29.6.2023 | Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik
Erzähl mal… Ruedi Hofer und Gerhard Schrotter
Einen Stab haben sie zum Interview nicht mitgebracht, dieser wird jedoch – immerhin sinnbildlich – bald übergeben. Seit 2016 führt Prof. Ruedi Hofer als Direktor die Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik FHNW. Ende Juli gibt er Aufgabe und Amt weiter an Dr. Gerhard Schrotter, welcher ab August als neuer Direktor für Netzwerk, Positionierung und Weiterentwicklung der Hochschule verantwortlich sein wird. Erzähl(t) mal…
Prof. Ruedi Hofer (links), Direktor der Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik FHNW, und sein Nachfolger, Dr. Gerhard Schrotter (rechts)
Ruedi Hofer, was war der beste Ratschlag, den Du bei Deinem Amtsantritt 2016 mit auf den Weg bekommen hast? Von wem kam dieser und wie hast Du ihn in den letzten Jahren umgesetzt?
Der beste Ratschlag war: «Praxis und Wissenschaft zusammenbringen.» Spannend ist, wo dieser herkam, nämlich von Johannes Sutter, Jurist und Vorsitzender der Geschäftsleitung eines Ingenieur- und Planungsbüros im Kanton Baselland. Damals war ich gerade als kompletter Quereinsteiger zum neuen Direktor unserer Hochschule berufen worden, nach 30 Jahren im Bereich Infrastrukturen, Planen, Bauen, Erhalten und Betreiben.
Wir haben diesen Ratschlag umgesetzt, indem wir begonnen haben, mit einzelnen Unternehmungen und Verbänden in einen Austausch zu treten. In der letzten Strategieentwicklung entstand dann die Idee eines Fachbeirats, welcher ein wertvoller Resonanzkörper für unser Tun ist. Später kam die Arbeitsweltbefragung als Teil unseres QM Systems dazu. Und daraus ergab sich der Bau- und Planungstisch beider Basel. Man muss sich vorstellen: Im Mai letzten Jahres war das erste Mal, seit es diese Verbände gibt – zum Teil über 100 Jahre –, dass im Rahmen der Swissbau alle in einem Raum waren und sich ausgetauscht haben. Auf unsere Einladung hin. Das heisst für mich, Praxis und Wissenschaft zusammenbringen. Dieses Credo spiegelt sich auch in der Erhöhung des Forschungsvolumens unserer Hochschule, indem wir Forschungsfragen aus der Praxis für die Praxis bearbeiten. Auch hier: Praxis und Wissenschaft.
Du warst fast sieben Jahre Direktor der Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik FHNW. In den Jahresberichten steht viel über Entwicklungen, Zahlen und Ziele. Was aber sind für Dich persönlich die zwei Dinge, auf welche Du besonders stolz zurückblickst?
Besonders stolz bin ich auf zwei Punkte, welche unsere Hochschule in den letzten sieben Jahren erlebt und erreicht hat: Einerseits der Beitrag zur Kooperation. Dieses Bewusstsein, die bebaute Umwelt mitzugestalten. Von einer Hochschule aus Fachdisziplinen bewegen wir uns hin, zu einer Hochschule für den Lebensraum. Das liegt mir als Ingenieur im Bereich Infrastruktur sehr am Herzen. Diese Kooperation. Ich denke, da sind wir auf einem guten Weg.
Das zweite ist der Beitrag zur Bauwende. Die Themen Digitalisierung und Nachhaltigkeit wurden in allen Instituten – mit unterschiedlicher Intensität – aufgenommen. Bei der Digitalisierung beispielsweise fasziniert mich, was diese auch hinsichtlich Prozessen Zusammenarbeit ermöglicht. Und bei der Nachhaltigkeit ist klar, dass das Thema dringlich ist. Meine Generation, die in den 80ern studiert hat, wusste, wie wichtig das ist. Aber heute wissen wir es nicht nur, heute ist auch der Wille da, das gesamtheitlich anzugehen. Das stimmt mich ethisch zuversichtlich – für unsere Hochschule aber auch die gesamte Branche.
