Postmoderne Nachbarschaften
Ein stadtentwicklungspolitisches Handlungsfeld?
Sucht man einen Anknüpfungspunkt aus der Theorie, von dem aus beschrieben werden kann, wie sich die soziale Welt grundlegend verändert hat, bietet sich der Diskurs zur Postmoderne an. Dabei ist es alles andere als eindeutig, was mit diesem Begriff gemeint wird. Ein wichtiger Denker der Postmoderne, der polnisch-britische Philosoph Zygmunt Bauman, verdeutlicht, dass diese Uneindeutigkeit bereits typisch ist für den Charakter "des Postmodernen", denn: "Summa summa-rum zeigt sich der postmoderne Geist weniger als sein moderner Konkurrent von der Idee begeistert (und schon gar nicht von dem Drang besessen), die Welt in ein Gitter sauberer Kategorien und klar umrissener Einteilungen zu sperren" (Bauman 1999, S. 295). Im Gegenteil: postmoderne Lebensentwürfe zeichnen sich dadurch aus, dass sie eine Festlegung von Identitäten geradezu vermeiden. Bei der Suche nach der geeigneten Interventionsebene ist das Quartier in den letzten Jahren in den Fokus der Entscheider gerückt - sei es in den Kommunen, bei Investoren oder in der Wohnungswirtschaft. In vielen Ländern wurden planungspolitische Programme entwickelt, die unter dem Begriff der "Area Based Policies" zusammengefasst werden können und kleinräumige Entwicklungen in den Blick nehmen. Dieser Ansatz geht davon aus, dass in Quartieren erhebliche (soziale) Potenziale vorliegen, die für die Verhandlungssituationen genutzt werden sollten (sog. Quartiersansatz). Spätestens mit dieser Fokussierung auf das Soziale und seine Potenziale kommen die Bewohner stärker zur Geltung und damit auch die kleinräumigere Betrachtungseinheit "Nachbarschaft". Diese erlebt in den letzten Jahren eine schleichende Renaissance - etwa im Zusammenhang mit der demografischen Alterung, mit Zuwanderung oder im Kontext neuer urbaner Lebensstile. Doch in der wissenschaftlichen, aber auch politischen Wahrnehmung von Quartier und Nachbarschaft bestehen markante Unterschiede: Während sich die Quartiersforschung international in den letzten Jahren ganz im Sinne postmoderner Diskurse stark ausdifferenziert hat, blieb die Nachbarschaftsforschung bis heute vielfach noch im Ordnungsdenken der Moderne verhaftet. Deshalb lohnt es sich, einen forschenden und gegenwartsbezogenen Blick auf das Konzept "Nachbarschaft" zu werfen, auch um anschließend Akteuren der Stadtentwicklung Vorschläge zu unterbreiten, wie sie mit dem Konzept umgehen können.
Lizenz: Open Access
Quelle: ResearchGate
Sammlungen: Zeitschriftenartikel/Monographien
Schlagwörter: Stadtentwicklung, Postmodernität, Identität, Gemeinwesen, Migration, Lebensstil
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