Jahresrückblick Diversity 2022
2022 stand vor allem die Förderung der Awarenesskultur im Mittelpunkt.
Vorwort
Neben der Umsetzung des Aktionsplans Diversity 2021–2024 mit seinen Schwerpunkten Balancierung Geschlechterverhältnis, Abbau von Barrieren und Stärkung der Diversity-Kompetenz stand die Förderung der Awarenesskultur im Mittelpunkt der Diversity-Arbeit 2022. So beteiligte sich die FHNW am Aktionstag gegen sexuelle Belästigung an Schweizer Hochschulen und setzte die hochschulübergreifende Veranstaltungsreihe «INCLUDO» fort. Im November wurde das Sensibilisierungsvideo «Be aware» publiziert; dieses soll dabei unterstützen, «den inneren Autopiloten auszuschalten» und Stereotypisierungen zu vermeiden.
Um die FHNW inklusiver zu machen, wurden weitere Projekte wie z.B. die Einrichtung von All-Gender WCs realisiert. In der Lehre, Weiterbildung und Forschung & Entwicklung wurde Diversity in ihren verschiedenen Perspektiven und Dimensionen aufgegriffen und viele neue diesbezügliche Projekte initiiert bzw. umgesetzt.
Im Folgenden wird ein kleiner Rückblick mit einer Auswahl an Aktivitäten und Projekten im Bereich Diversity gegeben.
Awareness-Video
Die FHNW setzt sich für ein respektvolles und diskriminierungsfreies Arbeits- und Studierklima ein. Das neue Awareness-Video, das im Herbst 2022 intern publiziert wurde, soll hierzu einen Beitrag leisten. Es thematisiert die sogenannten «unconscious biases», unbewusste Vorurteile, die sich auf Fähigkeiten und Kompetenzen unterschiedlicher Personen oder Gruppen beziehen. Das Video regt dazu an, «den inneren Autopilot zu überdenken» sowie vorschnelle Urteile zu hinterfragen, indem mit falschen Zuordnungen «gespielt» wird: IT-Expertise liegt nicht automatisch bei Männern, Mütter können auch Partnerinnen haben, Namen lassen nicht immer fehlerfreie Rückschlüsse auf die Geschlechtsidentität zu. Zugleich gibt es nicht die «Guten» und die «Bösen»; wir alle treffen falsche Zuordnungen und unterliegen unseren Stereotypisierungen – und genau hier setzt das Video an.
Veranstaltungsreihe INCLUDO
Mit dem Veranstaltungsformat «INCLUDO – wir sind alle» möchte die FHNW hochschulübergreifend einen Raum für alle Studierenden, Mitarbeitenden und Weiterbildungsteilnehmenden schaffen, um über Diversity, Awareness sowie soziale Nachhaltigkeit zu lernen, sich darüber auszutauschen und zu verbinden. Nachdem die Hochschule für Gestaltung und Kunst Basel FHNW im November 2021 zu being queer@fhnw eingeladen hat, widmete sich die zweite INCLUDO-Veranstaltung dem Thema Inklusive Sprache. «INCLUDO #2— inklusiv.sprechen@fhnw» fand am 14. Juni 2022 online statt. Im Zentrum stand der interaktive Impulsvortrag «Inklusive Kommunikation» von Fairlanguage. Die Referent*innen gaben darin eine Übersicht über inklusive Sprache und stellten unterschiedliche Themenfelder inklusiver Kommunikation, wie zum Beispiel gendergerechte, antirassistische und antiableistische Sprache vor und skizzierten, welche Chancen inklusive Sprache bietet und wie sie umgesetzt werden kann.
Hochschulzugang für Geflüchtete
Das Projekt Integral, das von der Hochschule für Technik FHNW zusammen mit der Hochschule für Soziale Arbeit FHNW entwickelt wurde, bietet hochqualifizierten Geflüchteten ein Hinführungsstudium an, das sie auf ein anschliessendes reguläres Studium vorbereitet. Viele geflüchtete Menschen verfügen über eine höhere Ausbildung oder mehrjährige Arbeitserfahrung. Ein Hochschulzugang ermöglicht es ihnen, ihre Kenntnisse anzuwenden und ihre Potentiale zu entfalten. Das Projekt Integral, finanziert durch die Stiftung FHNW, wird seit 2021 als Pilotprojekt von der Hochschule für Technik FHNW angeboten und soll im Herbst 2024 in ein reguläres Angebot überführt werden. In der ersten Pilotphase 2021/2022 nahmen sieben Geflüchtete teil, von denen nun fünf Studierende das reguläre Studium aufgenommen haben. In der jetzigen Phase 2022/2023 gibt es im Hinführungsstudium 15 Teilnehmer*innen.