Wo ging etwa schief oder konnte nicht so realisiert werden, wie Du es Dir gewünscht hast?
Eine geschickte Staffelung. Ich habe von meinem Naturell her grosse Freude an einer kontinuierlichen Weiterentwicklung. Beruflich sah ich meine Aufgabe darin, in einer ersten Phase zu stimulieren und in einer nächsten Phase auch zu ermöglichen. Aber dann kommt die Phase, die man nicht verpassen sollte, nämlich zu staffeln und, wo nötig, vielleicht auch einmal ein bisschen den Fuss vom Gas zu nehmen. Das haben wir ein bisschen verpasst. Wir waren etwas sehr euphorisch unterwegs mit den Veränderungen und Weiterentwicklungen. Zudem ergab sich eine Gleichzeitigkeit, auch durch Covid, durch Teuerungen und sonstige Rahmenbedingungen. Wir wollten etwas viel auf einmal, was uns nun fordert.
Ruedi Hofer (links) und Gerhard Schrotter im Dialog und Austausch, um gemeinsam eine reibungslose Amtsübergabe sicherzustellen.
Gerhard Schrotter, in der Medienmitteilung der FHNW, welche Dich als neuen Direktor der Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik FHNW vorstellt, sind Deine Karriereschritte zu lesen. Diese sind höchst spannend und beeindruckend. Was hast Du mal so richtig versemmelt, das vermutlich nicht in Deinem CV steht?
Das war ganz am Anfang meiner Karriere. Ich wollte nämlich etwas ganz anderes werden. Ich interessierte mich sehr für Sport und den menschlichen Körper, aber auch für Mathematik. Deshalb wollte ich Physiotherapeut werden. Die Aufnahmeprüfung zur Physiotherapie in Österreich ist aufgrund der Anzahl von Teilnehmenden richtig schwierig. Und die habe ich nicht bestanden. Daraus ist die noch grössere Liebe für die Mathematik entstanden und daraus dann für die Geomatik. Die Geomatik bietet ein äusserst breites Spektrum, in dem man die Mathematik praktisch einsetzen kann. Diese Nähe zur Anwendung hat mich in die Geomatik geführt.
Also war die Geomatik ein Notnagel?
So würde ich das nicht bezeichnen. Ich würde es eher als Buntheit bezeichnen. Als ich mein Studium begann, war das für mich eines der buntesten Institute, bunt im Sinne der Möglichkeiten und Aufgabengebiete. Das geht von Satellitenaufnahmen bis zu Untergrundanalysen. Ich fand es extrem spannend, wie man versucht, die Welt zu abstrahieren, dies visuell aufarbeitet und auf wunderschöne Karten und Pläne überträgt. Auch die Dritte Dimension hat mich fasziniert. Das war für mich plastisch und verständlich.
Später hatte dann mein PhD an der ETH mit dem menschlichen Körper zu tun. Wir haben ein Gesamttracking gemacht, Human Motion, wie man das beispielsweise in Filmen sieht, wenn zum Beispiel ein Avatar eingesetzt wird, auf die getrackten Punkte. Das war Teil meines PhD, die sogenannte Videogrammetrie, die Weiterentwicklung der Photogrammetrie auf Videosequenzen. Die Nähe ist also noch ein bisschen geblieben und der Rest war dann vollumfänglich Ingenieurwesen und Geomatik.
Die Aufnahmeprüfung habe ich damals so richtig versemmelt – und es hatte enorme Konsequenzen. Ich wäre heute vermutlich nicht in der Schweiz und würde ein ganz anderes Leben führen. Hier sieht man, was die Entscheidung über den Beruf ausmacht.
Sie hat den Grundstein gelegt für den Weg hierhin, an die FHNW. Welche Erfahrungen hast Du auf diesem Weg, während Deiner bisherigen Karriere, gemacht, die für Dich im Hinblick auf Deine neue Aufgabe besonders wertvoll sind?
