkplatzverfügbarkeit je Personenwagen im 200 m Hektarraster mit Nachbarschaftsanalyse

Aus dieser dezidierten Hektarrasteranalyse zur heutigen Parkplatzabdeckung lässt sich ableiten, dass es mehrheitlich mehr Fahrzeuge ohne eigene Einstellhalle gibt als öffentlich verfügbare Parkplätze, was auf einen Parkplatzmangel hinweist (Median < 1). Es zeigt sich, an welchen Stellen im Stadtteil ein Bedarf an vorhandenen Parkplätzen und zusätzlichen öffentlichen Parkplätzen besteht. In dieser Betrachtung bleiben Elektrofahrzeuge und Plug-In-Hybride unbeachtet. Gemäss den Parkplatzdaten (opendata.swiss 2021) der Stadt Zürich gibt es aktuell (Stand 2019) keine öffentliche Ladeinfrastruktur im Stadtteil Altstetten.


Zukünftiger Bedarf für öffentliche Ladeinfrastruktur im Strassenraum

 
Fraglich ist nun, wie sich der räumlich aufgelöste Bedarf für öffentliche Ladeinfrastruktur am Beispiel des Stadtquartiers Zürich-Altstetten bestimmen lässt. Als Zieljahr wird hier das Jahr 2045 gewählt. Das Statistische Amt der Stadt Zürich bildet Bevölkerungsszenarien je Quartier bis zum Jahr 2045 ab. Die Anzahl der Elektrofahrzeuge wird anhand der Einwohnerzahl und der Entwicklung des Verhältnisses aus privaten Personenwagen pro Einwohner abgeschätzt. Mit Hilfe amtlicher Vermessungsdaten zur Bodenbedeckung wird überprüft, welche Wohngebäude über eine Einstellhalle verfügen. Im Ergebnis wird ein geografisch dezidiertes Bild gezeigt, wie viele private Elektrofahrzeuge ohne eigene Einstellhalle es im Jahr 2045 gibt und wo der zukünftige Bedarf an Parkplätzen im Strassenraum besteht.

konzentration_ePW2045.png

Abbildung 2: Räumliche Verteilung elektrisch betriebener Personenwagen ohne eigene Einstellhalle summiert auf 100 m x 100 m Raster inklusive der Nachbarn

Im Ergebnis zeigt sich, dass es im Stadtquartier Zürich-Altstetten gemäss dieser Abschätzung im Jahr 2045 in Summe ca. 6’950 Elektrofahrzeuge geben wird. Abzüglich der Fahrzeuge mit einem Tiefgaragenstellplatz werden es voraussichtlich noch knapp 5’000 E-Fahrzeuge sein, die auf eine öffentliche Ladeinfrastruktur angewiesen sind. Im Mittel werden ca. 24 Elektrofahrzeuge auf eine 100 m x 100 m Rasterzelle kommen. Vereinzelt gibt es Bereiche, in denen es voraussichtlich mehr als 55 Elektrofahrzeuge je Rasterzelle geben wird. Räumlich gesehen konzentrieren sich diese Bereiche auf wenige Zentren. Abbildung 2 zeigt die räumliche Verteilung der elektrisch betriebenen Personenwagen ohne Einstellhalle im Stadtquartier Zürich-Altstetten. Die höchste Konzentration ist hier im Zentrum des Quartiers zu finden. Eine Ursache dafür kann darin liegen, dass es im Stadtquartierszentrum mehrheitlich Altbaubestände gibt, welche nicht mit einer Tiefgarage ausgestattet wurden.

Konzentration_ePW2045_Zentrum.png

Abbildung 3: Räumliche Verteilung im Zentrum des Stadtquartiers mit bestehenden öffentlichen
Parkplätzen

In der Abbildung 3 ist zu sehen, dass es bereits heute im direkten Umkreis von Bereichen mit einer hohen Konzentration von Elektrofahrzeugen öffentliche Parkplätze der blauen und weissen Zone gibt. Diese Parkplätze mit öffentlicher Ladeinfrastruktur auszustatten, würde die Attraktivität für die Bewohner von Häusern ohne eine Einstellhalle erhöhen, auf Elektromobilität umzusteigen. Zudem kann diese räumliche Verteilung die Grundlage bieten das Carsharing-Angebot in diesen Gebieten auszuweiten, um im Sinne der Verkehrsstrategie der Stadt Zürich den Weg zu einer klimafreundlichen Mobilität zu ebnen (Stadt Zürich - Tiefbauamt 2023).

