Konnektivismus kurz erklärt
Neben technologischen Fortschritten ist das Wissenswachstum massgebend für die didaktische Weiterentwicklung seit den konstruktivistischen Ansätzen (Siemens 2004): „Knowledge is growing exponentially. In many fields the life of knowledge is now measured in months and years“. Die drei wichtigsten Lerntheorien – der Behaviorismus, der Kognitivismus sowie der Konstruktivismus – wurden gemäss Siemens (ebd. 2004) formuliert, als digitale Medien und die Wissensgesellschaft das Lernen noch wenig beeinflussten. Siemens (vgl. ebd. 2004, 2005) schlägt deshalb eine neue Lerntheorie für die digitale Ära vor. Lernen ist nach Siemens (2004) “a process that occurs within nebulous environments of shifting core elements - not entirely under the control of the individual. Learning (defined as actionable knowledge) can reside outside of ourselves (within an organization or a database), is focused on connecting specialized information sets, and the connections that enable us to learn more are more important than our current state of knowing.“
Eine Lerntheorie für die digitale Gesellschaft?
Downes (2008) definiert Konnektivismus wie folgt: “At its heart, connectivism is the thesis that knowledge is distributed across a network of connections, and therefore that learning consists of the ability to construct and traverse those networks.”
Im Konnektivismus ist Lernen „eine Aktivität der Netzwerkbildung, bei der verfügbare Wissensbestände aufgegriffen und durch neue Verknüpfungen im Netzwerk rekonstruiert werden“ (Kerres et al. 2011, S. 6). Ein entscheidender Aspekt des Lernens ist die Fähigkeit, solche Verknüpfungen zwischen Informationsquellen zu einem persönlichen Netzwerk auszubauen, was zu einer „amplification of learning, knowledge and understanding“ führen kann. Lernen und Wissen gründen nach Siemens (2004) in einer Vielfalt von Meinungen. Diese tragen zu neuem Wissen bei. Die Fähigkeit, Verknüpfungen zwischen solchen vielfältigen Ideen und Konzepten zu erkennen und weiterzuentwickeln, gilt Siemens (ebd. 2004) deshalb als Schlüsselkompetenz des Lernens.
Die Kapazität, sich neues Wissen zu verschaffen ist für Siemens (ebd. 2004) klar bedeutsamer als das aktuell verfügbare individuelle Wissen:
„The pipe is more important than the content within the pipe. Our ability to learn what we need for tomorrow is more important than what we know today“ (Siemens 2004).
Vernetzung von Wissensressourcen
Zentral ist also nicht existierendes Wissen sondern die Fähigkeit „to create connections with the world beyond the school in order to develop the networking skills that will allow them to manage their knowledge effectively and efficiently in the information society“ (Verhagen 2006). Für Siemens (2004) stellt der Ansatz des Konnektivismus ein neues Lernmodel dar, das die Veränderungen berücksichtigt, die entstehen, wenn Lernen nicht länger eine ausschliesslich interne und individuelle Aktivität ist. Die Analyse der Lernprozesse in bestehenden Theorien ergänzt Siemens (ebd. 2004) um die Frage nach dem „where“, also dem Auffinden des Zugangswegs zu relevanten Informationen, die zukünftig gebraucht werden.
Verhagen (vgl. 2006) kritisiert am Konnektivismus, dass es sich dabei nicht um eine Lerntheorie im eigentlichen Sinn handelt, sondern eher um eine eigene pädagogische Sichtweise. Der Konnektivismus ist zu wenig „specific and coherent“ (ebd. 2006) und bietet keine ausreichend verifizierbaren Erklärungen des Lernens. Scholz (2010) meint, dass der Konnektivismus keine Lerntheorie für sich ist, sondern „eine Erweiterung der bisherigen und eine eigene Lernphilosophie“. Viele der Ideen des Konnektivismus sind nach Scholz (ebd. 2010) zudem bereits in bestehenden Lerntheorien, insbesondere im Konstruktivismus, enthalten.
Die Entwicklung dieser Plattform für OER der Sozialen Arbeit ist in vielfältiger und immer wieder auch grundlegender Weise durch die von Siemens (2004, 2005) und Downes (2008) formulierte pädagogische Sichtweise des Konnektivismus inspiriert.
Literatur
- Bergamin, Per/Filk, Christian (2009). 'Open Educational Resources' (OER) - Ein didaktischer Kurswechsel? In: Bergamin, Per/Muralt Müller, Hanna/Filk, Christian (Hg.). Offene Bildungsinhalte (OER). Teilen von Wissen oder Gratisbildungskultur? hep Verlag. S. 25–38.
- Downes, Stephen. 2008. Connectivism: A Theory of Personal Learning. http://www.slideshare.net/Downes/connectivism-a-theory-of-personal-learning (Zugegriffen: 21. März 2013).
- Kerres, Michael, Tobias Hölterhof, und Axel Nattland. 2011. Zur didaktischen Konzeption von „Sozialen Lernplattformen“ für das Lernen in Gemeinschaften. Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung. http://www.medienpaed.com/2011/kerres1112.pdf (Zugegriffen: 6. Dez. 2012).
- Scholz, Monique. 2010. Kritik am Konnektivismus. http://www.h-age.net/hinter-den-kulissen/372-kritik-am-konnektivismus.html (Zugegriffen: 22. Sep. 2012).
- Siemens, George. 2004. Connectivism. A Learning Theory for the Digital Age (Online-Dokument).
- Siemens, George. 2005. Connectivism: Learning as Network-Creation (Online-Dokument)
- Verhagen, Pløn. 2006. Connectivism: a new learning theory? http://www.scribd.com/doc/88324962/Connectivism-a-New-Learning-Theory (Zugegriffen: 22. Sep. 2012).