Zu Beginn meiner Karriere in der Privatwirtschaft, war ich sehr fachspezifisch auf Projekte fokussiert und bin dann über die Verwaltung auch in das politische Umfeld gekommen. Die Führungserfahrungen in grösseren Organisationen – Geomatik und Vermessung Zürich hat ca. 90 Personen, die Geschäftsleitung vom Gesamtdepartement mit ungefähr 1700 Personen – war sehr wertvoll. Man sammelt viel Erfahrung in Menschenführung aber auch in der Zusammenarbeit in Gremien. Dass man mit unterschiedlichen Personen unterschiedlicher Ausbildung mit unterschiedlichen Hintergründen versucht, alle einzubeziehen und eine gute Führung hinzukriegen ist meiner Meinung nach entscheidend.
Am Anfang der Karriere fokussiert man oft auf das Fachliche, aber am Schluss ist das Wesentliche das Menschliche und die Kooperation. Früher habe ich menschliche Körper modelliert, heute fasziniert mich das Innere, nämlich darum, herauszufinden, wie man mit Menschen zusammenarbeiten kann. Wertschätzende Führung. Natürlich bringe ich auch das ganze Akademische mit, mit Vorlesungen, dem Schulbetrieb und dem Verständnis, wie die akademische Welt tickt. Auch das sind sicher wertvolle Erfahrungen, die ich einbringen kann.
Welche Kompetenzen aus der Geomatik nutzt Du auch in Deiner Funktion als Führungsperson?
Was ich nutze, hat ein bisschen was mit Geomatik und mit Distanz zu tun. Ein guter Freund hat zu mir gesagt: «Die kürzeste Distanz zwischen zwei Menschen ist ein Lächeln.» Das ist etwas, was ich immer verwende. Das nutzt mir auch als Führungsperson.
Aus der Geomatik nutzt mir die Genauigkeit. Ich sehe sofort Fehler. Beispielsweise in der Rechtschreibung. Wenn ich auf eine Seite schaue, sehe ich das sehr schnell. Das hat sicher mit Präzision zu tun, mit einem Überblick, schnell zu erkennen, wenn etwas nicht stimmig ist. Das ist schon relativ stark ausgeprägt und könnte aus der Geomatik stammen.
Eure beiden Beispiele zeigen, dass, wer Ingenieurwesen oder Geomatik studiert, irgendwann in einer Führungsposition landen kann – sei dies als Direktor einer Bauhochschule oder auch als selbständige Unternehmerin oder Projektmanager. Welche drei Kompetenzen sollten unsere Studierenden – egal welcher Fachrichtung – dringend erwerben, um auch als Führungspersönlichkeiten bestehen zu können, Gerhard Schrotter?
Die Kommunikationsfähigkeit ist sicher eine der wichtigsten Komponenten. Nicht nur der Monolog, sondern auch der Dialog. Dialogbasierte Kommunikation mit Feedback usw. ist enorm wichtig, dass man schätzt, was gut ist, aber auch, wo es noch hingehen kann. Zudem darf man die Wertschätzung nicht vergessen, aber auch Transparenz und Nachvollziehbarkeit. Wir haben gerade heute darüber diskutiert, dass man beispielsweise mit MS Teams ganz neue Möglichkeiten hat, mit digitalen Mitteln Transparenz oder Nachvollziehbarkeit zu schaffen, um beispielsweise zu wissen, was eine Führungsperson überhaupt macht. Das ist wichtig.
Wichtig ist für mich auch: Ich habe eine Abneigung gegen Hierarchie. Ich finde Hierarchie in bestimmten Institutionen gut, aber nicht in allen Situationen richtig. Es gibt den Begriff der Heterarchie, bei dem eine Gleichstellung herrscht. Im Staat heisst das ein «primus inter pares», ein Erster unter Gleichen. Das sind so Dinge, die man entwickeln kann. Man kann sagen, es braucht jemand, der die Führung macht, legt aber auf Teamentscheide grossen Wert, damit diese vom Gesamten getragen werden. Wie im digitalen Bauen geht es auch hier vor allem um Kollaboration, um das Kommunizieren, damit man sich gegenseitig versteht, und um Nachvollziehbarkeit, damit man weiss, wer was macht. Das sind sicher die wichtigsten Kompetenzen, die es braucht, egal, was man studiert.