Ausblick / Verbesserungspotenzial

Das Ergebnis der IST-Analyse zeigt, dass die bestehenden öffentlichen Parkplatzkapazitäten nicht ausreichen, um die Nachfrage der Bewohner ohne eigene Einstellhalle zu decken. Unbeachtet in dieser Analyse bleiben oberirdische, private Parkplätze. Ein vielversprechender Ansatz für die Verfeinerung der Methodik wäre die Einbeziehung von zusätzlichen Daten, wie zum Beispiel OpenStreetMap-Daten. Wenngleich die Datenqualität von OpenStreetMap-Daten variiert, könnten genauere und räumlich umfassendere Informationen gewonnen werden. Dies würde es ermöglichen, die Positionierung öffentlicher Ladeinfrastruktur und Parkplätze präziser zu planen und dadurch Städte in ihrer nachhaltigen Verkehrs- und Stadtentwicklung besser zu unterstützen.

OSM.png

Abbildung 4: Parkplatzdaten mit Openstreetmap


Siedlungsgebiete_c.png

Abbildung 5: Mögliche zusätzliche Siedlungsgebiete

Für zukünftige Arbeiten sollten potenzielle neue Siedlungsräume einbezogen werden. Zusätzliche Bewohner in diesen neuen Gebieten sollen dann in der Bevölkerungsverteilung berücksichtigt werden. Es ist anzunehmen, dass solche neuen Wohngebiete über private Parkplätze verfügen werden, was die Bedarfe an öffentlicher Ladeinfrastruktur beeinflusst. Um ein vollständigeres Bild zu erlangen, ist es daher notwendig, diese Bereiche mit in Betracht zu ziehen.

Zum Autor

Dirk Schmidt.jpg

Dirk Schmidt hat einen Bachelor-Abschluss in Energiewirtschaft und sich im Master-Studium auf Erneuerbare Energien und Energieeffizienz mit Schwerpunkt auf die Netzintegration erneuerbarer Energien spezialisiert. In den letzten 10 Jahren hat er bei regionalen Energieversorgern in der Schweiz im Bereich der strategischen Netzplanung und des strategischen Asset-Managements gearbeitet.

Derzeit ist er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der FHNW tätig. Sein Hauptfokus liegt auf der Entwicklung automatisierter Spatial Data Analytics für zukünftige Treiber im Stromnetz (wie Wärmepumpen, Elektrofahrzeuge und erneuerbare Energien) sowie auf der automatisierten Berechnung von Netzrückwirkungen in der Mittel- und Niederspannungsebene.


Quellenverzeichnis

Amt für Raumentwicklung Zürich. 2022. „Stadtkreise und Quartiere Zürich und Winterthur“. {ESRIShapeFile}. Verfügbar unter: https://www.geolion.zh.ch/geodatensatz/show?gdsid=278.

Bundesamt für Statistik. 2022. „Eidg. Gebäude- und Wohnungsregister (GWR)“. {GeoPackage}. Verfügbar unter: https://www.housing-stat.ch/de/madd/public.html.

geodienste.ch. 2022. „Datenbezug: Amtliche Vermessung“. {GeoPackage}. Verfügbar unter: https://geodienste.ch/downloads/av.

Haan, Peter de, Silvan Rosser, Lukas Lanz, Felix Ribi, Michele Chamberlin, und Alessio Mina. 2022. „Electric and Hydrogen Mobility Scenarios Switzerland 2022“. EBP Schweiz AG. Verfügbar unter: https://www.ebp.ch/sites/default/files/2022-06/2022-05-16_EBP_Electric_Hydrogen_Scen_Switzerland_2022.pdf.

Kanton Zürich - Statistisches Amt. 2022. „Räumliche Bevölkerungsstatistik“. {GeoPackage}. Verfügbar unter: https://www.geolion.zh.ch/geodatensatz/show?gdsid=63.

Kanton Zürich - Statistisches Amt. 2023a. „Bevölkerungsbestand ab 1962“. Tabelle. Verfügbar unter: https://www.web.statistik.zh.ch/ogd/daten/ressourcen/KTZH_00000127_00001245.xlsx.

Kanton Zürich - Statistisches Amt. 2023b. „Personenwagen“. Tabelle. Verfügbar unter: https://www.web.statistik.zh.ch/ogd/data/KANTON_ZUERICH_398.csv.

Kemfert, Claudia, Carl-Friedrich Elmer, und Miriam Dross. 2017. „Grenzen der Technologieneutralität“. Zeitschrift für Politikwissenschaft 27 (4): 483–91. Verfügbar unter: https://doi.org/10.1007/s41358-017-0115-y.

opendata.swiss. 2021. „öffentlich zugängliche Strassenparkplätze OGD“. {GeoPackage}. Verfügbar unter: https://opendata.swiss/dataset/offentlich-zugangliche-strassenparkplatze-ogd.

Stadt Zürich - Amt für Statistik. 2023. „Bevölkerungsszenarien“. Tabelle. Verfügbar unter: https://www.stadt-zuerich.ch/prd/de/index/statistik/themen/bevoelkerung/bevoelkerungsentwicklung/bevoelkerungsszenarien.html.

Stadt Zürich - Tiefbauamt. 2023. „Stadtverkehr 2025“. Verfügbar unter: stadt-zuerich.ch/stadtverkehr2025.

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