Jahresrückblick Diversity 2024
2024 stand vor allem die Sensibilisierung für die verschiedenen Diversity-Dimensionen im Vordergrund.
«Wir alle sollten wissen, dass Vielfalt eine Stärke ist und nicht eine Bedrohung.»
Im vergangenen Jahr haben wir nicht nur den Aktionsplan Diversity 2021–2024 mit seinen Schwerpunkten auf Geschlechterbalance, Barrierenabbau und Stärkung der Diversity-Kompetenz erfolgreich umgesetzt, sondern auch intensiv an den Diversityzielen 2035 und dem Aktionsplan Diversity 2025–2028 (PDF) gearbeitet. Im Folgenden geben wir einen spannenden Rück- und Einblick auf die Diversity-Aktivitäten der FHNW im Jahr 2024.
Sprache ist mächtig. Sie kann inspirieren, klären und verbinden, aber auch Vorurteile schüren oder Missverständnisse erzeugen. Nachdem 2023 der FHNW-Sprachkompass publiziert wurde, fanden dieses Jahr mehrere Schulungen zum Thema «Achtsam und respektvoll kommunizieren» statt. In den ImpulsWerkstätten der Hochschullehre 2025 erhielten Mitarbeitende einen Überblick über die Grundlagen einer reflektierten und respektvollen Sprache und konnten zugleich mittels konkreter Alltagsbeispiele die Anwendung des Sprachkompasses üben.
Digitale Technologien bieten grosses Potenzial für die Inklusion von Menschen mit Behinderungen, entscheidend ist jedoch die Sicherstellung der Zugänglichkeit (e-Accessibility). Im Teilprojekt «E-Accessibility» des Schwerpunkts «Hochschullehre 2025» wurden mehrere Initiativen gestartet, um die digitale Zugänglichkeit in der Lehre zu verbessern. Für die Plattformen Lehre und newlearning.fhnw wurde hilfreiches Material erarbeitet, das z.B. Lehrende, Webdesigner*innen oder E-Learning-Fachpersonen dabei unterstützt, Lernmaterialen digital zugänglicher zu machen.
Der Frage «Wie setzen Bildungsorganisationen digitale Teilhabe um?» ging das Projekt «Digitale Teilhabe in der beruflichen Aus- und Weiterbildung» der Hochschule für Soziale Arbeit FHNW nach. Auf der Basis der wissenschaftlichen Erkenntnisse aus dem Projekt wurden Massnahmen zum Abbau dieser Hindernisse erarbeitet; diese werden 2025 publiziert. Die Massnahmenvorschläge zeigen, wie Bildungspolitik, Bildungsorganisationen und Lehrkräfte auf digitale Teilhabe Einfluss nehmen und zum Gelingen der beruflichen Bildung von Lernenden mit Behinderungen beitragen können.
Im «Bericht Soziale Selektivität» (2018) stellt der Schweizerische Wissenschaftsrat (SWR) fest, dass der Bildungserfolg sowie der darauffolgende Lebensverlauf nach wie vor stark von leistungsfremden Kriterien wie soziale Herkunft, Migrationsgeschichte und/oder Geschlecht abhängen. Dies bestätigt auch eine Pilotstudie, die Marcel Verhoeven und Susan Göldi an der Hochschule für Wirtschaft FHNW durchführten und in deren Rahmen sie Befragungen durchführten. Besonders ausgeprägt ist der Rückstand in sozialen Gruppen mit Wechselwirkungen von sozialer Schicht, Gender und Migrationsgeschichte: Frauen aus tieferen sozialen Schichten mit erschwerten Bildungszugängen und Migrationsgeschichte zeigen die schlechtesten Zugehörigkeitswerte und Leistungen. Männer aus höheren sozialen Schichten ohne Migrationsgeschichte hingegen zeigen das Gegenteil. Zur Steigerung des School Belonging werden aus der Pilotstudie abgeleitet Massnahmen vorgeschlagen, die für die FHNW ab 2025 aufgegriffen werden (siehe Diversityziele 2035 und Aktionsplan Diversity 2025–2028 (PDF)).