Wir haben mit dem besten Ratschlag begonnen, den Du, Ruedi Hofer, bei Deinem Amtsantritt 2016 erhalten hast. Welchen Ratschlag gibst Du nach sieben Jahren, 2023, Gerhard Schrotter mit auf den Weg?
Was mir besonders am Herzen liegt – nicht im Sinne eines Ratschlags – ist das Weiterfördern des Potentials an Expertinnen und Experten, die wir an der HABG haben. Das ist meiner Meinung nach einmalig, für die Lehre und Forschung über den Lebensraum und ein USP, das alles unter einem Dach zu haben. Dass man das weiterentwickelt und fördert, mit gegenseitiger Wertschätzung und Freude an der Zusammenarbeit.
Und was wünschst Du Dir für Dich selbst?
Raum für die Beziehung mit meiner Frau, Valerie. Wir hatten immer den Lebensplan, mit 60ig die Arbeit zu reduzieren und mehr Zeit füreinander zu haben. Der Zeitpunkt stimmt und ich freue mich, dass ich die Basis für die neue Strategie vorbereiten durfte, welche Geri nun gemeinsam mit dem Hochschulleitungsteam angeht.
Die Mitglieder der Hochschulleitung (Prof. Axel Humpert, Leiter Institut Architektur, 2. v. l., Prof. Barbara Sintzel, Leiterin Institut Nachhaltigkeit und Energie am Bau, 3. v. l., Prof. Dr.-Ing. Harald Schuler, Leiter Institut Bauingenieurwesen, 5. v. l., Prof. Manfred Huber, Leiter Institut Digitales Bauen, 4. v. r., Sandra Tessarini, Leiterin Services, 3.v.r. und Prof. Dr. Dante Salvini, Leiter Institut Geomatik, rechts oben) zusammen mit Prof. Ruedi Hofer, Direktor bis Ende Juli 2023 (Mitte vorne) und Gerhard Schrotter, Direktor ab August 2023 (Mitte Mitte) sowie Katja Mini, Direktionsassistentin (vorne links), Bruno Lüscher, IT-Verantwortlicher (vorne, 2. v. l.) und Monika Spring, Kommunikation (vorne rechts).
Weitere Stories
In der Reihe «Erzähl mal…» geben Mitarbeitende und Studierende der Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik FHNW Einblicke in Projekte, Themen oder Gremien, die ihnen am Herz liegen. Bisher haben die folgenden Personen erzählt:
- Daniel Kellenberger, Professor für Nachhaltiges Bauen - Ökobilanzierung
- Mitglieder des Projektteams "Baukulturen in der Schweiz", SNF-Projekt "Baukulturen der Schweiz 1945–1975. Kontexte – Strategien – Perspektiven"
- Manuela Amann, Masterstudentin MSE Profile Geomatics und Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut Geomatik
- Rohit Ranjan, Projektmitarbeiter am Institut für Nachhaltigkeit und Energie am Bau
- Fiona Tiefenbacher, Wissenschaftliche Assistentin am Institut Geomatik
- Andreas Witmer, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut Nachhaltigkeit und Energie am Bau
- Roger Ebener, Mitarbeiter Stab
- Barbara Sintzel, Leiterin des Instituts Nachhaltigkeit und Energie am Bau
- Katja Strittmatter, Studentin Bauingenieurwesen
- Patrick Mettler, Präsident der Fachschaft
- Natalie Lack, Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Dozentin des Instituts Geomatik
- Ruedi Hofer, Direktor der Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik
- Annette Helle, Leiterin des Instituts Architektur
- Christina Klausener, Leiterin Marketing und Kommunikation der Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik
- Wissam Wahbeh, Leiter des Fachbereichs BIM Modellierungstechnologien des Instituts Digitales Bauen
- Achim Geissler, Dozent für nachhaltiges und energieeffizientes Bauen des Instituts Energie am Bau
- Shadi Rahbaran & Ursula Hürzeler, Professorinnen für Entwurf und Konstruktion am Institut Architektur
- Stefan Waldhauser, Dozent für Haustechnik am Institut Architektur