23.3.2021 | Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik
Erzähl mal... Barbara Sintzel
Seit Januar 2021 leitet die Umweltingenieurin Barbara Sintzel das Institut Nachhaltigkeit und Energie am Bau. Aber was ist Nachhaltigkeit eigentlich genau und welchen Beitrag können Fachhochschulen bei der Energiewende leisten? Erzähl mal…
Prof. Barbara Sintzel ist die neue Leiterin des Instituts Nachhaltigkeit und Energie am Bau INEB. Hier beim Antrittstag am 5.1.2021 im fast leeren Campus.
«Ich bin seit rund 25 Jahren im nachhaltigen Bauen aktiv. Ich habe einige Jahre in Baden in der Stadtentwicklung gearbeitet und dort unter anderem bei der nachhaltigen Transformation das BBC-Areals mitgewirkt. 2004 habe ich ein eigenes Beratungsbüro gegründet, welches das Fachcontrolling von Minergie-ECO-Gebäuden sicherstellte. In den letzten 14 Jahren habe ich den Verein eco-bau geleitet und konnte dabei viele Empfehlungen für nachhaltiges Bauen erarbeiten. Das Thema bewegt mich seit Langem: Ich stamme aus einer Ingenieursfamilie. Mein Vater hat mich schon früh mit auf die Baustelle mitgenommen und meine Kindheit im Aargau war geprägt von der starken Ausdehnung der Siedlungsfläche. So mussten mehrere Obstwiesen in meinem Dorf mehr oder weniger schönen Zweckwohnbauten weichen. Darunter auch der Lebensbaum meines Grossvaters, der bei seiner Geburt gepflanzt wurde. Das hat mich bewegt und mich davon abgehalten, in die Architektur einzusteigen und stattdessen ein Studium in Richtung nachhaltiges Bauen zu wählen.
Der Einfluss der Hochschulen in der Energiewende
Die Aufgabe an der FHNW bietet viele Möglichkeiten, an der Energiewende mitzuwirken: Wie schaffen wir es beispielsweise, die Altbauten fit zu machen und möglichst rasch auf erneuerbare Energien umzustellen? Ein weiterer Punkt sind die Baumaterialien. Auch sie benötigen einen wesentlichen Anteil an grauer Energie und führen dadurch auch zu relevanten CO2-Emissionen. Wie schaffen wir es hier, eine Bauwende einzuleiten und beispielsweise auch mehr erneuerbare Baustoffe einzusetzen? Eine dritte Herausforderung sind die Abfallmengen mit mehreren Tonnen Mischabbruch pro Person und Jahr. Wie können wir die Kreislaufwirtschaft ankurbeln, damit nicht wertvolles Material in der Deponie landet?
Die FHNW kann sich zu diesen Fragen auf verschiedenen Ebenen einbringen: Wichtig ist Forschung und Entwicklung, wo wir auch mit der Praxis zusammenarbeiten. So sind wir aktuell in mehrere Arealplanungen involviert und erforschen beispielsweise Aspekte der energetischen Vernetzung wie Anergie-Netze, Nahwärmeverbunde, Smart-Grid aber auch Themen wie Netto-Null und die Wiederverwendung von Bauteilen. Ausserdem hat das Institut Nachhaltigkeit und Energie am Bau einen starken Fokus auf die Weiterbildung: Wir bieten verschiedene CAS-Lehrgänge und Weiterbildungskurse zu nachhaltigem und energieeffizientem Bauen an. Da bringen die Dozierenden ihre Expertise und Erfahrung ein und die Teilnehmenden wenden das Gelernte an Beispielen aus ihrer Praxis an. Auch in der Ausbildung sind wir engagiert, indem wir an unserer Hochschule in vielen Fächern der Architektur und des Bauingenieurwesens involviert sind. Zudem beteiligen wir uns als Partner am Energie- und Umwelttechnikstudiengang (EUT) und leiten bei diesem die Vertiefung «Energie in Gebäuden». Wir bieten den MSE Master of Science in Engineering im Profil Building Technologies (BT) und evaluieren aktuell, ob wir einen eigenen Bachelor- oder Masterstudiengang aufbauen wollen.
