4.3.2022 | Hochschule für Angewandte Psychologie
Konflikte als Chance
Konfliktsituationen im Unternehmen gehören zum betrieblichen Alltag dazu. Wie entstehen sie und warum ist es so wichtig, sie zu bearbeiten? – Interview mit Prof. Dr. Albert Vollmer, Programmleiter CAS Konfliktmanagement in der Arbeitswelt.
Prof. Dr. Vollmer, wann entstehen Konflikte im Arbeitsumfeld?
Konflikte entstehen dann, wenn man sich in einer Sachfrage nicht einigen kann, wenn man unterschiedliche Interessen nicht vereinbaren kann und wenn man persönliche Verletzungen erleidet. Im Alltag ist der Beginn eines Konflikts allerdings nicht so leicht auszumachen. Oft ist lange nicht klar, ob überhaupt ein Konflikt vorliegt. Man ist lange Zeit mit den Symptomen beschäftigt, bevor man sich dem Konflikt und seinen Ursachen zuwendet. Dies ist der viel wichtigere Zeitpunkt, weil man dann verstehen kann, um was es geht und wie man damit umgehen kann.
«Konflikte, die nicht ausgetragen werden, belasten die Menschen und kosten eine Menge Geld.»
Warum ist es so wichtig, diese Konflikte systematisch anzugehen?
Konflikte belasten die Menschen, wenn sie nicht ausgetragen werden. Die Folgen sind individueller Ärger, Demotivation und Leistungsabfall bis hin zu Vertrauensverlust und Störungen in der Zusammenarbeit mit anderen. Ausserdem kosten Konflikte eine Menge Geld: Studien gehen von Einsparpotenzialen von bis zu 25% der Kosten eines Unternehmens aus, wenn man Konflikte verhindert oder systematisch bearbeitet.
Es geht aber keinesfalls nur darum, die negativen Folgen von Konflikten zu verhindern. Konflikte, richtig bearbeitet, erhöhen die Produktivität, begünstigen Wandel und Innovation und ermöglichen persönliche Reife, wie Studien zeigen. Es gilt, einerseits die Bedingungen in Unternehmen so zu gestalten, dass unnötige Konflikte verhindert werden, z. B. klare Rollenverteilungen zu schaffen. Andererseits braucht es Prozesse und Kompetenzen, um die nötigen Konflikte konstruktiv bearbeiten zu können. Nötig sind Konflikte dann, wenn unterschiedliche Meinungen, insbesondere in Sachfragen, ausdiskutiert werden müssen, um die beste Lösung zu erhalten, die von allen mitgetragen wird. Nur zu diskutieren reicht oft nicht, weil es gerade in Konflikten vielfach darum geht recht zu haben und sich durchzusetzen. Methoden des Konfliktmanagement dagegen sind systematische Verfahren mit klaren Regeln, z. B. des Zuhörens, Argumentierens oder des Perspektivenwechsels.
Welche Methoden des Konfliktmanagements werden in diesem CAS vermittelt?
Wir vermitteln zunächst individuelle Handlungsstrategien, die vom Vermeiden über den Kompromiss bis zu integrativen Konfliktstrategien reichen. Dazu gehört auch, Gedanken und Gefühle zu reflektieren, um sie den eigenen Handlungen zugrunde zu legen. Darüber hinaus vermitteln wir die Methoden des Konfliktcoachings und der Konfliktmoderation, Verhandlungstechnik, mediative Methoden sowie diskursive Methoden. Die Teilnehmenden lernen, für spezifische Konfliktsituationen die passende Methode anzuwenden und so einzelne Personen oder Gruppen durch den Konflikt zu begleiten.
«Die Teilnehmenden wenden die Theorie aus dem Unterricht laufend in der Praxis an.»
Wie stellen Sie sicher, dass die Teilnehmenden die Theorie in der Praxis anwenden können?
Die Weiterbildungsteilnehmenden üben die Methoden mit Beginn des CAS im Unterricht und wenden sie in ihrer Praxis an. Sie machen in ihrem Unternehmen zum Beispiel eine Fallanalyse, eine Teambefragung, wenden mediative Techniken an oder üben sich in einer Teammoderation. Was sie im Unterricht an Theorie erhalten, setzen sie in ihrem Arbeitsumfeld um und reflektieren dies wieder im Unterricht.
Welche Voraussetzungen muss jemand mitbringen, um an diesem CAS teilnehmen zu können?
Die Teilnehmenden brauchen einen Hochschulabschluss oder eine vergleichbare Ausbildung, Berufserfahrung sowie eine Position im Unternehmen, die verlangt, dass man sich mit Konflikten auskennt. Genauso wichtig sind neben diesen formalen Voraussetzungen eine hohe Motivation, mehr über dieses Thema zu erfahren und das Bedürfnis, das eigene Wissen und die eigenen Fähigkeiten zu erweitern.
Welche Rolle spielt Konfliktmanagement angesichts der derzeitigen Entwicklungen in der Welt?
Die Welt braucht eindeutig mehr Kooperation und konstruktive Konfliktlösungen. In den Unternehmen ist dies genau gleich. Komplexe Problemstellungen brauchen den Einbezug der beteiligten Menschen und deren Wissen und Willen, gemeinsame Lösungen zu entwickeln. Unterschiedliche Perspektiven müssen reflektiert werden, unterschiedliche Interessen ausbalanciert und Beziehungen gestärkt werden.
Zur Person:
Prof. Dr. Albert Vollmer ist in Lehre, Forschung, Weiterbildung und Dienstleistung an der Hochschule für Angewandte Psychologie FHNW tätig. Seine Themen: Kooperation und Konflikt. Er ist Programmleiter des CAS Konfliktmanagement in der Arbeitswelt.