Vertrauenspersonen sind interne Ansprechpersonen, an die sich Studierende und Mitarbeitende bei Verletzungen oder bei Beobachtungen von Verletzungen der persönlichen oder wissenschaftlichen Integrität wenden können. Sie beraten betroffene Personen und informieren sie insbesondere über die Prozesse und über den Melde- bzw. Verfahrensweg. Zudem unterstützen sie bei Gesprächen und wirken an Präventionsmassnahmen mit. Vertrauenspersonen unterstehen der Schweigepflicht. Im Jahr 2024 waren 10 Vertrauenspersonen tätig. Die ernannten Personen decken das ganze Spektrum von wissenschaftlichen, administrativen und leitenden Funktionen ab, sind auf verschiedene FHNW-Standorte verteilt und repräsentieren bewusst keine Hochschulen. Insgesamt wurden 2024 52 Beratungen zu Mobbing, Diskriminierung, sexueller Belästigung und Verletzung wissenschaftlicher Integrität durchgeführt. Des Weiteren wurde im Rahmen von Informationsanlassen und Social Media-Kampagnen über das Angebot der Vertrauenspersonen informiert.
Auch im Jahr 2024 gab es zahlreiche Angebote für Mitarbeitende, die zu Diversity-Themen im Arbeitsalltag sensibilisierten. Zum Beispiel wurde eine hochschulübergreifende Workshopreihe zum Thema «rassismussensible Hochschule» angeboten. Hochschulen müssen sich im Diskurs über Rassismus positionieren, die oft unbewussten rassistischen Strukturen und Praktiken hinterfragen und diesen entgegenwirken. Hierfür braucht es Wissen und Sensibilität, um Rassismus zu erkennen, und es verlangt nach Sprache und Haltung, um diesen benennen zu können. In der Workshopreihe nahm Referentin Rahel El-Maawi, Dozentin für Soziokultur und Beraterin für diversitätsorientierte Organisationsentwicklung, die Kommunikationsverantwortlichen, Diversitybeauftragten und HR-Personen der FHNW auf eine rassismuskritische Reise. Neben der Vermittlung von Grundlagen boten sich Reflexionsräume, um das eigene Handeln sowie strukturelle Bedingungen kritisch beleuchten zu können. Dem Thema «Rassismus im Schulkontext und Bildungsbereich» widmete sich die Pädagogische Hochschule FHNW in ihrer Gesprächsreihe «Diversität.Bildung.Profession». Dort diskutierten Tilo Bur (Co-Autor*in von «No to Racism», Lehrperson und Mitbegründer*in des Vereins Diversum), Simon Affolter (Co-Autor der Studie «Rassismus und Repräsentation gesellschaftlicher Diversität in Lehrmitteln», wissenschaftlicher Mitarbeiter der Pädagogischen Hochschule FHNW) sowie die Studentinnen Selina Waltisperg und Gina Pelosi. Moderiert wurde der Anlass von Anja Nunyola Glover, Soziologin und Rassismus-Expertin.
Im Jahr 2024 konnte der Anteil der Professorinnen sowie der Frauenanteil in Führungspositionen an der FHNW von 30% auf 32% gesteigert werden. Um das strategische Ziel der Erhöhung des Frauenanteils in Dozierenden- und Führungspositionen der FHNW weiter zu erreichen und dem generellen Fachkräftemangel an Fachhochschulen entgegenzuwirken, wurden im Projekt «Re-Branding Fachhochschuldozent*in» der Hochschule für Angewandte Psychologie FHNW Erkenntnisse aus dem Professionsbranding für die FHNW umgesetzt. 2024 fanden mehrere Informationsveranstaltungen statt, in denen sich Interessierte vertieft mit den Berufsperspektiven an der FHNW auseinandersetzen konnten. Neben grundlegenden Informationen zur Karriere an der FHNW erhielten die Teilnehmer*innen Einblicke von Dozentinnen verschiedener Hochschulen der FHNW in den vierfachen Leistungsauftrag. Das Projekt wird im Rahmen des neuen Aktionsplans Diversity 2025–2028 (PDF) mit dem Fokus auf diversitätssensibles Talentmanagement weitergeführt.