Digitale Barrierefreiheit/digitale Zugänglichkeit
Digitale Informations- und Kommunikationstechnologien bergen viel Potenzial für die Inklusion von Menschen mit Behinderungen. Der blosse Einsatz von digitalen Medien und Technologien reicht jedoch nicht. Notwendig ist die Sicherstellung der Zugänglichkeit (e-Accessibility), damit Menschen mit Behinderungen digitale Medien selbständig und unabhängig nutzen können und damit sichergestellt wird, dass durch die digitalen Medien nicht zusätzliche Barrieren entstehen. Im Teilprojekt «E-Accessibility» des strategischen Entwicklungsschwerpunkts «Hochschullehre 2025» werden Projekte initiiert, die die digitale Zugänglichkeit in der Lehre verbessern und damit zur Inklusion und Chancengleichheit von Menschen mit Behinderungen beitragen.
Lehre und Weiterbildung
Um die Diversity-Kompetenz der Angehörigen der FHNW zu stärken, wurden die Themen Diversität und Heterogenität in viele Lehr- und Lernformate integriert. Auch zahlreiche Bachelor- und Masterarbeiten griffen Fragestellung aus dem Bereich Diversity auf. Der Fokus reichte hier von der Nutzung von Avataren für einen vorurteilsfreien Bewerbungsprozess über selbstbestimmtes Wohnen und die UN-Behindertenkonvention bis hin zu Generationsmanagement in Unternehmen. Im Rahmen des Projekts Doing Diversity wurde an unterschiedlichen Lehrentwicklungsprojekten gearbeitet, um Diversitätskompetenzen in Lehr- und Lernkontexten an Hochschulen, Unternehmen und Schulen zu fördern. Neben dem CAS Diversity- und Gleichstellungskompetenz fokussierten viele Weiterbildungen auf diversityspezifische Fragestellungen. So gab es Angebote zu gendersensiblen und vielfaltsorientierte Beratungssettings, digitaler Barrierefreiheit oder interkultureller Kommunikationskompetenz. Das Thema Awareness und Schutz der persönlichen Integrität wurde in einigen Hochschulen im Rahmen der Welcome-Angebote bzw. Einführungsveranstaltungen aufgenommen.
Re-Banding Berufsfeld Fachhochschuldozent*in
Im Jahr 2022 konnte der Anteil der Professorinnen an der FHNW von 27.3 % auf 29.8 % gesteigert werden. Um das strategische Ziel der Erhöhung des Frauenanteils in Dozierenden- und Führungspositionen der FHNW weiter zu erreichen und dem generellen Fachkräftemangel an Fachhochschulen entgegenzuwirken, werden im Projekt «Re-Branding Fachhochschuldozent*in» der Hochschule für Angewandte Psychologie FHNW Erkenntnisse aus dem Professionsbranding für die FHNW umgesetzt. 2022 fanden drei Informationsveranstaltungen statt, in denen sich die über 60 Interessierten vertieft mit den Berufsperspektiven an der FHNW auseinandersetzen konnten. Neben grundlegenden Informationen zur Karriere an der FHNW erhielten die Teilnehmer*innen Einblicke von Dozentinnen verschiedener Hochschulen der FHNW in den vierfachen Leistungsauftrag. An den Workshops teilgenommen haben auch mehrere HR- und Diversity-Verantwortliche der FHNW, um Fragen zu beantworten und Active Sourcing zu betreiben.
Forschung
Das Thema Diversity wurde in verschiedenen Forschungsprojekten- und -kooperationen aufgegriffen. Ebenso wie in den Lehr- und Weiterbildungsangeboten wurde hier inhaltlich ein sehr breites Spektrum abgedeckt. Geforscht wurde zu Digital Balance, E-Inclusion oder inklusiver Sprache. Die FHNW ist des Weiteren mit mehreren Projekten wie zum Beispiel Akademisches Unternehmertum von Frauen an Schweizer Universitäten oder Inklusion von LGBTIQ+ Studierenden an Schweizer Hochschulen am swissuniversities Programm PgB 7 beteiligt. Mit der Publikation des Gender Equality Monitorings wurden die Anforderungen gemäss Horizon Europe an der FHNW erfüllt.
