"Wir sind ein Dienst, keine Behörde": Multiple institutionelle Logiken in einem Schweizer Jugendamt
Ein ethnografisches Fallbeispiel aus der street-level bureaucracy
Mit dem 2013 in Kraft getretenen Kindes- und Erwachsenenschutzgesetz erlebte das Schweizer System der Kinder- und Jugendhilfe neben rechtlichen auch strukturelle und organisationale Veränderungen. Denn dieses Gesetz führte dazu, dass die Kantone und Gemeinden die Zuständigkeiten im Bereich des Kindes- und Erwachsenenschutzes neu regeln und sogenannte Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden einrichten mussten. Im Zuge dieser Umgestaltungen wurden neue fachliche und organisationale Rollen und Selbstverständnisse etabliert, die nicht selten Widersprüche und Ambivalenzen erzeugten, welche mitunter bis heute anhalten und zum Teil symptomatisch für die sogenannte "street-level bureaucracy" (Lipsky 2010) sind. Anhand eines ethnografischen Fallbeispiels gehen wir in diesem Beitrag der Frage nach, wie das von uns untersuchte Jugendamt mit Anforderungen umgeht, die ihm aus unterschiedlichen institutionellen Logiken erwachsen. Mit dem Konzept der "institutional logics" (Thornton & Ocasio 2008) stützen wir uns auf Überlegungen, die dem organisationssoziologischen Neoinstitutionalismus entstammen. Im untersuchten Jugendamt zeigten sich ambivalente oder gar konfligierende Logiken empirisch nicht nur als verstrickt, sondern gerade ihre Ununterscheidbarkeit eröffnete organisationale Handlungsspielräume. Diese Befunde lassen sich möglicherweise für andere street-level bureaucracies verallgemeinern.
Lizenz: Open Access
Quelle: Forum Qualitative Sozialforschung, 2
Sammlungen: Zeitschriftenartikel/Monographien
Schlagwörter: Kindesschutz und Erwachsenenschutz, Ethnografie, KESB, Fallbeispiele, Kinderhilfe und Jugendhilfe, Organisationssoziologie
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