Über 50 Kinder zwischen 8 und 12 Jahren nahmen am den MINT Sommercamps der Hochschule für Life Sciences FHNW, Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik FHNW und Hochschule für Technik FHNW teil. Dabei tauchten sie spielerisch in die Welt der Naturwissenschaften ein. Am 14. November 2024 fand zudem an allen Standorten der FHNW der Nationale Zukunftstag statt. Rund 200 Schüler*innen der fünften bis siebten Klasse konnten an Workshops teilnehmen. So durften beispielsweise Schülerinnen Führungsfrauen durch deren Alltag begleiten, endoskopische Operationen durchführen oder erneuerbare Energien aufspüren, während sich Jungen auf das Abenteuer «Schule geben» einlassen konnten oder die Werkzeugkiste von Sozialarbeiter*innen kennenlernen und ausprobieren durften. Und das war längst nicht alles, was den Kindern geboten wurde: Vom T-Shirt plotten, Bilder kreieren mit Künstlicher Intelligenz bis hin zu virtuellen Schnitzeljagden und noch viel mehr.
Welche gesellschaftlichen Machtstrukturen spiegelt Künstliche Intelligenz (KI) wieder? Welche gesellschaftlichen Gruppen werden traditionell davon ausgeschlossen? Unter anderem diese beiden Fragen wurden im Rahmen eines Workshops zu den Themen (KI), Diversity und Nachhaltigkeit diskutiert. Studierende aller Studienrichtungen und Universitäten waren eingeladen, um in einem offenen, dynamischen Rahmen ihre Gedanken auszutauschen. Organisiert und moderiert wurde der Abend von Julia Gnägi (Studentin der Hochschule für Life Sciences FHNW. In der dokumentierten Gesprächsrunde mit Suhyene Iddrisu, Elisa da Costa und Jamal Mahmoud wurden spannende Themen wie Intersektionalität, der Energieverbrauch von Chatbots, gesellschaftliche Machtstrukturen in der KI sowie das Konzept der «Polykrise» - ein Zusammenspiel verstärkender Krisen – diskutiert.
Die Schweiz feierte 2024 20 Jahre Behindertengleichstellungsgesetz und 10 Jahre UNO-Behindertenrechtskonvention mit Aktionstagen. Daran beteiligte sich auch die FHNW und widmete die vierte Includo-Veranstaltung der Erkennung und dem Abbau von Barrieren in der Hochschulbildung. Die dortigen Redner*innen waren alles Selbstvertretungen und damit Expert*innen in eigener Sache. Christine Bühler, Präsidentin des Behindertenforums beider Basel, sprach Grussworte und richtete einen wichtigen Appell an die FHNW: «Inklusion muss immer und überall erlebbar gemacht werden. Menschen mit Behinderung müssen ihre Stärken und Fähigkeiten einbringen können.» An der Pädagogischen Hochschule FHNW waren Studierende im Rahmen der «Nationalen Aktionstage Behindertenrechte» eingeladen, sich im Rahmen eines Workshops Gedanken zum Motto des Aktionsmonats «Zukunft Inklusion» zu machen. Als Produkt des Workshops wurden Statements formuliert, die die Öffentlichkeit auf den Aktionsmonat aufmerksam machen und zum Diskurs einladen.
Ebenfalls beteiligte sich die FHNW am schweizweiten Sexual Harassment Awareness Day (SHAD) sowie am Pride Month. Während anlässlich des SHADs an der Hochschule für Musik FHNW und der Hochschule für Wirtschaft FHNW interaktive Rundgänge mit dem Forumtheater KonflikTüren angeboten wurden, wehten im Juni an allen FHNW-Standorten wieder die Pridefahnen. Damit bekräftigte die FHNW ihr Statement als offene und inklusive Hochschule und lenkte im Juni die Aufmerksamkeit verstärkt auf die LGBTIQ+-Community.