Vertrauenspersonen
Vertrauenspersonen sind interne Ansprechpersonen, an die sich Studierende und Mitarbeitende bei Verletzungen oder bei Beobachtungen von Verletzungen der persönlichen oder wissenschaftlichen Integrität wenden können. Sie beraten betroffene Personen und informieren sie insbesondere über die Prozesse und über den Melde- bzw. Verfahrensweg. Zudem unterstützen sie bei Gesprächen und wirken an Präventionsmassnahmen mit. Vertrauenspersonen unterstehen der Schweigepflicht. Nach einer internen Ausschreibung wurden aus einer Vielzahl an eingegangenen Bewerbungen neun Personen ausgewählt und ernannt. Ein wichtiges Kriterium war dabei die Diversität der Vertrauenspersonen, d.h. es wurde auf die Unterschiedlichkeit von u.a. Alter, Geschlecht bzw. Geschlechtsidentität und Funktion geachtet. Die ernannten Personen decken das ganze Spektrum von wissenschaftlichen, administrativen und leitenden Funktionen ab, sind auf verschiedene FHNW-Standorte verteilt und repräsentieren bewusst keine Hochschulen.
Nationaler Tag gegen sexuelle Belästigung
Sexuelle Belästigung und Sexismus sind gesellschaftliche Probleme, die auch vor den Schweizer Hochschulen nicht Halt machen. Eine hohe Arbeitslast, hierarchische Strukturen sowie wenig Diversität in gewissen Fachbereichen stellen Risikofaktoren für grenzverletzendes Verhalten dar. Der Nationale Tag gegen sexuelle Belästigung an Hochschulen, der jeweils am 23. März stattfindet, dient dazu, Hochschulangehörige zu sensibilisieren und auf die Anlaufstellen der Hochschulen zu verweisen. Auch die FHNW nutze diesen Anlass, um auf Vertrauenspersonen, Melde- und Prozesswege und geltende Reglemente aufmerksam zu machen. Zugleich beteiligt sich die FHNW am swissuniversities-Projekt «Kampagne der Schweizer Hochschulen gegen sexuelle Belästigung», das für den 23. März 2023 eine schweizweite crossmediale Präventions- und Sensibilisierungskampagne entwickelt.
All-Gender WC
«There are a few things that all of us need. We all need air to breathe. We need clean water to drink. We need food to eat. We need shelter and love. You know. Love is great, too. And we all need a safe place to pee.» (Video von Ivan Coyote, «Why we need gender-neutral bathrooms», TED Talk, 2015). Um diese sicheren Orte zu schaffen, weist die FHNW seit 2022 an den Standorten Basel, Brugg-Windisch, Olten und Muttenz mehrere All-Gender WCs aus. So können alle die Toilette benutzen, die der eigenen Geschlechtsidentität und dem eigenen Geschlechtsausdruck entspricht. Genderneutrale WCs tragen damit zur Erhaltung und Förderung der psychischen und physischen Gesundheit bei. Sie gewährleisten Sicherheit und schaffen eine diskriminierungsfreie Umgebung für unterschiedliche Menschen. Die Hochschule für Gestaltung und Kunst Basel FHNW hat mit dem Projekt GIVE YOUR VOICE—All Welcome WC@HGK ihre Angehörigen eingeladen, auf verschiedenen Kanälen Wünsche und Bedürfnisse bezüglich WCs einzubringen, die nun in einem nächsten Schritt sozial und ökologisch nachhaltig umgesetzt werden.
Arbeitsplatz für Sehbehinderte
Um die Barrierefreiheit zu erhöhen, hat die Campus Muttenz Bibliothek zusammen mit der Pädagogischen Hochschule FHNW und der Schweizerischen Fachstelle für Sehbehinderte im Beruflichen Umfeld (SIBU) einen sehbehindertengerechten PC-Arbeitsplatz eingerichtet. Er umfasst einen 28-Zoll-Bildschirm sowie die Software ZoomText. ZoomText vergrössert Texte und Grafiken und hat eine integrierte Sprachausgabe. Zu finden ist der Arbeitsplatz bei den Recherchecomputern gleich gegenüber der Infotheke.