Chancen des Wandels für die Baubranche
Diese Prozesse werden durch die Digitalisierung beschleunigt. Dank Digitalem Bauen ist es möglich, schon in frühen Phasen verschiedene Entwurfsvarianten auf Nachhaltigkeitsaspekte zu prüfen. So haben wir im Rahmen des GreenBIM-Programms ein BIM-Plugin entwickelt, mit dem man in Revit die graue Energie und CO2-Äquivalente des geplanten Baus überprüfen kann. Ziel ist es, noch weitere Themen hinzuzufügen, die den nachhaltigen Entwurf fördern. Gut möglich, dass in Zukunft auch gebrauchte Bauteile über Suchalgorithmen angeboten und erworben werden können. Das sind alles wichtige Prozesse für mehr Nachhaltigkeit. Dieser zunehmende Trendbegriff bedeutet für mich, dass wir weltweit drängende Probleme erfassen und Lösungen dazu entwickeln. Sie basieren auf der Konferenz für Nachhaltigen Entwicklung, die 1992 in Rio de Janeiro beschlossen wurde und heute in den Sustainable development Goals SDG’s und der Agenda 2030 fortgeführt wird. Es braucht aber auch Handeln auf der individuellen Ebene: Ich habe mich schon früh mit Umwelt- und Nachhaltigkeitsaspekten auseinandergesetzt und versuche seit vielen Jahren, meinen Fussabdruck möglichst klein zu halten, habe mich lange Zeit vegetarisch ernährt. Auch in der Familie kaufen wir auf dem Wochenmarkt ein, fahren mit dem Öv oder mal mit Mobility und versuchen, auch unseren Konsum bewusst zu gestalten.
Weiter engagiere mich im SIA und leite da die Kommission für Nachhaltigkeits- und Umweltnormen und habe dadurch auch Einsitz in der Zentralkommission für Normen des SIA. Es ist uns jetzt gelungen ein Nachhaltigkeitscheck zu entwickeln, so dass bei jeder Norm Nachhaltigkeitsaspekte einfliessen können - das ist ein grosser Erfolg und freut mich sehr.»
Wer ist Barbara Sintzel?
Barbara Sintzel leitet seit Januar 2021 das Institut Nachhaltigkeit und Energie am Bau der FHNW. Welche Funktionen die Umweltingenieurin vorher inne hatte, ist in dieser News zu erfahren.
Zur NewsBarbara Sintzel moderiert und referiert am Donnerstag, 25. März 2021 an der "Fachtagung Nachhaltiges Bauen". Die Tagung behandelt das Ziel Netto-Null oder das klimaneutrale Bauen als anspruchsvolle Ziele für die Bau- und Immobilienwirtschaft. Nebst Sintzel erhalten auch andere Pionierinnen und Pioniere das Wort, so zum Beispiel Eike Roswag der ZRS Architekten Berlin, welche die postfossile Architektur vorstellt.
Weitere Informationen zur Fachtagung finden Sie auf dieser Webseite.
Das Institut INEB
Das Institut Nachhaltigkeit und Energie am Bau (INEB) – ehemals Institut Energie am Bau (IEBAU) – der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW hat sich in über 25 Jahren als eines der führenden Schweizer Institute in der angewandten Energieforschung etabliert. Das Institut Nachhaltigkeit und Energie am Bau ist auf dem Gebiet der effizienten Nutzung von Energie und dem Einsatz erneuerbarer Energien im Baubereich tätig.
Zur InstitutsseiteForschungszentrum für erneuerbare Energien und Energie am Bau
Das Energy Research Lab (ERL) testet Komponenten für Wärme- und Stromversorgungssysteme in Gebäuden. Meistens stehen Wärmepumpen im Mittelpunkt des Interesses, aber auch Phasenwechselspeicher, solarthermische Kollektoren, komplexe Ventile und Steuerungssysteme.
Zur Webseite des LaborsWeitere Stories
In der Reihe «Erzähl mal…» geben Mitarbeitende und Studierende der Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik FHNW Einblicke in Projekte, Themen oder Gremien, die ihnen am Herz liegen. Bisher haben die folgenden Personen erzählt:
- Katja Strittmatter, Studentin Bauingenieurwesen
- Patrick Mettler, Präsident der Fachschaft
- Natalie Lack, Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Dozentin des Instituts Geomatik
- Ruedi Hofer, Direktor der Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik
- Annette Helle, Leiterin des Instituts Architektur
- Christina Klausener, Leiterin Marketing und Kommunikation der Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik
- Wissam Wahbeh, Leiter des Fachbereichs BIM Modellierungstechnologien des Instituts Digitales Bauen
- Achim Geissler, Dozent für nachhaltiges und energieeffizientes Bauen des Instituts Energie am Bau
- Shadi Rahbaran & Ursula Hürzeler, Professorinnen für Entwurf und Konstruktion am Institut Architektur
- Stefan Waldhauser, Dozent für Haustechnik am Institut Architektur