Das Projekt «Integral» bietet hochqualifizierten Geflüchteten ein Hinführungsstudium, das sie auf ein anschliessendes reguläres Studium vorbereitet. Viele geflüchtete Menschen verfügen über eine höhere Ausbildung oder mehrjährige Arbeitserfahrung. Ein Hochschulzugang ermöglicht es ihnen, ihre Kenntnisse anzuwenden und ihre Potentiale zu entfalten. Das Hauptziel ist, die Teilnehmenden so schnell wie möglich in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Diese Integration fördert nicht nur ihre finanzielle Unabhängigkeit, sondern auch ihre soziale und berufliche Vernetzung in der Schweiz. 2024 ist das Projekt «Integral» erfolgreich in sein viertes Jahr gestartet. Insgesamt sind derzeit also ca. 40 Geflüchtete an der Hochschule für Technik FHNW entweder im Vorstudium oder im regulären Studium. Die Teilnehmenden kommen hauptsächlich aus Afghanistan, der Türkei und der Ukraine. Um die Integration in den Arbeitsmarkt zu beschleunigen und finanzielle Unabhängigkeit zu fördern, wird zudem eng mit Firmen zusammengearbeitet und werden beispielsweise berufsbegleitende Studiengänge angeboten. Das Projekt «Integral» wird im Rahmen des neuen Aktionsplans Diversity 2025–2028 (PDF) auf die Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW sowie die Hochschule für Soziale Arbeit FHNW ausgeweitet.
Das swissuniverstities-Projekt «Differenzsensible Lehre» beschäftigte sich in den letzten vier Jahren mit Differenzverhältnissen, Ausschlüssen, Barrieren und Diskriminierungen in der Hochschullehre und lotete Möglichkeiten einer differenzsensiblen Lehre aus, die inklusiv, zugänglich und sensibel gestaltet ist. Neben der Pädagogischen Hochschule FHNW waren die Universität Basel sowie die Universität Bern am Projekt beteiligt. Kernstück des Projekts ist das neu aufgeschaltete Webportal, das Schauplätze differenzsensibler Lehre aufspürt. Darauf finden sich didaktische Ansätze, unterstützende Materialien aber auch Audiospuren mit Stimmen von Studierenden und Dozierenden verschiedener Hochschulen. Aus unterschiedlicher Perspektive gehen diese Stimmen der Frage nach, wie eine differenzsensible Lehre aussehen könnte, mit welchen Ideen, Handlungsmöglichkeiten aber auch offenen Fragen, Unbehagen oder Herausforderungen sie sich mit Blick auf eine differenzsensible Lehre durch die Hochschule bewegen.
Das Thema Diversity wurde in verschiedenen Forschungsprojekten und -kooperationen aufgegriffen. Ebenso wie in den Lehr- und Weiterbildungsangeboten wurde hier inhaltlich ein sehr breites Spektrum abgedeckt. Geforscht wurde unter anderem zu Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben von Ärzt*innen, zur Bildung bzw. diesbezüglichen Herausforderungen älterer Menschen, zur gehörlosengerechten Gesundheitsversorgung oder zur Inklusion von LGBTIQ+-Studierenden an Schweizer Hochschulen. Mit der Publikation des Gender Equality Monitorings (PDF) wurden die Anforderungen gemäss Horizon Europe an der FHNW erfüllt.
In den letzten Jahren wurden im Bereich Diversity alle Massnahmen aus dem Aktionsplan Diversity 2021–2024 umgesetzt. Im Jahr 2024 galt es nun neue Diversityziele zu erarbeiten. Auf Basis der allgemeinen Grundlagen (u.a. Gleichstellungsgesetz), FHNW-spezifischen Grundlagen sowie einer Bedarfsanalyse ergaben sich für die folgenden Jahre drei übergeordnete Diversityziele: Vielfalt fördern und Zugänglichkeit verbessern, Diversitykompetenz vermitteln und Awareness stärken, Inklusiv kommunizieren und Visibilität von Diversity erhöhen. Im nun vorliegenden Aktionsplan Diversity 2025–2028 (PDF) wurden neun Subziele formuliert, welche mit konkreten Massnahmen und Verantwortlichkeiten hinterlegt sind. Diese Massnahmen umfassen zum Beispiel die Realisierung von Brückenangeboten für Geflüchtete zur Verbesserung des Hochschulzugangs, von Supportangeboten zum Thema E-Accessibility, den Aufbau eines diversitätssensiblen Talentmanagements oder die Entwicklung eines Inklusionsbarometers. Zudem gilt es mit neuen Formaten die Diversitätskompetenzen von Mitarbeitenden und Studierenden weiter zu stärken.