Ausstellung «Gender im Grünen» und «Queens of Structure»
Geschlecht ist überall: im Körper und im Kopf, auf dem Spielplatz und beim Sport, auf dem Familienausflug und beim Fahrradfahren. Aber warum eigentlich? Was macht uns zur Frau, was zum Mann – und was führt darüber hinaus? Welche Geschlechtervorurteile nerven? Was hat sich in der Rollenverteilung verändert und wie ist die Geschlechtervielfalt in der Tierwelt? Zu diesen Fragen regte vom 10. September bis 9. Oktober der Rundgang «Gender im Grünen» am FHNW Campus Muttenz zum Dialog und Nachdenken an. An 13 Stationen im Campus Park und im Atrium fanden sich spannende historische Fakten, Statistiken und persönliche Geschichten. Die Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik FHNW unterstützte zudem die Wanderausstellung «Queens of Structure», welche vom 20. Oktober bis 27. November 2022 auf dem Theaterplatz Basel gastierte. Die Ausstellung gab einen Einblick in die Leistungen engagierter Bauingenieurinnen. Unter dem Motto «Drei Generationen Ingenieurinnen treffen sich auf dem Podium» stellen sich die Senior-Ingenieurin Valentina Kumpusch, die Junior-Ingenieurin Charlotte Bofinger und die Bauingenieursstudentin Jana Müller vor und diskutierten im intergenerationellen Rahmen das Wirken von Ingenieurinnen in der Baubranche.
Happy Pride Month
Der Juni stand im Zeichen der LGBTIQ+-Community. Erstmals war die Pride-Flagge an verschiedenen Standorten der FHNW zu sehen. Damit bekräftigte die FHNW ihr Statement als offene und inklusive Hochschule und lenkte im Juni die Aufmerksamkeit verstärkt auf die LGBTIQ+-Community. Seit über 50 Jahren wird besonders im Monat Juni weltweit durch verschiedene Aktionen die sexuelle und geschlechtliche Vielfalt gefeiert und gegen die Diskriminierung und fehlende Gleichstellung demonstriert. Der Pride Month bietet die Gelegenheit sich intensiver mit diesem Thema auseinanderzusetzen und zum Beispiel mit einer inklusiven Pride-Flagge Unterstützung zu signalisieren.
Nationaler Zukunftstag
Am 10. November 2022 fand an allen Standorten der FHNW der Nationale Zukunftstag statt. Rund 200 Schüler*innen der fünften bis siebten Klasse erhielten unter dem Motto «Seitenwechsel» Einblicke in verschiedene Berufsfelder. So durften beispielsweise Schülerinnen der sechsten und siebten Klasse Führungsfrauen durch deren Alltag begleiten und die Möglichkeit nutzen, in die Welt der Technik, Geomatik und Architektur einzutauchen. Währenddessen erhielten Buben in interaktiven Workshops etwa Einblicke in die Soziale Arbeit oder den Lehrberuf. Doch es gab noch viel mehr – von der virtuellen Schnitzeljagd durch die Bibliothek über «Gamen an richtig grossen Kisten» oder der Entdeckung szenischer Räume bis hin zur Erstellung von Tonaufnahmen.
Kids-Projekte
In den MINT-Sommercamps der Hochschule für Technik FHNW und des FHNW Campus Muttenz erhielten Kinder von 8 bis 12 Jahren in kreativen Workshops Einblicke in verschiedene naturwissenschaftliche Themen. Es wurde u.a. programmiert oder mit Robotern und Smartphones experimentiert. Als weitere Formate wurden girls@science und boys@science, die «Hack an App»-Projektwoche oder Robotik-Wettbewerb der «FIRST LEGO® League Challenge» angeboten, um Kinder und Jugendliche für die Welt der Technik und Naturwissenschaften zu begeistern. Gerade in den MINT-Studiengängen herrscht nach wie vor ein Mangel an Fachkräften. Mit ihren Nachwuchsangeboten möchte die FHNW mehr Interesse an MINT-Studiengängen schaffen sowie die Perspektivenvielfalt dieser Fächer erfahrbar machen. Dadurch soll auch der Anteil weiblicher Studierender in den technischen Studiengängen erhöht werden.
Synergien Nachhaltigkeit
Die Themen Nachhaltigkeit und Diversity sind eng miteinander verzahnt. Mindestens zehn der 17 Sustainable Developement Goals haben soziale Aspekte. Zugleich haben die ökologischen und ökonomischen Perspektive der Nachhaltigkeit einen unmittelbaren Einfluss auf die Menschen. Bisweilen führen die unterschiedlichen Perspektiven zu einem gewissen Spannungsverhältnis und schaffen Zielkonflikte, die es auszuhalten und transparent zu machen gilt. Zugleich liegen in dieser Mehrperspektivität grosse Chancen. An der FHNW werden Diversity und Nachhaltigkeit zusammen gedacht und als sich gegenseitig ergänzend verstanden. Die FHNW hat im Bereich Nachhaltigkeit zahlreiche Projekte und Massnahmen umgesetzt. Ein Auswahl wurde im Jahresrückblick Nachhaltigkeit FHNW 2022 publiziert.